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Südafrika - News24 Africa Desk
Afrikanischer Journalismus in Afrika für Afrikaner

Autor: Hanns Bühler
, Marlene Barnard

In Südafrika ist die Hanns-Seidel-Stiftung eine Partnerschaft mit dem Medienhaus News24 eingegangen, um den Aufbau eines Afrika-Desks zu unterstützen. Spannende und aktuelle Berichterstattung über überregionale afrikanische Themen soll das Interesse der südafrikanischen Leserschaft wecken und die Informationslage über überregionale, afrikanische Themen, die Südafrika direkt betreffen, verbessern. Wir haben vor Ort ein Interview mit dem Leiter von News24 Africa Desk geführt.

Seminarankündigung zum Thema "Aufstände, Illegale Märkte und Korruption" in Cabo Delgado (Mosambik).

Seminarankündigung zum Thema "Aufstände, Illegale Märkte und Korruption" in Cabo Delgado (Mosambik).

HSS

Laut einer aktuellen Studie “How Africa covers Africa in the media”, der Organisation Africa No Filter aus dem Jahr 2021, fehlen vielen afrikanischen Redaktionen schlicht die Kapazitäten und das Budget, um umfassend überregional zu recherchieren und zu berichten. Oftmals werden europäische und internationale Medienberichte herangezogen und wiederholt aufgelegt, um regionale Ereignisse abzudecken – damit geht zwangsläufig die afrikanische Perspektive verloren. Nur 19 Prozent der in der Studie untersuchten Berichte sind von afrikanischen Medienhäusern formuliert. Gleichzeitig ist die eigene Berichterstattung meist stark auf innenpolitische Themen fokussiert.

Demgegenüber konzentrieren sich internationale Medien fast ausschließlich auf wenige wirtschaftsstarke afrikanische Länder wie Nigeria und Südafrika und/oder interessieren sich überwiegend für bestimmte Themen wie Migration, Terrorismus und bewaffnete Konflikte. Wenig überraschend kommt Africa no Filter zu dem Schluss, dass sowohl international als auch in afrikanischen Medien meist stereotyp, wenig differenziert und sporadisch über Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent berichtet wird.

Hinzu kommt, dass sowohl afrikanische als auch internationale Medien immer noch viel zu selten auf lokale afrikanische Experten und Institutionen als Informationsquellen zurückgreifen. Stattdessen werden regelmäßig internationale Experten zu aktuellen Entwicklungen in Afrika befragt. Hierfür gibt es kaum mehr plausible Gründe. Schließlich gibt es inzwischen genug afrikanische Analysten, Think-Tanks und Wissenschaftler, die sich in den verschiedenen Regionen des Kontinents exzellent auskennen und einen wichtigen Beitrag zu einer nuancierten, vielfältigen und wissenschaftsbasierten Berichtserstattung leisten können und wollen. Deren stärkere Einbindung und Förderung ist ein Muss zur Sicherstellung von Qualität, Authentizität und Vielfältigkeit der Berichterstattung über Afrika innerhalb und außerhalb des Kontinentes.

Seit Mai 2021 besteht die Kooperation der Hanns-Seidel-Stiftung mit Südafrikas News24. Die Einrichtung eines spezialisierten News24 Africa Desk ist somit eine Investition in eine qualitativ hochwertige Berichterstattung über Afrika von und für Afrikaner.

Themen wie wirtschaftliche Entwicklung, die Afrikanische Union (AU) und Southern African Development Community (SADC), werden gezielt in den Fokus der südafrikanischen und afrikanischen Öffentlichkeit gerückt. Aktuelle Ereignisse werden von afrikanischen Journalisten unter Bezug auf verlässliche lokale Quellen analysiert und kommentiert. Durch die Vernetzung von News24 mit renommierten panafrikanischen Think Tanks, konnte News24-Jounalisten Zugang zu einem kontinentalen Pool von Wissenschaftlern verschafft werden, was sich in der Berichterstattung des Africa Desks bereits widerspiegelt.

Ein gesteigertes Bewusstsein für afrikanische Themen und ein fundierter Informationsfluss sind letztlich im Interesse aller Beteiligten: Afrikanische und europäische Außen- und Entwicklungspolitik können hiervon nur profitieren.

Erfahren Sie mehr über News24 Africa Desk in einem Interview mit Lenin Ndebele.

Lenin Ndebele, Journalist und Leiter des News24 Africa Desks.

Lenin Ndebele, Journalist und Leiter des News24 Africa Desks.

Privat

HSS: Herr Ndebele, Sie leiten den neuen News24 Africa Desk. Warum ist die Einrichtung des Africa Desks so wichtig für News24 und die südafrikanische/afrikanische Leserschaft?

Lenin Ndebele: Der verstorbene bekannte nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe sagte einmal "Es gibt ein großartiges Sprichwort:

'Solange die Löwen keine eigenen Historiker haben, wird in der Geschichte der Jagd immer der Jäger verherrlicht werden.'

