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Ehrung für 30 Jahre HSS-Projektarbeit in Rumänien
HSS-Vorsitzender Markus Ferber, MdEP, erhält goldene Ehrennadel

Autor: Benjamin Bobbe

In Europas diesjähriger Kulturhauptstadt Temeswar bekam Markus Ferber, MdEP und Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS), im Oktober für drei Jahrzehnte Stiftungsarbeit in Rumänien vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) die goldene Ehrennadel verliehen.

„Die Projektarbeit der HSS in Rumänien hat zur Demokratisierung der Gesellschaft nach der kommunistischen Regierungszeit einen wichtigen Beitrag geleistet“, sagte Ovidiu Gant, Sekretär der Abgeordnetenkammer, Abgeordneter für die deutsche Minderheit in Rumänien, in seiner Laudation nach der Überreichung. Durch die Zusammenarbeit des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) und der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) habe vor allem die Jugend der deutschen Minderheiten durch Bildungsprojekte und Stipendien profitieren können, so Gant weiter. Darüber hinaus habe der DFDR wertvolle Kontakte über die Kooperation mit der HSS knüpfen können, wodurch der deutschen Minderheit im deutsch-rumänischen Verhältnis auch auf Regierungsebene eine Brückenrolle zugefallen sei.

von links nach rechts: Benjamin Józsa (Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien), Dr. Bernd Fabritius (Präsident vom Bund der Vertriebenen, MdB a.D.), Dominic Samuel Fritz (Bürgermeister von Temeswar), Markus Ferber (MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung), Ovidiu Gant (Sekretär der Abgeordnetenkammer, Abgeordneter für die deutsche Minderheit in Rumänien) Benjamin Bobbe (Referatsleiter Mittel-und Osteuropa, Russland).

von links nach rechts: Benjamin Józsa (Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien), Dr. Bernd Fabritius (Präsident vom Bund der Vertriebenen, MdB a.D.), Dominic Samuel Fritz (Bürgermeister von Temeswar), Markus Ferber (MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung), Ovidiu Gant (Sekretär der Abgeordnetenkammer, Abgeordneter für die deutsche Minderheit in Rumänien) Benjamin Bobbe (Referatsleiter Mittel-und Osteuropa, Russland).

©HSS

Der Schutz von Minderheiten ist eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft

“Rumänien ist Vorbild für den Umgang auf politischer Ebene mit nationalen Minderheiten“ so Ferber. Deshalb organisierte das Institut für Transatlantischen und Europäischen Dialog der HSS im Anschluss an die Ehrung eine zweitägige internationale Konferenz zum Thema „Erfolgreiche Minderheitenpolitik für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine stabile Demokratie in Europa“ mit dem DFDR. Gerade im Hinblick auf die Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und des Angriffs der Hamas auf Israel vom siebten Oktober sind Fragen der Völkerverständigung ein Thema mit höchster Brisanz über die Grenzen Rumäniens hinaus.

In diesem Zusammenhang ist die Teilnahme des rumänischen Parlamentsabgeordneten Silviu Vexler, der auch der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde ist, besonders hervorzuheben. Die Sicherheitslage von Jüdinnen und Juden hat sich seit dem Hamas-Überfall auch in Rumänien drastisch verschlechtert, weshalb Vexler seitdem keinen öffentlichen Veranstaltungen beiwohnte. Seine Anreise aus Bukarest zeugte daher von echter Verbundenheit zwischen der deutschen Minderheit und der jüdischen Gemeinde in Temeswar. Auf Englisch vertraute Vexler dem Publikum an, wie sich einst aus einem einfachen Gespräch zwischen zwei Gemeindevertretern eine institutionelle Freundschaft entwickelt habe. Die Zusammenarbeit von Minderheiten bedeute Normalität, und es müsse mehr geschehen, um diese Normalität wiederherzustellen. Zudem mahnte er, „welch schreckliche Dinge geschehen können, wenn Hass regiert“ und bekräftigte, dass der Schutz von Minderheiten eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit sei.

Für die Teilnahme an der Konferenz konnten hochrangige Vertreter, Parlamentarier, Beamte und Experten aus dem Gastgeberland sowie den Nachbarländern Ukraine, Moldau, Ungarn und der Slowakei gewonnen werden.

von links nach rechts: Ciprian Petcu (Büroleiter HSS Bukarest), Benjamin Bobbe (Referatsleiter Mittel-und Osteuropa, Russland), Thomas Șindilariu (Unterstaatssekretär, Ministerium für interethnische Beziehungen, Rumänien), Dr. Radu Carp (Professor an der Universität Bukarest), Dr. Bernd Fabritius (Präsident vom Bund der Vertriebenen, MdB a.D.), Dr. Ihor Lossovskyi 
(stlv. Leiter des Staatsdienstes der Ukraine für ethnische Politik und Gewissensfreiheit, Ukraine), Markus Ferber (MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung),
Dincer Geafer (Unterstaatssekretär, Ministerium für interethnische Beziehungen, Rumänien).

