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Münchner Sicherheitskonferenz
Das Böse besiegen

Autor: Andreas von Delhaes-Guenther

Überschattet vom Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalnys und dem Fall der über Monate verteidigten ukrainischen Stadt Awdijiwka fand heuer wieder die 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) vom 16. bis 18. Februar 2024 im Hotel Bayerischer Hof statt. Ein Fazit.

Für die rund 800 Konferenzteilnehmer gab es viele Veranstaltungen, Diskussionen und Hintergrundgespräche. Die globale Sicherheitslandschaft hat sich in den letzten Jahren gravierend und rasch verändert. Die Corona-Pandemie offenbarte die Abhängigkeit des Westens von China und von internationalen Lieferketten, der russische Angriffskrieg in der Ukraine die Abhängigkeit Europas von russischer Energie und seine militärische Schwäche. Der Hamas-Überfall auf Israel löste eine neue Krise in Nahost aus und zeigte, wie stark sich das iranische Mullah-Regime in der Region ausgebreitet hat. Migration gefährdet zunehmend die Stabilität europäischer Demokratien, ebenso wie russische und chinesische Einflussnahme.

Das Fazit von HSS-Vorsitzendem Markus Ferber, MdEP, zur Münchner Sicherheitskonferenz

Botschafter Christoph Heusgen ist seit 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz.

Botschafter Christoph Heusgen ist seit 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz.

MSC

Der globale Süden begehrt auf und versucht sich an einem Tanz zwischen allen Polen. In Afrika offenbaren sich die Misserfolge der Entwicklungspolitik: Laut MSC werden nur neun von 54 afrikanischen Staaten als „frei“ eingestuft, mehrere Putsche destabilisieren derzeit mal wieder die Region. Mit den erweiterten BRICS formiert sich ein neuer Staatenbund aus aufstrebenden Schwellenländern. Viele alte und neue Krisenherde entwickeln sich, von Bergkarabach über Taiwan bis Venezuela. Themen wie Technologieführerschaft, Klimawandel und Ernährung stehen in der Tür. Und dazu droht mit der anstehenden US-Wahl der wichtigste Verteidigungspfeiler für die Demokratien verloren zu gehen.

Warnung vor Putin

Es gab also genug Themen, mit denen sich die hochrangigen Gäste aus aller Welt auseinandersetzen konnten. So kamen neben US-Vizepräsidentin Kamala Harris auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, UN-Generalsekretär António Guterres, US-Außenminister Antony Blinken, Israels Präsident Isaac Herzog, Chinas Außenminister Wang Yi, die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, Bundeskanzler Olaf Scholz, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud, dazu viele weitere Staats- und Regierungschefs sowie Minister, Abgeordnete, Diplomaten und Vertreter großer Organisationen.

In Erinnerung bleiben werden sicher die bewegenden Momente, als Alexej Nawalnys Frau Julija kurz nach Bekanntwerden seines Todes in einem russischen Straflager auf der MSC-Bühne stand und unter Tränen die internationale Gemeinschaft aufrief, „zusammenzustehen und dieses Böse zu besiegen, dieses furchtbare Regime, das heute über Russland herrscht“. Auch die mit stehenden Ovationen bedachte Rede Selenskyjs nach 724 Tagen Krieg wird nachhallen. „Wenn wir Putin jetzt nicht besiegen, ist es irgendwann egal, wer Russland regiert. Denn jeder weitere Führer wird sich daran erinnern, wie man Macht erhält“, warnte der ukrainische Präsident. Der Vorschlag der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen für einen EU-Verteidigungskommissar stieß dagegen nicht bei allen auf Gegenliebe. Die CSU forderte einen „Kommissar für Aufrüstung“, da derzeit koordinierte Rüstungsproduktion sowie gemeinsame Waffensysteme wichtiger seien.

"Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt vorhersagen, wer im November 2024 die Präsidentschaftswahl gewinnt. Insofern müssen wir verschiedene Szenarien bedenken", sagte der Präsident des American German Instituts (AGI), Jeff Rathke (2.v.l.), über die Folgen einer möglichen erneuten Präsidentschaft Donald Trumps in den USA.

"Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt vorhersagen, wer im November 2024 die Präsidentschaftswahl gewinnt. Insofern müssen wir verschiedene Szenarien bedenken", sagte der Präsident des American German Instituts (AGI), Jeff Rathke (2.v.l.), über die Folgen einer möglichen erneuten Präsidentschaft Donald Trumps in den USA.

HSS

Mitten drin statt nicht dabei

Auch die Hanns-Seidel-Stiftung hat sich wieder mit zahlreichen Veranstaltungen an der MSC beteiligt. Der HSS-Vorsitzende Markus Ferber, MdEP, beschrieb drei essentielle Fragen für den Westen: „Hält die Kriegsallianz gegen Putin? Wie bekommen wir den Nahost-Konflikt in den Griff? Was passiert, wenn Donald Trump als US-Präsident wieder an die Macht kommt?“ Die HSS griff alle diese Fragen und mehr in ihren Side-Events auf. Bei „Europa als globaler Akteur und das gemeinsame Interesse an einer freien Ukraine“, ein Event gemeinsam mit dem Verbindungsbüro des Europäischen Parlamentes in München, diskutierten internationale Akteure das derzeit beherrschende sicherheitspolitische Thema (Mehr zu Geopolitik hier). Seit der ehemalige US-Präsident Donald Trump vor einer Woche mit wenigen Worten die globale Sicherheitsarchitektur und die NATO infrage stellte, beherrscht auch die Verteidigungsfähigkeit Europas die Debatten. „Nur wer wehrhaft ist, kann frei entscheiden“, verdeutlichte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Das HSS-Event “Increasing European Defence Industrial Capacity in Times of War and Beyond” beschäftigte sich darum mit dem Thema Rüstungskapazitäten. Kooperationspartner war das International Institute for Strategic Studies (IISS), London (Mehr zu Europas Verteidigungsfähigkeit hier). Bei der Expertenrunde „Bridging the Atlantic“ und dem Kooperationspartner Amerikahaus stand die Frage der US-Wahlen im November im Zentrum und wie sich eine erneute Präsidentschaft von Donald Trump auf NATO und EU auswirken könnte. (Mehr zum Thema transatlantische Beziehungen hier)

