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Die größte Volkswirtschaft Afrikas zwischen Aufbruch und demokratischen Rückschritten
Südafrika wählt

Autor: Hanns Bühler

Die Bürger Südafrikas stehen vor der Entscheidung: Sollen sie dem African National Congress (ANC) die Quittung geben für Reformstau, Korruption und Misswirtschaft und so erstmals in der Geschichte des Landes eine Koalitionsregierung erzwingen? Oder reicht es für den ANC noch einmal zur absoluten Mehrheit?

Ob die anstehenden Wahlen am 29. Mai 2024 tatsächlich historisch werden, wie von einigen Analysten angekündigt, bleibt abzuwarten. Richtungsweisend sind sie ohnehin. Derzeit erlebt Südafrika den härtesten Wahlkampf aller Zeiten.

27 Millionen Menschen sollen Ende des Monats über das neue Parlament und die Provinzparlamente Südafrikas abstimmen.

27 Millionen Menschen sollen Ende des Monats über das neue Parlament und die Provinzparlamente Südafrikas abstimmen.

©HSS

Parteigründungen und neue politische Allianzen

Zum siebten Mal in der Geschichte der jungen Demokratie sind über 27 Millionen registrierte Wählerinnen und Wähler aufgerufen, über die Zusammensetzung des nationalen Parlaments und der neun Provinzparlamente zu entscheiden.

Mit einer enttäuschenden Regierungsbilanz steuert der African National Congress (ANC) unter Präsident Cyril Ramaphosa auf das schlechteste Ergebnis seiner Geschichte zu. Erstmals scheint es möglich, dass die Partei ihre absolute Mehrheit, die sie seit 1994 innehat, verlieren wird. Eine Koalitionsregierung wäre die Folge – ebenfalls ein Novum. Diskutiert werden unterschiedliche Koalitions-Szenarien. Sie stehen für Aufbruch, Stagnation oder demokratische Rückentwicklung. Zahlreiche Parteigründungen, neue politische Allianzen, die in den vergangenen Monaten zwischen Oppositionsparteien geschmiedet wurden, und die Möglichkeit, erstmals unabhängige Kandidaten in die Parlamente zu wählen, verändern die politische Landschaft und bereichern das Parteienspektrum.

Während die Entwicklung hin zu einer tatsächlichen Mehrparteiendemokratie zu begrüßen ist, steigt zugleich das Risiko für politische Instabilität. Vom Wahlergebnis hängt auch ab, ob sich die südafrikanische Außenpolitik weiter in Richtung Russland und China orientiert oder die Beziehungen zum Westen priorisiert werden.

Mögliches Ende der ANC-Alleinregierung

Der von einer Befreiungsbewegung zur Partei gewordene ANC regiert Südafrika seit 1994 auf nationaler Ebene. Acht der neun Provinzregierungen stellt ebenfalls der ANC. Im Westkap regiert seit 2009 die größte Oppositionspartei, die Democratic Alliance (DA). Viele ANC-Anhänger blieben bereits bei den letzten Kommunalwahlen 2021 der Wahlurne fern oder wählten erstmals andere Parteien, selbst in traditionellen Hochburgen der ehemaligen Befreiungsbewegung.

Aber eines scheint sicher: Die stärkste politische Kraft wird der ANC mit einigem Abstand bleiben. Die Umfragen variieren stark und sehen die Partei zwischen 40 und 50 Prozent. Die historischen Verdienste der Befreiungsbewegung werden zunehmend von der ernüchternden Regierungsbilanz überschattet. Die Lebensrealität der Bevölkerungsmehrheit ist geprägt von Energie- und Wasserknappheit, Arbeitslosigkeit (41,2 Prozent), Verfall der Infrastruktur und Kriminalität. 75 Menschen werden pro Tag in Südafrika ermordet, die Aufklärungsquote liegt bei gerade einmal 14,5 Prozent. Die organisierte Kriminalität kostet das Land etwa zehn Prozent seines Bruttoinlandsprodukts, schätzt die Weltbank.

Balken, die die Abnahme der ANC-Wählerstimmen seit 20 Jahren anzeigen.

Von 69 Prozent 2011 auf nur noch 54 Prozent 2021: Auf kommunaler Ebene ist bereits eingetreten, was dem ANC auch landesweit bevorstehen könnte.

©HSS

Laternenmast mit angehefteten Wahlplakaten

Es könnte zum ersten Mal zu einer Koalitionsregierung in Südafrika kommen.

