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20. Nelson Mandela Annual Lecture mit Ministerpräsidentin Mia Mottley
Es scheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist

Autor: Hanns Bühler
, Karin April

In Durban stand Mia Mottley als Rednerin im Mittelpunkt der "Nelson Mandela Annual Lecture". Die Ministerpräsidentin des akut vom Klimawandel bedrohten Inselstaats Barbados rief zu mutiger Politik auf und riet, sich nicht nur auf Initiativen des Westens zu verlassen, sondern auf eigene Fähigkeiten und Kapazitäten zu setzen.

Mia Mottley kam direkt von der Weltklimakonferenz (COP 27) in Sharm el-Sheik nach Südafrika. Die Ministerpräsidentin von Barbados und UN-Preisträgerin für nachhaltige Entwicklung und globalen Wandel wollte in Durban auf der 20. „Nelson Mandela Annual Lecture“ über Gerechtigkeit sprechen und über die Verwerfungen und Risiken, die mit der Klima- und Schuldenkrise besonders im „globalen Süden“ einhergehen.  Durban steht auch symbolisch für die Themen der Annual Lecture. Im April dieses Jahres sind dort bei Erdrutschen und Überschwemmungen über 300 Menschen ums Leben gekommen.

Bühne mit HSS Logo und Mandela Foundation

Die Hanns-Seidel-Stiftung arbeitet seit vielen Jahren eng mit der Nelson-Mandela-Stiftung in Südafrika zusammen und unterstützt Dialogprogramme zur Förderung des Verständnisses zwischen dem Westen und dem globalen Süden.

©HSS

Die international anerkannte Ministerpräsidentin gilt als Sprachrohr des Südens, wenn es um globale Gerechtigkeitsfragen und den Klimawandel geht. Sie forderte eine Reform des globalen Finanzsystems und unterstrich die Verantwortung der G20 Staaten zur Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Bekämpfung des Klimawandels und für Anpassung an neue Umweltbedingungen. Gleichzeitig rief sie die Länder des globalen Südens auf, ihre strategische Handlungsfähigkeit und Kompetenzen zu komplexen Themen der Finanzierungsfragen zu verbessern.

Mutige politische Führung gefordert

Die G20 Staaten trügen wegen ihrer Industrialisierung und des ungebremsten Wachstums 80% der Verantwortung für die Klimakrise, so Mottley. Gerade der globale Süden müsse aber die katastrophalen Folgen verkraften. Allerdings müssten auch hier überhöhte Erwartungen auf schnellen Wandel vermieden werden. Es bedürfe dafür vor allem mutiger politischer Führung, so Mottley.

Wie bereits in ihrer Rede beim COP 27 in Ägypten hielt sie dem Westen und dem globalen Süden den Spiegel vor.

„I don’t talk about climate change. Change happened a long time ago. Crisis is where we are, and crisis is what we have to fight, and today I want us to recognize that what is required of us is to develop partnerships in places where we may have never dreamt of so doing before, and to be able to do things in new ways that we have never thought of doing, and that the actions required are not simply those of others but of us, because it is the collective action that has led the world to be where it is today”.

Bei der diesjährigen "Nelson Mandela Annual Lecture" sprach Mia Mottley, Premierministerin von Barbados und UN-Preisträgerin für nachhaltige Entwicklung, eindrucksvoll über globale Gerechtigkeitsfragen und die erheblichen Risiken, die mit der Klima- und Schuldenkrise im „globalen Süden“ einhergehen. Wir arbeiten seit vielen Jahren eng mit der Nelson-Mandela-Stiftung zusammen und unterstützen die "Nelson Mandela Annual Lecture". Das einmal pro Jahr stattfindende Event hatte schon sehr prominente Redner, darunter Präsident Barack Obama, den UN-Generalsekretär António Guterres oder Microsoft-Gründer und Philantrop Bill Gates.

Zum Transkript der Rede von Ministerpräsidentin Mia Mottley

Zur Aufnahme der Großveranstaltung in Durban, die im Fernsehen und online live übertragen wurde

Die Annual Lectures der vergangenen Jahre

Mottley am Rednerpult, die Arme erhoben, lachend

Die charismatische Mia Mottley, Ministerpräsidentin von Barbados und UN-Preisträgerin für nachhaltige Entwicklung und globalen Wandel forderte mutige politische Führung, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