Gruppenbild auf dem Podium

Tolle Sprecher, interessante Einblicke, klare Handlungsempfehlungen: Danke an den BDI für die gute Zusammenarbeit.

HSS

Um internationale Lieferketten ging es mit rund 50 hochrangigen Gästen bei der geschlossenen Diskussion „Supply Chains under Siege“ und den Kooperationspartnern International Democratic Union und International Republican Institute. „Die Welt deglobalisiert sich und es entstehen Handelsblockaden“, erklärte Markus Ferber, MdEP. „Es ist eine schwierige Zeit für Deutschland: Unsere Abhängigkeit von globaler Stabilität ist ein Hindernis.“

Auch auf dem gemeinsam mit dem BDI veranstalteten HSS-Side-Event "Internationale Kooperation im Systemwettbewerb - Zeit für eine Zeitenwende" ging es darum, wie der Krieg die Regeln des Welthandels ändert. Das Entwicklungspolitische Dinner „Afrika zwischen Ost und West: Strategische Partnerschaften im Energie- und Rohstoffsektor“ griff das nächste Schwerpunktthema der MSC auf. Internationale Politik griff auch „Rethinking a dialogue process to Peace, Human Security and Democracy in Myanmar“ auf.

Markus Ferber, MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung befürwortet eine offene Strategiedebatte über die Zukunft der Entwicklungspolitik und unserer internationalen Zusammenarbeit.

Markus Ferber, MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung befürwortet eine offene Strategiedebatte über die Zukunft der Entwicklungspolitik und unserer internationalen Zusammenarbeit.

Zudem gab es Hintergrundgespräche mit Partnern aus dem GIBSA-Projekt zur politischen Situation in Indien und Brasilien. Zum Interview mit unserem Vorsitzenden Markus Ferber, MdEP, hier.

Auf viel Zuspruch stieß wie immer das „Women’s Breakfast“ der HSS in Kooperation mit der Bayerischen Staatskanzlei, Women in International Security sowie dem Georgetown Institute for Women, Peace and Security. Die 220 geladenen prominenten Frauen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft konnten sich in der Münchner Residenz austauschen, vernetzen und über aktuelle Herausforderungen der internationalen Politik diskutieren. Ehrengast war die ehemalige US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton, die auch für Gespräche zur Verfügung stand. Eröffnet wurde das Event von Staatsministerin Judith Gerlach. Mehr zum Women’s Breakfast hier.

Prof. Ursula Männle, ehm. Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung (links), begrüßt Hillary Rodham Clinton beim "Women's Breakfast" in der Münchner Residenz. 
(v.l.n.r. Prof. Ursula Männle; Staatsministerin Judith Gerlach, MdL; Hillary Rodham Clinton; HSS-Mitglied Barbara Becker, MdL)

Prof. Ursula Männle, ehm. Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung (links), begrüßt Hillary Rodham Clinton beim "Women's Breakfast" in der Münchner Residenz. (v.l.n.r. Prof. Ursula Männle; Staatsministerin Judith Gerlach, MdL; Hillary Rodham Clinton; HSS-Mitglied Barbara Becker, MdL)

Im Kampf für Frieden

Wie immer, wird man in der Regel nicht erfahren, welche konkreten Ergebnisse die MSC, das „Speed-Dating internationaler Politik“, erbracht hat. Außen- und Sicherheitspolitik ist ja auch ein Marathon, kein Sprint. „Europa muss zusammenstehen und auf eine Bedrohung durch Russland und mögliche Veränderungen in den USA vorbereitet sein“, mahnte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. „Wir sind mitten im Kampf für Frieden, Freiheit und Demokratie“, betonte EVP-Chef Manfred Weber. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte: „Was heute in der Ukraine passiert, kann morgen in Taiwan passieren.“

In einer Welt vieler neuer Spannungen müssten sich Deutschland und die EU zwischen den USA, China und Russland klar positionieren und „das Angebot einer regelbasierten Ordnung wieder attraktiver machen“, forderte der HSS-Vorsitzende Markus Ferber. „In was für einer Welt wollen wir leben? Wie wollen wir diese Welt - gemeinsam mit unseren Partnern - gestalten?“ Der ukrainische Präsident Selenskyj beendete seine Rede mit einem Appell: „Das Jahr 2024 erwartet eine Reaktion von allen. Wenn wir das nicht tun, wird Putin die Zukunft zu einer Katastrophe machen. (…) Wir könnten in einer Welt aufwachen, in der lokale Kriege nicht mehr lokal bleiben.“ Ob also das MSC-Motto „Frieden durch Dialog“ noch funktioniert, wird sich zeigen.

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Redakteur: Andreas von Delhaes-Guenther
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