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Neue Studie: Der Cabo Delgado-Konflikt und seine Auswirkungen im südlichen Afrika
Aufstände, Illegale Märkte und Korruption

Autor: Hanns Bühler

Gemeinsam mit der Global Initiative Against Transnational Organized Crime (GI-TOC) veröffentlicht die Hanns-Seidel-Stiftung am 24. Februar 2022 eine umfassende Studie zu den Aufständen und der terroristischen Bedrohungslage in Cabo Delgado, Mosambik. Während die aktuellen Entwicklungen in Mali und der Sahel-Region noch nicht mit denen im Norden Mosambiks vergleichbar sind, zeigt die eskalierende Situation in West-Afrika doch, wie wichtig ein präzises Verständnis über Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent ist.

Neue Studie über die Terrorgruppe im Norden Mosambiks

Der detailreiche Bericht in englischer Sprache liefert wichtige Fakten, um Spekulationen und bisweilen offener Desinformation, die zu falschen Narrativen führen, entgegenzuwirken und formuliert konkrete Handlungsempfehlungen, so fasst Hanns-Bühler, Projektleiter der Hanns-Seidel-Stiftung im südlichen Afrika, die Ergebnisse zusammen.
Ein umfassendes Verständnis über die komplexe Ausgangslage ist Voraussetzung, um einen möglichen Flächenbrand zu verhindern und auf die ausgelöste humanitäre Katastrophe mit mehr als 700.000 Vertriebenen und über 3.500 Toten im Norden Mosambiks reagieren zu können.
Die Studie analysiert die Zusammenhänge zwischen Terrorismus und Organisierter Kriminalität, die gegenwärtige Stärke und Zusammensetzung der Aufständischen und die regionalen Sicherheitsimplikationen mit einem speziellen Fokus auf Südafrika.

Übersicht über Anschläge und Opfer: Die Vereinten Nationen berichten von über 1 Million Menschen, die aufgrund der Aufstände und Attentate unter Nahrungsmittelmangel leidet. Mehr als 3.500 Menschen sind im Zuge der Anschläge bisher ums Leben gekommen. Etwa Über 700.000 Menschen wurden aus von ihrem Zuhause vertrieben.

Übersicht über Anschläge und Opfer: Die Vereinten Nationen berichten von über 1 Million Menschen, die aufgrund der Aufstände und Attentate unter Nahrungsmittelmangel leidet. Mehr als 3.500 Menschen sind im Zuge der Anschläge bisher ums Leben gekommen. Etwa Über 700.000 Menschen wurden aus von ihrem Zuhause vertrieben.

HSS; Research report: Insurgency, iIllicit market and corruption – The Cabo Delgado conflict and ist regional implications, S. 40

Zur Information

Cabo Delgado: Ressourcenreiche Provinz mit schwachen Regierungsstrukturen  

Die nördliche mosambikanische Provinz Cabo Delgado wird Cabo Esquecido oder das „vergessene Kap“ genannt, weil sie trotz ihres Reichtums an natürlichen Ressourcen wie Rubinen und Erdgas zu den ärmsten und politisch am stärksten marginalisierten Provinzen Mosambiks zählt. Der Vormarsch einer aufständischen Gruppe al-Shabaab, welche die Bevölkerung seit 2017 terrorisiert und die damit verbundene Gefährdung des größten in Cabo Delgado angesiedelten Gasförderungsprojekts auf dem Kontinent, hat dazu geführt, dass die Augen der Welt auf diese ehemals „vergessene“ Region gerichtet sind.

Eine europäische Trainingsmission mit ca. 140 Ausbildern, amerikanische Ausbilder aber vor allem bis zu 2.000 ruandische Truppen und bis zu 1.000 Soldaten der Southern African Development Community (SADC) versuchen die überforderten mosambikanischen Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des Terrorismus zu unterstützen.