von links nach rechts: Ciprian Petcu (Büroleiter HSS Bukarest), Benjamin Bobbe (Referatsleiter Mittel-und Osteuropa, Russland), Thomas Șindilariu (Unterstaatssekretär, Ministerium für interethnische Beziehungen, Rumänien), Dr. Radu Carp (Professor an der Universität Bukarest), Dr. Bernd Fabritius (Präsident vom Bund der Vertriebenen, MdB a.D.), Dr. Ihor Lossovskyi (stlv. Leiter des Staatsdienstes der Ukraine für ethnische Politik und Gewissensfreiheit, Ukraine), Markus Ferber (MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung), Dincer Geafer (Unterstaatssekretär, Ministerium für interethnische Beziehungen, Rumänien).

©HSS

Sprache: die Basis menschlicher Beziehungen

Die Vorträge und Diskussionen am ersten Konferenztag deckten ein weites fachliches Spektrum ab:

  • Mehrsprachigkeit ist der Kern für interkulturelle Verständigung, oder einfach gesagt:

Sprache ist die Basis der menschlichen Beziehungen. Eine gute Beziehung zum Nachbarn ermöglicht friedliches Zusammenleben.

  • Regionale Minderheiten repräsentieren die kulturelle Vielfalt Europas und stärken den Pluralismus in demokratischen Systemen (Ferber, Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des DFDR).
     
  • Die staatliche Unterstützung zum Erhalt von Sprachen regionaler Minderheiten in Europa ist entscheidend für die Bewahrung ihrer kulturellen Identität und des eigenen Selbstverständnisses.
     
  • Ferber sieht die Sprachförderung in den letzten Jahren in einigen EU-Ländern, einschließlich Deutschlands, (Abbau Goethe-Institute, Streichung von Deutschstunden in Polen), vernachlässigt.

Die Förderung darf nicht abhängig von der Größe einer Minderheit gemacht werden, im Gegenteil, betont Fabritius, Präsident vom Verband der Vertriebenen und MdB a.D.: Je kleiner eine Minderheit ist, umso mehr muss diese gefördert werden.

von links nach rechts: Panel „Die Sicherheits-dimension: Demokratische Stabilität und nationale Minderheiten mit Yulia Tyshchenko (Leiterin des ukrainischen Zentrums für unabhängige, politische Forschung) und Alexandru Postică (Mitglied Oberster Rat für Magistratur und strategische Planung; Berater, NGO Promo LEX in der Republik Moldau)

von links nach rechts: Panel „Die Sicherheits-dimension: Demokratische Stabilität und nationale Minderheiten mit Yulia Tyshchenko (Leiterin des ukrainischen Zentrums für unabhängige, politische Forschung) und Alexandru Postică (Mitglied Oberster Rat für Magistratur und strategische Planung; Berater, NGO Promo LEX in der Republik Moldau)

©HSS

  • EU-Richtlinien und Abkommen haben einen wesentlichen Beitrag zum Minderheitenschutz in Europa beigetragen, setzten aber eine starke Beteiligung der nationalen Regierungen und Minderheiten selbst im Land voraus.
    • Es gibt noch Lücken, die eine europaweite Implementierung erschweren:
      • Keine einheitliche Definition für regionale Minderheiten
      • Missachtung oder Verletzung von Minderheitenrechten werden nicht sanktioniert (Fabritius, Gaefer)
      • Weil auf das Prinzip der Subsidiarität Rücksicht genommen wird, bringt die EU keine eigenen Gesetzentwürfe in den Bereichen Bildung, Sprachen-Politik und Minderheitenrepräsentanz hervor (Ferber).
         
  • Wie am Beispiel Rumäniens deutlich wird, beinhaltet eine erfolgreiche Minderheitenpolitik langwierige Prozesse und viel Arbeit (Dincer Gaefer, Unterstaatssekretär, Department für interethnische Beziehungen der Regierung Rumäniens), die Ausdauer und Engagement aller Beteiligten fordert. Entscheidend für die positive Entwicklung in Rumänien war es, dass seit 1990 die ethnischen Minderheiten im rumänischen Parlament immer mit eigenen Abgeordneten vertreten sind (Gant und Gaefer). 
Silviu Vexler (Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Rumänies, Abgeordneter im rumänischen Parlament) bei seiner Rede zu der Freundschaft mit der Gemeinde der deutschen Minderheiten in Temeswar

Silviu Vexler (Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Rumänies, Abgeordneter im rumänischen Parlament) bei seiner Rede zu der Freundschaft mit der Gemeinde der deutschen Minderheiten in Temeswar

©HSS

Inhaltliche Schwerpunkte des 2. Konferenztages

Am zweiten Konferenztag berichteten die Referenten über die Situation der Minderheiten in ihrem Land und den rechtlichen Gegebenheiten, die zu deren Schutze bestehen oder geschaffen wurden.