In diesem Sinne verfälschen Darstellungen in internationalen Mainstream-Medien oftmals das Bild, das afrikanische Leser von ihrem eigenen Kontinent und dessen Platz innerhalb der globalen Gemeinschaft haben. In den meisten Fällen werden Entwicklungen und Ereignisse in Afrika aus der Sicht westlicher Medien wiedergegeben.

Auf dem jüngsten Gipfel der Afrikanischen Union (AU) rief der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed Ali den Kontinent dazu auf, ein eigenes Medienhaus zu gründen, das der Welt Nachrichten aus Afrika ausschließlich aus afrikanischer Sicht präsentiert. Seine Idee ist gut; wir bei News24 setzen diese bereits in Form des Africa Desks um. Über ähnliche Projekte überall in Afrika würden wir uns sehr freuen.

Als Afrika-Redaktion von News24 ist es nicht unsere Aufgabe, die von Nachrichtenagenturen veröffentlichten Informationen zu widerlegen oder zu diskreditieren. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, zu kommentieren und weiterzuentwickeln, indem wir mögliche Wege und Mittel zur Vermeidung des beschriebenen Scenarios erkunden und dem Leser erklären, warum Afrika sich in einer solchen Situation befinden könnte.

Wenn wir über Menschen in den von Terroristen heimgesuchten Gebieten wie in Cabo Delgado in Mosambik berichten, ist es wichtig, sie nicht nur als Opfer, sondern als Beteiligte zu betrachten. Die Stimmen der Menschen vor Ort sollten mehr Gehör finden als die der großen Unternehmen, die in der ehemals gasreichen Provinz investieren. Was sind die Wünsche und Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften? Wie können die Kräfte der vielen jungen oft arbeitslosen Menschen zur Ankurbelung der Wirtschaft besser genutzt werden?

HSS: Welche Themen werden Sie als News24-Journalist im Jahr 2022 in den Mittelpunkt stellen? Welche regionalen, afrikanischen Themen/Entwicklungen halten Sie für die südafrikanischen und afrikanischen Leser für besonders wichtig?

Lenin Ndebele: Obwohl Südafrika immer noch über einige der stärksten und liquidesten öffentlichen Institutionen, die größte Wirtschaft im südlichen Afrika, eine funktionierende Demokratie und das beste Asylsystem verfügt, wächst die fremdenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung. Diese Entwicklung muss auch vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit vor allem der jungen Menschen, und den negativen Auswirkungen von Covid-19 auf die Wirtschaft betrachtet werden. Unsere Berichterstattung ist daher zuweilen auch ein Lackmustest für die südafrikanische Regierung. 

Konflikte, Hungersnöte und der Klimawandel dominieren die Afrika-Berichterstattung seit geraumer Zeit und sind Hauptgründe für Migrationsbewegungen. Menschen aus dem Horn von Afrika und aus Zentralafrika wandern nach Süden, auf der Suche nach besseren Überlebenschancen und Perspektiven. Es wichtig für die südafrikanische Regierung, aber auch die Südafrikaner selbst, die Dynamiken in anderen afrikanischen Regionen und deren Auswirkungen auf ihr eigenes Land zu verstehen, um hierauf angemessen reagieren zu können. 

Covid-19 und seine Auswirkungen werden uns noch auf unabsehbare Zeit begleiten. Kürzlich wurde in Kapstadt eine Produktionsstätte für Impfstoffe in Betrieb genommen. Mit dieser Anlage wird Südafrika zum Impfstofflieferant Nummer 1 innerhalb des südlichen Afrikas werden. Wir werden den Verlauf von Covid-19 und dessen Auswirkungen auf dem afrikanischen Kontinent medial auf Schritt und Tritt verfolgen. 

Der kürzlich zu Ende gegangene Gipfel der Afrikanischen Union wurde von den üblichen Themen beherrscht – Staatsstreiche und Verletzung von Menschenrechten und Demokratie.

Das Jahr hatte kaum begonnen, da gab es bereits einen Staatsstreich in Burkina Faso (23. Januar) und einen Putschversuch in Guinea-Bissau (1. Februar), zeitgleich mit dem AU-Gipfel. 

Putsche und Fragen der Staatsführung werden weiterhin wichtige afrikanische Themen sein. Allerdings sollte sich die Berichterstattung hierüber mit den vielschichtigen Gründen viel genauer auseinandersetzen. Afrikanische Medien müssen thematisieren, was regionale Gremien wie die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS (Economic Community of West African States) -und die AU konkret unternehmen können und sollen, um ihr Mandat besser zu erfüllen.

Der Klimawandel ist in letzter Zeit bei regionalen Treffen in den Mittelpunkt gerückt. Der globale Süden ist mit den Vorschlägen des Westens zur Eindämmung des Klimawandels nicht zufrieden, da Wirtschaftswachstum und der Lebensunterhalt vieler Menschen stark von fossilen Brennstoffen abhängen. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa erklärte kürzlich, dass Afrika nicht für den Klimawandel verantwortlich ist, hiervon aber am meisten betroffen ist.