Terrorismus und Organisierte Kriminalität – Narrative stimmen nicht immer

Der Norden Mosambiks und damit auch die Provinz Cabo Delgado waren in einer Hinsicht schon immer wichtige Wirtschaftskorridore, nämlich für illegale Handelsströme, die sich entlang der ostafrikanischen Küste erstrecken. Drogen, Holz, Wildtierprodukte sowie Edelsteine und Gold werden seit Jahrzehnten durch Cabo Delgado geschmuggelt. Die Organisierte Kriminalität hat die Ökonomie der Region geprägt und zum Zusammenbruch der Regierungsführung beigetragen.
In diesem Vakuum konnte der Aufstand entstehen und die heutige Terrororganisation sich entwickeln.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung von al-Shabaab an den illegalen Wirtschaftszweigen nach wie vor nur einen kleinen Teil ihrer Finanzierung ausmacht. Hauptsächlich sind es lokale Quellen und die Unterstützung lokaler Geschäftsleute sowie Bargeld, Waffen und Güter, die von den Aufständischen bei Angriffen und Überfällen auf Banken sowie Polizei- und Militärstationen erbeutet wurden.
Die Schmuggelrouten durch den Norden Mosambiks wurden zwar kurzfristig unterbrochen. Diese Netzwerke sind sehr widerstandsfähig und haben sich an die neue Sicherheitslage schnell angepasst. Mit der geographischen Ausweitung der Angriffe in den letzten Jahren innerhalb der Nordprovinz Cabo Delgados, haben sich die organisierten, kriminellen Netzwerke alternative, sicherere Routen für den Schmuggel gesucht. So haben sich beispielsweise die Routen des Drogenhandels in den Süden Cabo Delgados und in die Provinz Nampula verlagert. Die Quantität der illegal gehandelten Güter durch Mosambik hat sich außerdem nicht verkleinert. Im Gegenteil, der Drogenhandel hat während des Aufstandes zugenommen und sich diversifiziert. Durch die Verschiebung der Schmuggelrouten weiter in den Süden, besteht das Risiko, dass kriminelle Netzwerke die Nachbarprovinzen von Cabo Delgado (Niassa, Nampula) destabilisieren. Die Studie zeigt, dass die Verbindung zwischen organisierter Kriminalität und terroristischen Gruppen oft viel komplexer sind, als die vorherrschenden Schilderungen vermuten lassen.

Die illegale Wirtschaft ist zwar nicht zu einer Hauptfinanzierungsquelle für al-Shabaab geworden, spielte eine wichtige Rolle, um Voraussetzungen für den Konflikt zu schaffen. Die jahrzehntelange Ausbreitung der organisierten Kriminalität in Cabo Delgado hat die Situation geprägt, in welcher der Konflikt entstanden ist: Eine Region ohne wirksame Rechtsstaatlichkeit, in der Korruption allgegenwärtig ist und in der unzufriedene Menschen – insbesondere junge– nur wenige Möglichkeiten haben, sich politisch Gehör zu verschaffen oder sich wirtschaftlich zu entfalten.

Militärische Reaktion zum Schutz der Bevölkerung wichtig, aber keine langfristige Lösung

Der Cabo Delgado-Konflikt wirkt sich auf die gesamte Region aus. Da die von Ruanda und der South African Development Community (SADC) entsandten Truppen seit August 2021 Fortschritte bei der Rückeroberung der von den Aufständischen gehaltenen Gebiete erzielt haben, wird befürchtet, dass sich die Kämpfer in andere Regionen Mosambiks, in die Nachbarstaaten und international zerstreuen könnten. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ein Teil der al-Shabaab-Kampftruppe aus ausländischen Kämpfern besteht, obwohl die Gruppe nach wie vor mehrheitlich mosambikanisch ist und von Mosambikanern geführt wird (1). Angriffe in der Nachbarprovinz Niassa – die ersten des Konflikts – deuten darauf hin, dass dies bereits der Fall ist (2).

Verbindung zum Islamischen Staat

Eine Analyse der Propagandakanäle des IS (islamischer Staat) zeigt, dass die Verbindungen der Aufständischen zum IS im Laufe des Konflikts immer wieder zu- und abgenommen haben. Veröffentlichte Propaganda im Zusammenhang mit den jüngsten Anschlägen in Mosambik deutet darauf hin, dass die Aufständischen diese Verbindungen in letzter Zeit wiederhergestellt haben. Auch ihre Kommunikationsstrukturen mit dem IS scheinen sich über die Dauer des Konflikts verbessert zu haben.