Es kristallisierte sich während der Diskussionen heraus, dass in effektiven Gesetzten zum Schutz und zur Förderung von Minderheiten auch konkret definiert sein muss, auf welche Bevölkerungsgruppen im jeweiligen Land sie sich beziehen. Das sei, wie Fabritius betonte, Sache der Nationalstaaten. Auch das Monitoring der Minderheiten wurde mehrmals angesprochen. Dazu wurden Methodik und Herausforderungen ausgetauscht. In Rumänien etwa werden Fragebögen, EU-Datenschutzrichtlinien mehrsprachig angeboten (Thomas Sindilariu, Unterstaatssekretär, Department für interethnische Beziehungen der Regierung Rumäniens).

Situation und Herausforderungen der Minderheitenpolitik in osteuropäischen Staaten

Als besonders herausfordernd wurde die Ausgangssituation seines Landes von Ihor Lossovskij, dem stellvertretenden Leiter des Staatsdienstes der Ukraine für ethnische Politik und Gewissensfreiheit geschildert. In der Ukraine wurden erst letztes Jahr im Zuge der EU-Anwartschaft gemeinsam mit der Venedig-Kommission zwei Gesetze zum Schutz von Minderheiten erlassen. Vor Kriegsbeginn habe es über 130 ethnische und religiöse Minderheiten in der Ukraine gegeben, man sehe aber auch die dringende Notwendigkeit, die eigene ukrainische Sprache und Identität wiederzubeleben.

Die Reformen unter Kriegsbedingungen voranbringen zu müssen, erschwere den Prozess erheblich. Zudem verwies die Leiterin des ukrainischen Zentrums für unabhängige politische Forschung, Yulia Tyshchenko, darauf, dass in den russisch besetzten Regionen im Süden und Osten der Ukraine Menschrechte schwer missachtet und Minderheitenorganisationen verboten wurden.

Lokale Presse berichtet vor Ort von der Verleihung der goldenen Ehrennadel. Ovidiu Gant (Sekretär der Abgeordnetenkammer, Abgeordneter für die deutsche Minderheit in Rumänien) im Interview mit Journalistin Astrid Weisz von der Deutschen Allgemeinen Zeitung Temeswar

Lokale Presse berichtet vor Ort von der Verleihung der goldenen Ehrennadel. Ovidiu Gant (Sekretär der Abgeordnetenkammer, Abgeordneter für die deutsche Minderheit in Rumänien) im Interview mit Journalistin Astrid Weisz von der Deutschen Allgemeinen Zeitung Temeswar

©HSS

Auch die Republik Moldau hat mit über 40 anerkannten Minderheiten, eine im Vergleich zur Landesgröße hohe Zahl, für die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mehrere Gesetztesinitiativen und Programme initiiert wurden. Laut Ludmila Burlaca, Leiterin der Direktion für Stärkung der interethnischen Beziehungen, ist die Lage in der Republik Moldau momentan friedlich, allerdings sei der sehr hohe Anteil an Flüchtigen aus der Ukraine eine Herausforderung. Am Beispiel der Region Transnistrien zeigte Alexandru Postica, als Mitglied des Obersten Rates für Magistratur und strategische Planung und Berater der NGO Promo LEX in der Republik Moldau, inwieweit eine - nicht anerkannte - Minderheit und deren Sprachgebrauch durch Einmischungen von Drittstaaten für geopolitische Zwecke instrumentalisiert werden kann. In diesem Kontext sei es wichtig, so Professor Virgiliu Tarau, von der Babeș-Bolyai-Universität, in der Bildungsarbeit den geschichtlichen Hintergrund verständlich zu machen, um ein friedliches Zusammenleben und interethnische Versöhnung zu erleichtern.

Fazit

„Minderheitenarbeit ist Friedensarbeit - Garant für Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Prosperität“. (Porr) Damit hatte der Vorsitzende des DFDR gleich zum Auftakt der Konferenz die Relevanz und Tragweite dieses komplexen Themas auf den Punkt gebracht. Die Diskussionsrunden und Vorträge haben gezeigt, dass eine langjährige Zusammenarbeit gerade in kritischen Zeiten trägt und der Beginn eines Austausches zur Überwindung von geschichtlichen Abgründen führen kann. Die Auszeichnung mit der goldenen Ehrennadel verstand der HSS-Vorsitzende Ferber, wie er betonte, nicht nur als Ehrung, sondern auch als besonderen Auftrag, „die Arbeit der Stiftung in Rumänien fortzusetzten“. Durch die intensive Beteiligung der Experten und Teilnehmer an den Diskussionen wurde deutlich wie groß der Gesprächsbedarf dazu und wie wichtig der Umgang mit nationalen Minderheiten für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt ist.

Deshalb plant das IETD, wie Benjamin Bobbe, Referatsleiter für Mittel- und Osteuropa, Russland zum Abschluss bekanntgab, diesen Dialog durch weitere Maßnahmen intensiv fortzuführen.

Autorin: Caterina Woerner, HSS, Institut für Transatlantischen und Europäischen Dialog, Referat Mittel- und Osteuropa, Russland

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