Die Lebensrealität der Bevölkerungsmehrheit ist geprägt von Energie- und Wasserknappheit, Arbeitslosigkeit (41,2 Prozent), Verfall der Infrastruktur und Kriminalität. 75 Menschen werden pro Tag in Südafrika ermordet, die Aufklärungsquote liegt bei nur 14,5 Prozent. Die organisierte Kriminalität kostet das Land etwa zehn Prozent seines Bruttoinlandsprodukts, schätzt die Weltbank.

Korruption und Nepotismus

Die Jahre unter Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma haben dem Land schweren Schaden zugefügt. Zuma hatte von 2009 bis 2018 das südafrikanische Staatswesen ausgehöhlt. Korruption und Nepotismus waren allgegenwärtig. Eine Kommission zur Aufarbeitung der sogenannten „State-Capture“-Jahre unter dem jetzigen Verfassungsgerichtspräsidenten Raymond Zondo beschreibt das Netzwerk aus ANC und Wirtschaft, das über ein Jahrzehnt Staatskassen und Staatsunternehmen geplündert hatte. Die Beförderung von Parteigenossen und anderen Nutznießern in Ministerien und Verwaltungen auf allen Ebenen hat die Funktionalität des Staates vielerorts zusammenbrechen lassen. Auf etwa eine Billion Rand (um die 50 Milliarden Euro) wird der ökonomische Schaden durch Korruption beziffert. Die Folge: Seit 2011 stagniert die Wirtschaft. Das Pro-Kopf-Einkommen ist seit Jahren rückläufig.

Cyril Ramaphosa versprach Besserung. Sein Image als Korruptionsbekämpfer und Wirtschaftsreformer rettete dem ANC 2019 noch einmal die absolute Mehrheit (57,5 Prozent). Viele Wähler hofften, dass Ramaphosa den ANC und das Land auf einen positiven Entwicklungspfad würde führen können. Bei öffentlichen Debatten erkannte Ramaphosa die Bedeutung guter Regierungsführung an. In der Generalstaatsanwaltschaft und der Steuerbehörde installierte er professionelle Führungskräfte, und brachte, nach langem Zögern, Gesetzesvorhaben zur Stärkung der Staatsanwaltschaft auf den Weg. Entgegen öffentlicher Versprechen kandidieren jetzt jedoch wieder zahlreiche der alten ANC-Kader, die für die „State-Capture“-Jahre unter Jacob Zuma Verantwortung tragen. Ramaphosa bleibt somit ein Gefangener seiner eigenen Partei. Seit auf einer Farm von Ramaphosa in einem Sofa versteckte 580.000 US-Dollar gestohlen wurden, ist sein Image als Korruptionsbekämpfer beschädigt. Auch wenn er mit Abstand der beliebteste Politiker im Land bleibt, ist von der “Ramaphoria”, die den Wahlkampf 2019 begleitet hatte, nichts mehr geblieben. Somit deutet aus heutiger Sicht viel darauf hin, dass der ANC seine absolute Mehrheit verliert. Relativ unwahrscheinlich erscheint jedoch ein Einbruch des ANC auf unter 45 Prozent.

Denn die Wahlkampf-Maschinerie des ANC wurde spät aktiviert, läuft nun jedoch auf Hochtouren. Mit Thabo Mbeki und Kgalema Motlanthe hat Cyril Ramaphosa zwei seiner Vorgänger an seiner Seite, die zwar keine neuen Wähler mobilisieren werden, jedoch die traditionelle ANC-Wählerschaft zum Urnengang bewegen könnten. Die Zeichnung eines umstrittenen Gesetzes für eine staatliche Krankenversicherung könnte gerade bei der ärmeren Bevölkerungsmehrheit in den Townships und ländlichen Gebieten verfangen, wo der ANC heute seine Stammwählerschaft hat.

Das Ausbleiben der Stromausfälle, die das Land über die vergangenen Jahre fast täglich heimsuchten, kommt der Partei ebenfalls zugute. Profitieren könnte die Partei auch von einer niedrigen Wahlbeteiligung und dem Fernbleiben von Erstwählern. Erstmals spielt auch die Außenpolitik eine Rolle: Südafrikas Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshofs wird von vielen ANC-Anhängern als Erfolg für die südafrikanische Außenpolitik gewertet.

