Die Reisegruppe vor dem Europäischen Parlament
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Die vier Teilnehmer, je ein Vertreter der Nidaa Tounes, der Afek Tounes, der Ennahdha und der Parti des Patriotes Démocrates Unifié – Front Populaire, verfolgten mit ihrer Reise in die Hauptstadt der EU mehrere Ziele. Zum einen informierten sie sich über die aktuelle Sicht Europas auf ihr Land und traten als Fürsprecher der Jugend Tunesiens auf, um auf Notstände und Herausforderungen im Land aufmerksam zu machen. Zum anderen vernetzten sie sich mit deutschen, belgischen und europäischen Jugendorganisationen und tauschten sich über Erfahrungen in der politischen Jugendarbeit aus.
Im Gespräch mit der Organisation Junge Europäische Föderalisten werden die Herausforderungen für die Jugend in Europa und Tunesien diskutiert
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In den Gesprächen mit Vertretern der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes stellten diese die Prioritäten in der Zusammenarbeit mit Tunesien dar. Den Rahmen der Zusammenarbeit setzt die 2015 überarbeitete Europäische Nachbarschaftspolitik. Sie erlaubt es der EU, flexibler auf die Bedürfnisse und Errungenschaften in den Partnerländern einzugehen als das ursprüngliche Rahmenwerk von 2004, das aus der Zeit vor dem Arabischen Frühling stammte. Die Förderung der rechtsstaatlichen Entwicklung und der guten Regierungsführung, des Wirtschaftswachstums und des sozialen Zusammenhalts stünden im Zentrum der Zusammenarbeit, führte ein Vertreter der EU-Kommission aus. Dabei findet sich die Unterstützung der Jugend als Querschnittthema in allen drei Prioritätsfeldern wieder.
In der Geschäftsstelle der Europäischen Volkspartei (EVP) informieren sich die Teilnehmer über Strukturen und Arbeitsweisen einer europäischen Partei
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In mehreren Gesprächen wiesen die tunesischen Teilnehmer auf die schwierige sozio-ökonomische Situation in ihrem Land hin. Gut ausgebildete junge Erwachsene sähen ihre Zukunft nicht mehr in Tunesien, denn die Wirtschaft biete ihnen keine ausreichende Perspektive und die Arbeitslosigkeit, vor allem unter der jungen Bevölkerung, sei hoch. Finanziell ist Tunesien stark von westlichen Geldgebern abhängig, wie zum Beispiel der EU, mit der das Land zurzeit ein Freihandelsabkommen verhandelt. Vertreter der Tunesischen Botschaft in Brüssel appellierten an die Jungpolitiker, aktiv an der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes mitzuarbeiten und formulierten die notwendigen Veränderungen überspitzt: „Die Wirtschaft Tunesiens muss sich neue Zweige erschließen, vom Dattelexport allein wird sie sich nicht entwickeln.“
Die Gruppe besucht die Tunesische Botschaft in Brüssel
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Enttäuschend sei, so stellten Gesprächspartner auf beiden Seiten fest, dass die Frustration über die Situation im Land nicht zu einem Mehr an politischem Engagement der Jugend in Tunesien führe. Ähnlich wie in Europa sei es auch in Tunesien schwierig, die junge Bevölkerungsschicht zu motivieren, politisch aktiv zu werden. Sowohl in Europa als auch in Tunesien könnten politische Inhalte und Modelle die Bevölkerung nicht mobilisieren, es seien vielmehr charismatische Persönlichkeiten, hinter denen sich die Menschen versammelten. Inhalte seien beinahe beliebig austauschbar, und es mangele an Bindungskraft. Erschwerend komme hinzu, so die vier jungen Tunesier, dass die Parteienlandschaft in Tunesien sich heute noch im Konsolidierungsprozess befinde.
Zu Gast beim Präsidenten der Jugendorganisation der CD&V, Sammy Mahdi
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Deutlich positiver als das Parteienspektrum stellt sich die Situation der Zivilgesellschaft dar. Durchgehend wurde von Brüsseler Seite die sehr engagierte tunesische Welt der Nichtregierungsorganisationen und Vereine gelobt, die sich nach dem Ende der Diktatur unter Zine El Abidine Ben Ali entwickelt habe und am politischen Prozess partizipiere. Allerdings diskutieren die Teilnehmer sowohl mit EU Vertretern als auch untereinander, inwieweit diese aktive Zivilgesellschaft politische Prozesse zu sehr verzögere und eine effiziente Entscheidungsfindung behindere. In diesem Zusammenhang wiesen die Teilnehmer darauf hin, dass sie sich von ihren westlichen Partnern mehr Geduld mit der Entwicklung im Land wünschten. „Wir müssen akzeptieren, dass der politische Transformationsprozess eine gewisse Zeit benötigt“, gaben sie zu bedenken.