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Kirgisistan
Die Mine Kumtor – Der Reiz des Goldes

Kumtor ist die größte Goldmine Kirgisistans und ist wirtschaftlich bedeutend für das zentralasiatische Land. Doch von Anfang an war der Abbau von Gold in Zusammenarbeit mit einer kanadischen Firma schwierig. In den vergangenen Wochen verschlechterte sich die Beziehung Kirgisistans mit dem gegenwärtigen Partner – Centerra Gold Inc. – weiter und endete in einer Machtprobe, in dessen Mittelpunkt die Gletscher nahe bei Kumtor stehen.

  • Wirtschaftliche Bedeutung der Goldmine
  • Konflikte zwischen kirgisischen Politikern und dem Minen-Management
  • Umweltprobleme
  • Eskalation nach der kirgisischen Präsidentschaftswahl

Zunächst glaubten die Kirgisen, dass die Ausbeutung der Goldreserven in den Bergen von Kirgisistan die ökonomische Rettung der früheren sowjetischen Republik in Zentralasien sein werde. Für ein Land, dem es an großen Öl- oder Erdgasreserven mangelt, wurde das gemeinsame Bergbauprojekt der Regierung mit einem ausländischen Unternehmen als der Weg angesehen, Einkommen aus natürlichen Rohstoffquellen zu generieren – wie es die meisten seiner rohstoffreichen Nachbarn bereits machten. Aber die Partnerschaft von Bischkek mit der kanadischen Firma war seit ihrem Beginn im Jahr 1997 umstritten.

Die nachfolgenden Hintergrundinformationen stammen überwiegend aus einem Symposium der kirgisischen Altstipendiaten der HSS zum Thema „Nutzung natürlicher Ressourcen in Kirgisistan, deren Management durch öffentliche und kommunale Verwaltung und der Einfluss auf die Umwelt beim Abbau" (Landkreiszentrum Bokonbaevo, vom 25. bis 27. Mai 2018, in Kooperation mit GIZ), das auch einen Besuch bei der Goldmine Kumtor beinhaltete. 

Zur Information

Standort

Die Mine Kumtor liegt im östlichen Teil des zentralen Tianshan-Gebirges auf einer Höhe von über 4.000 Meter über dem Meeresspiegel in der Permafrostzone. Die Mine befindet sich im Osten Kirgisistans im Regierungsbezirk Issykköl, 350 km von der Hauptstadt Bischkek entfernt.

Nach der Yanacocha-Goldmine in den südamerikanischen Anden im Norden Perus ist sie ist die zweithöchste kommerziell  betriebene Goldmine der Welt. Die Gletscher Davydov und Lysyi nahe der Goldmine versorgen vor allem den benachbarten Regierungsbezirk Naryn mit Trink- und Bewässerungswasser.

Wirtschaftlicher Wert

Kumtor hat große Bedeutung für die kirgisische Wirtschaft:

  • Die Mine trug in den vergangenen Jahren zwischen 10 bis 12 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt des Landes bei.
  • Sie ist der größte nichtstaatliche Arbeitgeber und Steuerzahler des Landes.
  • Sie steht für 25 Prozent der industriellen Wertschöpfung sowie für 50 Prozent der Exporteinnahmen des Landes.
  • 97,5 Prozent der knapp 3.000 Arbeiter in der Goldmine haben kirgisische Nationalität und kommen meist aus den Landkreisen in der nächsten Umgebung wie Tscheti-Ögüs.

Zahlungen von Kumtor an die Kirgisische Republik

Im Jahre 2020 beliefen sich diese Zahlungen von Kumtor an die Kirgisische Republik auf 344,68 Millionen USD. Es handelte sich dabei unter anderem um Dividenden, Steuern, Raffineriegebühren für die Bearbeitung des gewonnenen Rohgoldes, Kauf von Waren und Dienstleistungen von lokalen Lieferanten sowie die Bestückung eines regionalen Entwicklungsfonds für lokale Infrastruktur und Sozialprojekte für den Standort, an dem Kumtor angesiedelt ist. Insgesamt hat der ausländische Partner im Zeitraum 1994 – 2020 Zahlungen in Höhe von 4,48 Milliarden USD an das Gastland Kirgisistan geleistet. Der Wert von Centerra Gold (Betreiber von Kumtor) an der Börse von Toronto beträgt heute 629,28 Millionen USD.

Erschließung der Goldvorkommen

Kirgisistan verfügt über enorme Vorkommen an Seltenen Erden und Gold. Geologenkreise nennen deshalb die Region (Kirgisistan, Usbekistan und Tadschikistan) auch "Tien Shan Gold Belt". Das -Vorkommen in Kumtor zählt mit geschätzten 18 Millionen Unzen Gold zu den größten Goldvorkommen weltweit. Daneben verfügt das Land über weitere große Goldvorkommen in Jerooy (5,6 Millionen Unzen), in Taldy-Balak (4,1 Millionen Unzen), in Chaarat (4 Millionen Unzen) und in Kuru-Tegerek (3 Millionen Unzen). Insgesamt haben die kirgisische Regierung und ihre zuständigen Behörden in den vergangenen 30 Jahren 527 Lizenzen zur Goldförderung vergeben, wovon nur ein Teil auch wirklich in reale Investitionen mündete.