Nur 23 Prozent zufrieden mit Entwicklung

Mit 70 Parteien und elf unabhängigen Kandidaten ist die Auswahl so groß wie nie. Trotzdem werden viele Südafrikaner der Wahl ganz fernbleiben. Von den 40,1 Millionen Wahlberechtigten haben sich nur 27,4 Millionen in das Wahlregister eingetragen. Ein Ausdruck von Frustration der Bevölkerung ist auch der Trend hin zu ethnisch orientierten Parteien. So genießt beispielsweise die „Patriotic Alliance“ (PA) Unterstützung in Gebieten, in denen überwiegend farbige („coloured“) Menschen leben. Dazu zählen beispielsweise die Cape-Flats in Kapstadt, die dicht besiedelten Wohngebiete und Townships südöstlich des Stadtzentrums. In einem von Ungleichheit und Kriminalität geprägten Land entsteht gerade ein gefährlicher Nährboden für Desinformationen, antidemokratische und populistische Bewegungen.

Jacob Zuma zurück auf der politischen Bühne

Könnte der 82-jährige Jacob Zuma zum Game-Changer in dieser Wahl werden? Zuma war nach seiner Verurteilung wegen Missachtung der Justiz von Präsident Ramaphosa, zusammen mit tausenden weiteren Straftätern, nach nur zwei Monaten aus der Haft entlassen worden. Zusammen mit seinen Kindern hat er Teile seines Patronagenetzwerk, die Radical Economic Transformation Fraktion, aus dem ANC abgespalten und in einer neuen Partei formiert. Die „uMkhonto weSizwe Partei“ (MK), „Speer der Nation“. Sie präsentiert sich nationalistisch und offen antidemokratisch. Als Zulu ist Zuma bei großen Bevölkerungsteilen in seiner Heimatprovinz KwaZulu-Natal beliebt. Dort erzielt die neue Partei Umfragewerte bis zu 38 Prozent und fischt auch bei der konservativ und Zulu-dominierten „Inkatha Freedom Partei“ (IFP) sowie den linksradikalen und militanten „Economic Freedom Fighters“ (EFF). Zumas Partei könnte mit einem Ergebnis von acht Prozent landesweit zur viertstärksten Kraft aufsteigen, nach ANC, der DA und den EFF. Neben den EFF würde damit eine neue und militante Kraft entstehen, die die moderne Verfassung Südafrikas offen in Frage stellt.  

Die Partei ist nach uMkhonto we Sizwe benannt, dem bewaffneten Flügel des ANC während der Apartheid-Zeit. Symbolisch macht die neue Partei dem ANC damit gleichsam den Anspruch auf das „heroische Erbe“ des Freiheitskampfes streitig – ein Schachzug, den auch manche Kritiker als taktisch geschickt bezeichnen. Tatsächlich verfängt die „Geschichtsklitterung“ Zumas bei so manchen Enttäuschten, für die das populistische, revanchistische Outfit eine letzte Hoffnung bedeutet. Für Zuma & Co bedeutet es wohl den Versuch, der Strafverfolgung und dem Verlust ihrer Pfründe und möglicherweise ihrer Freiheit zu entgehen und doch nochmal zu Macht und Einfluss zu gelangen.

Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts, Zuma als Kandidat neun Tage vor der Wahl auszuschließen, folgt das Gericht einem Revisionsantrags der Wahlkommission gegen den ehemaligen Präsidenten. Die Wahlkommission argumentierte, dass laut einem Passus in der Verfassung kein Straftäter kandidieren und als Abgeordneter ins Parlament einziehen dürfe, der zu mehr als zwölf Monaten Haft verurteilt wurde. Der nun verfassungsgerichtlich bestätigte Ausschluss gilt für fünf Jahre nach Verbüßung der Haftstrafe. Der Urteilsspruch wird Zumas Beliebtheit in KwaZulu-Natal und seiner MK-Partei bei den Wahlen kaum schaden. Er ist aber ein wichtiges Signal für einen unter Druck stehenden Rechtsstaat. Auch wenn landesweite Proteste eher unwahrscheinlich sind, steigt das Risiko für Ausschreitungen in Zumas Heimatprovinz.

Die Position Ramaphosas im ANC könnte sich mit der Abspaltung Zumas gefestigt haben. Er wird vermutlich Präsident des Landes bleiben, selbst dann, wenn er ein historisch schlechtes Ergebnis für den ANC zu verantworten haben sollte.