©HSS

Die Menschen müssen leben, die Menschen müssen essen

Dabei wurde zugleich deutlich, wie wichtig Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze in vielen Teilen der Welt auch künftig sein werden, gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Der dringend nötige Industrialisierungsprozess und die Schaffung produzierenden Gewerbes wird damit zwangsläufig auch die Emissionsdichte im globalen Süden erhöhen. Die westliche Staatengemeinschaft wird dies bei den Verhandlungen über Dekarbonisierung im Umgang mit den Ländern Afrikas noch stärker berücksichtigen müssen; die Forderung nach einem grünen Energiemix allein wird den Energiebedarf auf dem Kontinent noch lange nicht decken können. Mottley drückte das folgendermaßen aus. Es sei Realität, … „dass wir unseren Menschen morgen nicht das Licht ausschalten können, nur weil wir das Richtige tun, denn die Menschen müssen leben und die Menschen müssen essen.“ Gleichzeitig wird es in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern als Zeichen von Doppelmoral gesehen, dass Europa aktuell Kohlekraftwerke reaktiviert und fossile Energieträger aus Afrika importiert. Klar wurde, dass Mia Mottley – bei aller Kritik am „Westen“ – unternehmerischem Handeln eine zentrale Rolle zuschreibt, um Investitionen und Wachstum anzukurbeln und das Entwicklungspotenzial nachhaltiger Wirtschaft zu nutzen.

Es scheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist

Sie zeigte auf, dass es nicht mehr darum geht, den Klimawandel zu verhindern, sondern vor allem auch um die Fragen, wie wir auf die weltweiten Klimakrisen reagieren und unsere Bevölkerungen bestmöglich schützen können. Sie sprach sich für innovative, moderne Partnerschaften auf Augenhöhe aus, und verwies hier u.a. auf die von ihr konzipierte „Bridgetown-Initiative“, die nicht zuletzt auf eine Reform des internationalen Finanzsystems abzielt. Die Ministerpräsidentin argumentiert, dass über 50 Länder weltweit so hoch verschuldet seien, dass diese kurz vor einem Zahlungsausfall stehen würden. Die Auswirkungen der COVID-Pandemie und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben die finanziellen Nöte und das Konfliktpotential vieler Länder nochmal verschärft. Diese würden nur dann auch genügend Mittel, etwa für Infrastrukturprojekte, zur Klimaanpassung aufbringen können, wenn ihnen ein einfacherer und billigerer Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten ermöglicht würde. Ein entsprechender Fonds könne über staatliche Mittel hinaus auch aus Steuern globaler Unternehmen gespeist werden, besonders derer, die mit fossilen Brennstoffen derzeit sehr gute Gewinne machten. Zudem brauche es Notliquidität in Form von Sonderziehungsrechten (SZRs): „Unsere Länder können es nicht allein schaffen - und ich sage das nicht mit einem ranzigen Ton in meiner Stimme, ich sage es jetzt eher als Bitte. Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Weltbank des 20. Jahrhunderts mit den Krisen des 20. Jahrhunderts kann nicht die Weltbank des dritten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts sein, wenn die Krisen heute ganz andere sind.“ Den bei der UNO-Konferenz vereinbarten Entschädigungsfonds für von der Klimakrise gefährdete und besonders betroffene Entwicklungsländer wertete Mia Mottley als positives Zeichen der Annährung zwischen den Ländern des globalen Nordens und Südens.

Gleichzeitig machte sie deutlich, dass die Bereitstellung von Finanzmitteln ebenso wichtig sei wie der Aufbau von Implementierungskapazitäten in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Nicht auf Initiativen anderer warten

Mia Mottley’s eindringliche Mahnungen waren zugleich von konkreten, praktischen Handlungsaufforderungen an alle Sektoren und politische Lager geprägt. Sie appellierte auch dezidiert an Eigeninitiative und die Verantwortung mündiger Bürger der Zivilgesellschaft des „globalen Südens“: „In der heutigen Welt gibt es allzu oft den Drang, uns an jemand anderen zu wenden und bei jemand anderem nach Lösungen zu suchen - obwohl in Wahrheit und in der Tat unsere eigene Kapazität und unsere Fähigkeit zur Zusammenarbeit den Unterschied machen kann, ob jemand nachts gut schläft, ob jemand zu essen hat, und Zugang zu einer Unterkunft.“

Die charismatische Mia Mottley, deren Rede analytisch und aufrüttelnd, nachdenklich und mitreißend zugleich war, und zu ehrlicher Selbstreflektion ermutigte, sieht - bei allen Gefahren - auch Grund zur Hoffnung. Sie erinnert an andere globale Herausforderungen, die die Menschheit gemeistert habe, und begründet ihren Optimismus auch historisch - darunter mit dem Lebenswerk Nelson Mandelas.  Dessen Witwe, die international anerkannte Expertin Graca Machel, zitierte Mandela denn auch zum Abschluss der Veranstaltung: „Es scheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist“.

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