Zur Information

Das Goldvorkommen der Kumtor-Mine geht historisch auf das Projekt „Kumtorzoloto“ zurück, das seinen Namen vom Fluss Kumtor erhielt. In dessen Oberlauf wurden bereits um 1920 große Goldvorkommen entdeckt und erste geologische Untersuchungen durchgeführt – noch ohne konkrete Ergebnisse. Erst eine sowjetisch geleitete geophysikalische Expedition im Jahr 1978 konnte das Goldlager entdecken. Die damalige Schlussfolgerung der Machthaber der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik war, dass die Erschließung des Vorkommens mit zu großen Kosten verbunden wäre. Das Investitionsprojekt wurde deshalb nicht weiterverfolgt.

Als unabhängiger Staat konnte die Kirgisische Republik ab dem Jahr 1991 auch westliche Investoren für die Erschließung der Bodenschätze des Landes gewinnen. Nach sorgfältiger Prüfung von mehreren Angeboten gab die kirgisische Regierung dem Vorschlag des kanadischen Konzerns Cameco, damals einer der weltweit größten Uranproduzenten, den Vorzug. Am 4. Dezember 1992 unterzeichneten die Parteien in Toronto/Kanada die Rahmenvereinbarung für das bereits erwähnte Projekt „Kumtorzoloto“. 1997 begann schließlich der kommerzielle Goldabbau. Im Rahmen anschließender zahlreicher Umstrukturierungen wurde auch das kirgisische Staatsunternehmen Kyrgyzaltyn offizieller Partner des kanadischen Investors. Die geschätzte Nutzungsdauer der Mine läuft zurzeit bis 2023, wobei eine Verlängerung um weitere fünf Jahre bereits diskutiert worden ist.

Kirgisische Altstipendiaten erhalten Einblick in den vollautomatisierten Produktionsprozess der Goldmine Kumtor (Foto aus dem Jahr 2018).

Kirgisische Altstipendiaten erhalten Einblick in den vollautomatisierten Produktionsprozess der Goldmine Kumtor (Foto aus dem Jahr 2018).

HSS Kirgisistan

Streit, Konfrontation und Bestechungsvorwürfe

Von heftigen Meinungsunterschieden zwischen kirgisischen Politikern und dem Minen-Management bis hin zu Korruptionsvorwürfen war die Kumtor-Mine ständig begleitet. Nationalistische Kräfte (darunter auch der amtierende kirgisische Präsident Sadyr Japarov) forderten immer wieder die komplette Verstaatlichung der wichtigen Mine und schürten damit den Konflikt mit den kanadischen Besitzern. Es kam zu Verhaftungen unter kirgisischen Politikern und Bürokraten wegen angeblicher Korruption und Bestechung. Trotz aller Konflikte bestehen die offiziellen Eigentumsverhältnisse an der Mine, die auf ein 2009 vom kirgisischen Parlament ratifiziertes Abkommen zurückgehen, bis zum heutigen Tag.

Der plötzliche Aufstieg von Japarov zum Staatspräsidenten, beginnend mit seiner Befreiung aus dem Gefängnis nach den politischen Protesten im Oktober 2020, war sicher eine „schlechte Nachricht“ für Centerra Gold Inc., wie das Kumtor-Minenunternehmen des kanadischen Investors mittlerweile hieß. Als Oppositionspolitiker waren dessen Versuche im nationalen Parlament und auch auf den Straßen, teils gekennzeichnet von chaotischen gewalttätigen Auseinandersetzungen, noch erfolglos geblieben. Die Grundlage für die Verurteilung von Japarov zu elf Jahren Gefängnis im Jahr 2017 war die Entführung eines Gouverneurs im Jahr 2013.

Der Abbau von Gold führt zu Schutthalden oder chemischen Rückständen, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die Trinkwasserversorgung gefährden können (Foto aus der Zeit vor Corona).

Der Abbau von Gold führt zu Schutthalden oder chemischen Rückständen, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die Trinkwasserversorgung gefährden können (Foto aus der Zeit vor Corona).