Entwicklung der Ergebnisse der "Democratic Alliance" (DA) und der "Economic Freedom Fighters" (EFF) zwischen 2004 und 2021

Entwicklung der Ergebnisse der "Democratic Alliance" (DA) und der "Economic Freedom Fighters" (EFF) zwischen 2004 und 2021

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Die Stärke des ANC ist die Schwäche der Opposition

Die größte Oppositionspartei, die Democratic Alliance (DA), steht Umfragen zufolge zwischen 20 und 26 Prozent und wird ihr Ergebnis von 2019 (21,7 Prozent) vermutlich leicht verbessern können. Sie liegt aber weit hinter dem ANC und gilt vielen Wählern nach wie vor als weiße Klientelpartei. Dieses selbst verschuldete Image limitiert das Wachstum der Partei, obwohl das Westkap, wo die DA regiert, als einziger Jobmotor des Landes gilt. Der Parteivorsitzende John Steenhuisen liegt in Umfragewerten deutlich hinter denen seiner Partei.

Die Erkenntnis, alleine den ANC nicht aus der Regierung drängen zu können, hat zur Formierung eines Bündnisses von elf Oppositionsparteien geführt. Über Monate hinweg haben sich die Parteien und ihre Parteivorsitzenden angenähert und programmatische Gemeinsamkeiten erarbeitet. Schenkt man den Umfragen Glauben, wird die „Multi-Party-Charter“ (MPC) u.a. mit der DA und IFP jedoch nicht mehr als 35 Prozent der Wählerstimmen auf nationaler Ebene vereinigen können. Beide Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit dem ANC auch nicht mehr aus. Damit wird der ANC in allen verbleibenden wahrscheinlichen Koalitionsoptionen eine Rolle spielen.

Koalitionsoptionen und Regierungsbildung

Sollte es dem ANC nicht doch noch gelingen, über die 50-Prozent-Marke zu klettern, würde Südafrika erstmals eine Koalitionsregierung bevorstehen. Die Szenarien variieren je nach Wahlausgang von einer ANC-Regierung mit Kleinstparteien, über ein linksradikales, populistisches und anti-marktwirtschaftliches Bündnis, bis hin zu einer zentristischen, mehr marktwirtschaftlich orientierten Regierung.

Szenario 1: Stagnation - Business as usual-Koalition

Sollte der ANC nur wenige Prozentpunkte unter 50 Prozent fallen, scheint eine Koalition zwischen dem ANC und kleineren, vor allem opportunistischen Parteien am wahrscheinlichsten. Cyril Ramaphosa würde Präsident bleiben, müsste jedoch nicht nur in einem gespaltenen ANC weiter ausgleichend wirken, sondern auch die Koalitionspartner mit Posten und Einfluss befriedigen. Die Märkte würden vermutlich nicht zu stark reagieren. Nötige Reformen blieben jedoch ebenfalls aus. Vorstellbar wäre in diesem Szenario auch eine Koalition zwischen dem ANC und der Inkatha Freedom Partei. Dieses Bündnis verspricht etwas mehr Reformwillen, würde die linksradikalen Kräfte im ANC einbremsen und gleichzeitig die EFF und ihren populistischen Vorsitzenden Julius Malema vom Regierungsapparat fernhalten.

Szenario 2: Koalition mit linksradikalen Kräften

Eine Koalition zwischen dem ANC und den linksradikalen und militanten Economic Freedom Fighters (EFF). Dieser Zusammenschluss wird dann zu einer Option, wenn der ANC unter 45 Prozent fällt. Die EFF stehen derzeit bei Umfragen zwischen zehn und zwölf Prozent. Sie fordern seit langem die Verstaatlichung der Zentralbank und weitreichende Enteignungen ohne Kompensation. Gleichzeitig begrüßen sie Russlands Vorgehen in der Ukraine, und ihr Vorsitzender Julius Malema fordert eine direkte Finanzierung der Hamas. Dies ist auch die Option, für die sich der mächtige Gewerkschaftsverband COSATU, ein Verbündeter des ANC, einsetzt. Beobachter sprechen von einer Doomsday-Coalition. Ramaphosa würde bei einem solchen Szenario vermutlich abgesetzt oder im Zuge des anstehenden ANC-Parteitags als Parteivorsitzender abgewählt und durch Vizepräsident Paul Mashatile ausgetauscht werden. Der nationale Haushalt würde von noch mehr sozialen Ausgaben belastet. Der Rand würde weiter an Wert verlieren und Investoren Kapital aus Südafrika abziehen. Südafrika würde außenpolitisch noch stärker Richtung Russland und China tendieren und die Partnerschaft mit dem Westen ernsthaft auf die Probe gestellt werden.