Die Bedenken Afrikas sind durchaus berechtigt und sollten in die Berichterstattung einfließen, nicht zuletzt, um andere Nationen dazu zu bringen, die Kritik afrikanischer Länder an diesen Plänen besser zu verstehen. Einige afrikanische Länder arbeiten bereits am Ausbau erneuerbaren Energiequellen wie Solarenergie, was anerkannt werden muss. Dies und zukünftige Entwicklungen in diesem Bereich verdienen es, in afrikanischen Medien positiv thematisiert zu werden.

Es gibt ohnehin viel Positives in Afrika. Die afrikanische Kultur und die afrikanischen Sprachen sollten in den Medien gefördert werden. Letztes Jahr hat die UNESCO zum Beispiel die Rumba-Musik aus der Demokratischen Republik Kongo und Kongo-Brazzaville als kulturelles Erbe anerkannt. Diese und ähnliche Themen sollten in afrikanischen Medien gefeiert werden.

Afrika ist nicht nur die Wiege der Menschheit, es hat zudem einheimische Wissenssysteme, die gefördert werden sollten.

Mehr und mehr Afrikaner setzen wissenschaftliche Maßstäbe. So wurde beispielsweise die Omikron-Variante von Virologen in Botswana und Südafrika entdeckt. Die Afrikaner kämpfen seit langem darum, sich ihren Platz in der Welt zu erobern. Solange die afrikanischen Medien sie nicht ins rechte Licht rücken, werden sie nicht wahrgenommen.

HSS: Welche anderen Trends/Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent verfolgen Sie persönlich mit besonderem Interesse?

Lenin Ndebele: Afrikanische Arzneimittel. Letztes Jahr im November wurde die Afrikanische Arzneimittelagentur (AMA) gegründet. Bislang haben nur 17 AU-Mitgliedstaaten den hiermit verbundenen Vertrag ratifiziert. Es wäre begrüßenswert und fortschrittlich, wenn sich mehr afrikanische Länder anschließen würden. Eine solche Agentur würde es ermöglichen, langfristig Afrikas Abhängigkeit von externen Lieferungen wichtiger Arzneimittel wie Malariaimpfstoffen durch internationale Hilfsorganisationen, zu verringern.

Auf dem letzten AU-Gipfel forderten die African Centres for Disease Control and Prevention eine verbesserte medizinische Notfall- Infrastruktur. Die Covid-19-Pandemie war ein Weckruf - Afrikaner sehen mehr denn je die Notwendigkeit einer unabhängigen Gesundheitsversorgung.

HSS: Sie sind Simbabwer und haben Ihren Sitz in Simbabwe. Gibt es besondere Herausforderungen und/oder Chancen, die sich aus Ihrem Standort ergeben?

Lenin Ndebele: Covid-19 hat uns gelehrt, dass wir von überall arbeiten können. Ich arbeite von Simbabwe aus, bin eine Stunde von Lusaka (Sambia), eine Stunde von Beira (Mosambik), 45 Minuten von Johannesburg (Südafrika), eine Stunde von Gaborone (Botsuana) und zwei von Windhoek (Namibia) entfernt. Ich könnte nicht zentraler sein!

Die einzige Herausforderung ist das Reisen. Wenn ich wenigstens alle drei bis vier Monate an internationalen Treffen teilnehmen kann, bin ich in der Lage genug Kontakte knüpfen, die mir helfen, besser und ausführlicher über den Kontinent zu berichten.

HSS: Wie beurteilen Sie die Berichterstattung über Afrika und afrikanische Ereignisse/Entwicklungen in anderen afrikanischen und internationalen Medien?

Lenin Ndebele: Es gibt nur wenige Medienhäuser, die über einen eigenen Africa Desk verfügen, der sich ausschließlich mit afrikanischen Themen befasst. Die meisten Texte über den Kontinent kommen von Kurznachrichtendiensten, deren Berichterstattung oft einseitig ist, da sie sich nicht immer die Mühe machen, die Themen für die afrikanische Leserschaft aufzuarbeiten. Stattdessen berichten sie über Ereignisse, die europäische und amerikanische Interessen betreffen.

HSS: Welchen Einfluss hat/hatte die Covid-Pandemie auf Ihre Arbeit/Berichterstattung?

Einen äußerst restriktiven Einfluss. In Ländern, in denen Ausgangssperren verhängt wurden, gingen die Menschen weniger aus dem Haus und der Zugang zu Informationen war eingeschränkt und von den Regierungen kontrolliert. Auch die Recherche war und ist vom allgemeinen "Social Distancing" betroffen. Leider gibt es immer noch zu wenige persönliche Interaktion mit Informationsquellen.

Übersetzung aus dem Englischen: Marlene Barnard, Projektassistentin, HSS Südafrika

Südafrika
Hanns Bühler
Projektleiter