HSS Kirgisistan

Umweltprobleme

Kirgisische Umweltschützer (angeführt von den bekannten Aktivisten Aibek Sarybaev, Naris Kalchaev, Ablas Jeenbenkov und Kemelbek Kutmanov) haben über viele Jahre Bedenken bezüglich der Folgen des Goldabbaus in Kumtor geäußert und entsprechende Klagen bei Gericht eingebracht. Vor allem die Gletscher in der Nähe des Kumtor-Minenfeldes stellen für die Umweltschützer ein ernstes Problem dar. Die Hauptstrukturen der Mine Kumtor wie die ständig durch Sprengungen erweiterten Steinbrüche, die gesamte Infrastruktur, die Erzlager, die großen Abraumhalden, Ableitungskanäle, Aufbereitungsanlagen oder auch der Goldgewinnungsanlage befinden sich in der Zone von Gletschern und Permafrostböden des zentralen Tianshan-Gebirges. Die Auswirkungen der Goldproduktion sind Abfälle in Form von Haldengestein, Abraum direkt auf den Gletschern Davydov und Lysyi oder giftiger chemischer Schlamm, eingeleitet in einen künstlichen See, dessen Spuren immer im Oberlauf des Flusses Naryn, der einen großen Teil des Landes mit Trink- und Bewässerungswasser versorgt, verbleiben werden.

Im Jahr 1998 gab es in Kumtor sogar einen ernsthaften „Umweltunfall“: Ein Muldenkipper überschlug sich auf einer Bergstraße, wobei sich fast zwei Tonnen Natriumcyanid in den Fluss Barskoon ergossen, der die Wasserquelle für alle umliegenden Dörfer im Tiefland darstellt. Die giftige Chemikalie gelangte sogar bis in den Issyk-Kul-See, die wichtigste Touristenattraktion in Kirgisistan. Hunderte Dorfbewohner erkrankten, etliche starben sogar. Tausende Menschen mußten vorübergehend evakuiert werden.

Während der Führung durch die Goldmine Kumtor erfahren Altstipendiaten des Projektes Kirgisistan auch etwas über die Mega-Minen-Laster, die bis zu 450 Tonnen Schutt transportieren können (Foto aus dem Jahr 2018).

Während der Führung durch die Goldmine Kumtor erfahren Altstipendiaten des Projektes Kirgisistan auch etwas über die Mega-Minen-Laster, die bis zu 450 Tonnen Schutt transportieren können (Foto aus dem Jahr 2018).

HSS Kirgisistan

Eskalation nach der kirgisischen Präsidentschaftswahl

Mit der Wahl von Sadyr Japarov zum kirgisischen Staatspräsidenten im Januar 2021 wurde die Diskussion um Kumtor weiter angeheizt. Dieses Mal eskalierte das Ganze und endete in der Quasi-Enteignung der kanadischen Minenbesitzer. Bereits im Februar 2021 war eine parlamentarische Untersuchungskommission für Kumtor eingesetzt worden. Am 08. Mai 2021 war das Bezirksgericht Oktyabrsky in Bischkek der Klage der nationalen kirgisischen Umweltagentur gegen Kumtor gefolgt und hatte eine Strafe von 3,2 Milliarden USD wegen Verunreinigung der Gletscher Davydov und Lysyi, sowie der Nichtbeachtung von Arbeitsschutzmaßnahmen verhängt. Die kirgisische Regierung machte Steuerrückstände bei Kumtor in Höhe von mehr als 170 Millionen USD geltend. Die Geschäftsräume von Kumtor in der Hauptstadt Bischkek, aber auch die Privatwohnungen von ausländischen Kumtor-Angestellten wurden polizeilich durchsucht und einige Mitarbeiter verhört. Eilig wurde im kirgisischen Parlament ein Gesetz erlassen, dass dem kirgisischen Staat das Recht verleiht, bei Gefahr für Umwelt und Arbeiter ein externes Management bei Kumtor einzusetzen. Dieses kam schließlich per Parlamentsentscheidung am 17. Mai 2021 zur Anwendung.

Centerra Gold Inc. als Betreiber der Kumtor-Mine hat mittlerweile unter den Regeln der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) internationale Gerichtsbarkeit in Stockholm beantragt. Und die Aussichten der kanadischen Kläger werden als gut eingeschätzt, da auch kasachische und russische Juristen, die auf den Minensektor spezialisiert sind, das kirgisische Vorgehen als klaren Vertragsbruch bewerten.

Von welchen Motiven sich der neue kirgisische Staatspräsident Japarov bei dem ganzen Vorgang hat leiten lassen, ist relativ unklar (alles dazu noch in Zeiten der Herausforderungen durch die Coronakrise und unter der Bürde einer darniederliegenden Wirtschaft mit hoher Arbeitslosigkeit und wachsender Inflation).

Außerdem widerspricht das Kumtor-Vorgehen der ersten Priorität des Programms, das der Präsident bei seiner Amtseinführung und Vereidigung vorgetragen hat. Diese lautete „Schaffung eines günstigen Klimas für in- und ausländische Investoren“.

Autor: Dr. Max Georg Meier, Auslandsmitarbeiter der HSS in Zentralasien

Nordost- und Zentralasien
Veronika Eichinger
Leiterin
Kirgisistan
Dr. Max Georg Meier
Projektleiter Zentralasien