Szenario 3: Aufbruch - Große-Koalition

Eine Koalition zwischen dem ANC und der marktwirtschaftlich orientierten Democratic Alliance (DA) kommt wohl dann in Frage, wenn der ANC unter 40 Prozent fällt, was eher unwahrscheinlich ist. Für viele Beobachter ist dies jedoch das Szenario, das für Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung des Landes wünschenswert wäre. Bloomberg berichtete kürzlich von positiven Reaktionen der Finanzmärkte, als der DA-Vorsitzende John Steenhuisen eine solche Koalition für denkbar erklärt hatte. Die Beziehungen zum Westen würden sich verbessern. Die Frage wird sein, ob die DA sich auf einen Koalitionsvertrag mit dem ANC einigen kann, ohne ihre Basis zu verprellen. Diese wählt die DA auch, um den ANC aus der Regierung zu drängen.

Auch auf Provinzebene könnten sich Koalitionsoptionen ergeben. In den bevölkerungsreichsten Provinzen Gauteng und KwaZulu-Natal wird der ANC seine absolute Mehrheit verlieren. Die Democratic Alliance kann sich, trotz guter Regierungsbilanz, nicht ganz sicher sein, ob sie ihre absolute Mehrheit im Westkap verteidigen kann.

Kommt es zu Neuwahlen?

Nach den Wahlen wird es darauf ankommen, wie die unterschiedlichen Parteien zusammenfinden. Südafrika hat bisher fast ausschließlich auf kommunaler Ebene Erfahrungen mit Koalitionen sammeln können. Diese sind durchwachsen. Viele Koalitionen sind von Instabilität und Postengeschacher geprägt, sodass wichtige kommunale Serviceleistungen zusammenbrechen. Im Vorlauf zu den Wahlen haben sich einige Parteien daher verstärkt mit Fragen der Koalitionsbildung auseinandergesetzt, auch mit deutscher Unterstützung. Sollten sich die Koalitionsverhandlungen länger hinziehen, müsste das Verfassungsgericht vermutlich einer solchen Verlängerung zustimmen. Ein einmaliger Vorgang. Sonst drohen Neuwahlen.

Eine neue Regierung müsste sich auf die Stärkung des Rechtsstaats, den Aufbau staatlicher Kapazitäten, auf Wachstum und sozialen Zusammenhalt konzentrieren - und eine konsistente Außenpolitik verfolgen. Dass selbst Thabo Mbeki nun öffentlich eine Einheitsregierung ins Spiel brachte, zeigt, dass sich moderate ANC-Vertreter um Instabilität und den Entwicklungspfad des Landes sorgen.

Freie und faire Wahlen

Kurz vor den Wahlen zeichnet sich in Südafrika eine Verschiebung der politischen Landschaft ab. Die neu gegründeten Parteien, von denen viele demokratisch und rechtsstaatlich orientiert sind, bereichern die politische Debatte und sind Ausdruck einer lebendigen Demokratie und des Wunsches vieler Südafrikaner nach neuer politischer Führung. Auch wenn der Weg zum nationalen Machtapparat 2024 für sie verbaut bleibt, birgt die Lage auch Chancen. Die Oppositionsparteien werden verstärkt dem ANC und teils auch der DA den Spiegel vorhalten, ihr Profil schärfen und sich dadurch auf die Kommunalwahlen 2026 und die nationalen Wahlen 2029 vorbereiten. Die Presse ist frei und berichtet umfassend und kritisch über den Wahlkampf. Dass die Justiz die zentrale Säule eines in Teilen zusammengebrochenen Rechtsstaats bildet, zeigen auch die aktuellen juristischen Auseinandersetzungen, wenn es um die Registrierung von Parteien oder die Zulassung von Kandidaten geht.

Mit der südafrikanischen Wahlkommission trägt eine funktionale staatliche Behörde die Verantwortung zur Umsetzung von freien und fairen Wahlen. Dass davon zum jetzigen Zeitpunkt auch ausgegangen werden kann, ist keine Selbstverständlichkeit auf einem Kontinent, wo sich demokratische Rückentwicklungen immer häufiger abzeichnen. Am 29. Mai entscheiden die Wähler auch, ob Südafrika sich weiter gegen diesen Trend stemmt.

Kontakt

Projektleiter: Hanns Bühler
Südafrika
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