Karte von Mosambik mit angrenzenden Staaten.

Karte von Mosambik mit angrenzenden Staaten.

HSS; Research report: Insurgency, iIllicit market and corruption – The Cabo Delgado conflict and its regional implications, S. 6

Nur eine transparente und dezentrale Entwicklungsstrategie für die Region kann nachhaltigen Frieden bringen

Der Aufstand in Mosambik ist aus tiefsitzendem Unmut über wirtschaftliche Ungleichheit und politische und ethnische Ausgrenzung entstanden. Während die Menschen in Cabo Delgado jahrzehntelang unter der Vernachlässigung durch die Zentralregierung in Maputo, extremer Armut und weit verbreiteter Korruption zu leiden hatten, mussten sie mit ansehen, wie sich elitäre, politisch verbundene Netzwerke die Vorteile der natürlichen Ressourcen der Region aneigneten und von den kriminellen Märkten profitierten. Diese Ungleichheiten sind entlang ethnischer und religiöser Grenzen zwischen der politisch dominierenden christlichen Mehrheit der Makonde und der muslimischen Bevölkerungsgruppen der Mwani und Makua ausgetragen worden. Die Triebkräfte des Konflikts sind daher überwiegend politischer und wirtschaftlicher Natur, die durch religiösen Extremismus kanalisiert wurden.

In Cabo Delgado und im gesamten Norden Mosambiks gibt es nach wie vor extremistische Tendenzen. Um einen dauerhaften Frieden in der Region zu schaffen, sollte die Regierung in die lokale Entwicklung in Cabo Delgado direkt investieren und sicherstellen, dass diese Investitionen für die Lokalbevölkerung nachvollziehbar sind. Eine dienstleistungsorientierte und transparente lokale Verwaltung scheint Voraussetzung zu sein, um die epidemische Korruption zu bekämpfen. Der Zivilgesellschaft sollte die Freiheit eingeräumt werden, eine sinnvolle Rolle bei der Konfliktlösung zu spielen. Der Presse sollte ungehinderter Zugang gewährt werden, damit sie offen berichten kann. Darüber hinaus sollte die internationale Gemeinschaft die Region direkt unterstützen und eine Wächterrolle bei Verletzungen von Menschenrechten durch Polizei und Militär spielen.

Derzeit herrscht in Mosambik die Meinung vor, dass die Regierung der Sicherheit bei der Erschließung der Gasvorkommen in Cabo Delgado Vorrang vor einer nachhaltigen Entwicklung für die lokale Bevölkerung und einer besseren Regierungsführung einräumt. Dies würde das Risiko eines Wiederaufflammens der Gewalt mit sich bringen und den Norden Mosambiks zu einer Quelle anhaltender Instabilität machen, die sich auf die gesamte Region auswirken könnte.

Zur Methodologie der Studie

Diese Studie stützt sich auf Recherchen, die zwischen September und November 2021 durchgeführt wurden.
Ein Team bestehend aus Experten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Terrorismus sowie investigative Journalisten führte drei Monate lang mehr als 100 Interviews in Cabo Delgado und Maputo in Mosambik, sowie in Durban und Kapstadt in Südafrika. Das Team analysierte Medien und Informationen, die von den Aufständischen und des IS über verschlüsselte Kanäle veröffentlicht wurden, sowie Gerichtsdokumente.

Hier können Sie die Studie in englischer Sprache herunterladen.
 

(1)Allan Olingo, Security agony for Dar, Nairobi as terror suspects sneak back home, The East African, 28 August 2021, https://www.theeastafrican.co.ke/tea/news/east-africa/security-agony-for-dar-nairobi-as-terror-suspects-sneak-home-3529032.

(2) Siehe Analyse der Cabo Ligado Weekly: Cabo Ligado, By the numbers: Cabo Delgado, Oktober 2017–Dezember 2021, 30. November 2021, www.caboligado.com/reports/cabo-ligado-weekly-22-28-november-2021; Cabo Ligado, By the numbers: Cabo Delgado, October 2017-December 2021, 7 December 2021, www.caboligado.com/reports/cabo-ligado-weekly-29-november-5-december-2021.