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Vorstellung einer Studie
Geopolitische Machtverschiebungen im Balkanraum

Autor: Armin Höller

Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist auch die Rolle des Balkans wieder in den Fokus der EU geraten. Das geopolitische Gewicht und die strategische Bedeutung dieser Region wurde in einer, von der Hanns-Seidel-Stiftung und der Südosteuropa-Gesellschaft geförderten, Studie beleuchtet.

Die Hanns-Seidel-Stiftung stellte in Zusammenarbeit mit der Südosteuropa-Gesellschaft eine Studie zu den geopolitischen Machtverschiebungen im Balkanraum vor.

Die Hanns-Seidel-Stiftung stellte in Zusammenarbeit mit der Südosteuropa-Gesellschaft eine Studie zu den geopolitischen Machtverschiebungen im Balkanraum vor.

Sicherheit und Stabilität für Europa gewährleisten

Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine steht die europäische und atlantische Sicherheitsarchitektur vor immensen Herausforderungen. Die Konfrontation mit Russlands geopolitischen Ambitionen und die Notwendigkeit, wieder Sicherheit und Stabilität für Europa zu erreichen bleibt auf absehbare Zeit bestimmend und wird immer wieder angemessene Antworten der Politik erfordern. Die mit dem Ukrainekrieg verbundenen Machtverschiebungen zeigen sich unverkennbar auf dem Balkan, wo China und Russland in den letzten Jahren vermehrt Einfluss genommen haben, um aus dem Status quo in der Region Nutzen zu ziehen.

Professor Dr. Ulrich Schlie, Inhaber der Henry-Kissinger-Professur für Sicherheits- und Strategieforschung an der Universität Bonn, hat in einer zusammen mit Prof. Matthias Herdegen, ebenfalls von der Universität Bonn, verfassten Studie die geopolitischen Entwicklungstendenzen auf dem Balkan analysiert. Im Rahmen einer von Hanns-Seidel-Stiftung und Südosteuropa-Gesellschaft veranstalteten Podiumsdiskussion mit Experten aus Politik, Diplomatie und Wissenschaft stellte Professor Schlie seine Studie vor. An der, auf die Vorstellung der Studie anschließenden, Podiumsdiskussion nahmen neben Dr. Schlie auch Dr. Marie-Janine Calic, Professorin für Geschichte Ost- und Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sowie der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, Bundesminister a.D. Christian Schmidt teil.

Die Begrüßungsrede, die die Veranstaltung eröffnete, hielt HSS-Generalsekretär Oliver Jörg, der die Bedeutung der Partnerschaft zwischen der EU und den Balkanländern hervorhob.

Die Begrüßungsrede, die die Veranstaltung eröffnete, hielt HSS-Generalsekretär Oliver Jörg, der die Bedeutung der Partnerschaft zwischen der EU und den Balkanländern hervorhob.

Die Rolle Europas im Balkanraum

In seiner Begrüßungsrede betonte der Generalsekretär der Hanns-Seidel-Stiftung, Oliver Jörg, die strategische Bedeutung der Partnerschaft zwischen der EU und den Beitrittskandidaten in Südosteuropa, die auf dem jüngsten Westbalkangipfel in Tirana bekräftigt worden sei. Eine endgültige Befriedung der Region und ein tragfähiger Interessenausgleich zwischen den Westbalkanstaaten sei von enormer Bedeutung für ganz Europa, sowohl wirtschaftlich als auch sicherheitspolitisch. Hierauf aufbauend erläuterte Prof. Schlie, die in seiner Studie ausgeführten geostrategischen Interessen Russlands, Chinas, und der Türkei und Saudi-Arabien, die alle um mehr Einfluss in der Region bemüht sind. So versuche China mit seiner Politik der konditionsfreien wirtschaftlichen Unterstützung und Kreditvergabe dauerhafte Abhängigkeiten zu schaffen, etwa durch den Bau von Autobahnen in Montenegro und Nordmazedonien oder von Kohlekraftwerken in Bosnien-Herzegowina. Für Europa gehe es darum, mit Unterstützung der USA demokratische Standards und selbsttragende Stabilität möglichst überall in Südosteuropa durchzusetzen, um die Aufnahme der Westbalkanstaaten in die euroatlantischen Strukturen zu ermöglichen.

Das Diskussionspanel war mit Experten aus Politik und Wissenschaft gut versehen. Gemeinsam wurde über die Herausforderungen des Integrationsprozesses des Westbalkans in die EU diskutiert.

Das Diskussionspanel war mit Experten aus Politik und Wissenschaft gut versehen. Gemeinsam wurde über die Herausforderungen des Integrationsprozesses des Westbalkans in die EU diskutiert.

Intensivierung der EU-Beitrittsverhandlungen

Bundesminister a.D. Christian Schmidt, ehemaliger langjähriger Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium und seit 2021 Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, erinnerte bei der Podiumsdiskussion an die enormen Probleme, die der Jugoslawienkrieg in den 1990er Jahren hinterlassen habe. Das Friedensabkommen von Dayton von 1995 spiele bis heute für die vorläufige Befriedung der Region und insbesondere die Entwicklung des komplizierten Staatsgebildes Bosnien-Herzegowina eine enorm wichtige Rolle, aber es beruhe eigentlich auf Voraussetzungen, die erst noch geschaffen werden müssten. Schmidt forderte Zwischenschritte bei den absehbar langwierigen EU-Beitrittsverhandlungen, um so die Westbalkanstaaten sicher und nachhaltig an Europa zu binden, ehe der Einfluss der außereuropäischen undemokratischen Mächte zu stark werde. Auch Prof. Dr. Calic hob die EU-Integration der Balkanstaaten als herausragendes strategisches Ziel der westlichen Außen- und Sicherheitspolitik hervor. Sie erwähnte dabei aber auch das große Wohlstandsgefälle, das die Integration erschweren würde und vor allem junge Menschen zum Auswandern bewege: So betrage das Bruttoinlandsprodukt der Westbalkanstaaten im Durchschnitt nur ein Drittel des EU-Durchschnitts, und die Jugendarbeitslosigkeit liege teilweise bei bis zu 40%. Darüber hinaus bewege der starke Nationalismus und ein ethnisch gespaltenes Bildungswesen - etwa in Bosnien-Herzegowina - viele westlich orientierte junge Menschen dazu, nicht an eine gute Zukunft im eigenen Land zu glauben und berufliche Chancen im Ausland zu suchen.

Auch bei der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass der Druck auf Europa mit dem Ukrainekrieg gestiegen ist, endlich die Integration des Westbalkans voranzubringen, ehe außereuropäische, autoritär geführte Mächte ihren Einfluss in der Region ausbauen können. Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren sich einig, dass die EU und die NATO für diese Unterstützung prinzipiell bereit wären. Doch der Weg zu einer vollen Integration bliebe schwierig und langwierig, weil das Erreichen gewisser Standards und die Einhaltung von Prinzipien nicht ganz außer Acht gelassen werden dürfen.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Prof. Dr. Ulrich Schlie, Professor an der Universität Bonn, Christian Schmidt, Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Prof. Dr. Marie-Janine Calic und Dr. Christian Hagemann, Geschäftsführer der Südosteuropa-Gesellschaft.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Prof. Dr. Ulrich Schlie, Professor an der Universität Bonn, Christian Schmidt, Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Prof. Dr. Marie-Janine Calic und Dr. Christian Hagemann, Geschäftsführer der Südosteuropa-Gesellschaft.

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