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Portraits jüdischer Persönlichkeiten
Gesichter unseres Landes: Max Bernstein

Wir feiern 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland und Bayern und würdigen den essentiellen Beitrag, den jüdische Persönlichkeiten für die Geschichte, Kultur, Wissenschaft und Wesensart unseres Landes geleistet haben. Heute im Portrait: Max Bernstein - Theaterkritiker und Anwalt.

Der Anwalt und Schriftsteller Dr. Max Bernstein war eine zentrale Persönlichkeit im Kaiserreich. Er feierte große Erfolge, nicht nur gegen alle Arten von Zensur und als Anwalt der literarischen und politischen Opposition, sondern auch als Kunst- und Theaterkritiker, als Agent vieler Schriftsteller und Künstler sowie als Förderer der modernen literarischen Strömungen seiner Zeit. Er war verheiratet mit der Münchner Schriftstellerin Elsa Bernstein, geborene Porges, die unter dem Pseudonym Ernst Rosmer seit 1891 zur bedeutendsten Dramatikerin im Deutschen Reich werden sollte. Beider Tochter Eva war mit Klaus Hauptmann verheiratet, dem Sohn von Gerhart Hauptmann.

Ein Selbstporträt

1913 beschrieb sich Max Bernstein in dem Buch Geistiges und künstlerisches München in einem Selbstporträt so:

„Justizrat, Rechtsanwalt und Schriftsteller, München, Briennerstr. 8a. – Ich bin leider schon 1854 in Fürth geboren und habe die Gymnasien in Frankfurt a.M. und Nürnberg, die Universitäten Würzburg, Leipzig, Heidelberg, München besucht; zuerst ein Semester Medizin, darauf ein Semester Philologie, dann „Jus“ studiert. Danach war ich Rechtspraktikant. Seit 81 bin ich Rechtsanwalt. Ich habe einige bescheidene Theaterstücke und andere Kleinigkeiten geschrieben. Meine ‚Lebensanschauung?‘ ‚Ich bin jetzt alt genug‘, sagte ich neulich einem Freunde, ‚um mit wenigem zufrieden zu sein. Wenn ich gesund und arbeitsfähig bin, und die paar Menschen, die ich liebe, gesund und froh sind – das genügt mir.‘ ‚Das nennst du wenig?‘ erwiderte er. Er hat Recht.“

Was für ein Leben steckte tatsächlich hinter dieser bescheidenen Selbstbeschreibung?

Gebürtig aus Fürth

Max Bernstein wurde am 12. Mai 1854 in Fürth als Sohn des jüdischen Großhändlers Simon Bernstein und seiner Frau Mathilde geboren. Bis heute gilt Fürth als die „Muttergemeinde“ der Juden Bayerns. Bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts gab es in Fürth das größte jüdische Gemeinwesen im süddeutschen Raum.

In München war der literarische Salon des Ehepaares Bernstein am Wittelsbacherplatz ein Treffpunkt für die künstlerische und literarische Szene.

In München war der literarische Salon des Ehepaares Bernstein am Wittelsbacherplatz ein Treffpunkt für die künstlerische und literarische Szene.

Münchner Stadtmuseum

Als Anwalt berühmt

In München war Bernstein seit 1881 als selbständiger Anwalt tätig und als frei improvisierender Redner schnell gefragt bei Schriftstellern und Künstlern in Zensurprozessen aller Art. Bald berichteten nicht nur die großen Tageszeitungen ausführlich über seine Plädoyers. Die Prozesse, in denen er als Anwalt auftrat, zogen auch ein großes Publikum an. Tatsächlich machten ihn seine Verteidigungen und großen rhetorischen Fähigkeiten im ganzen Deutschen Reich berühmt, führten ihn nach Hamburg, Berlin und Paris. Im Auftrag der SPD legte Bernstein die Unhaltbarkeit des Sozialistengesetzes dar. Im Prozess gegen Fürst Eulenburg war er Anwalt des Schriftstellers Maximilian Harden, der in der sogenannten Harden-Eulenburg-Affäre einen Skandal provozierte. Bernstein verteidigte aber auch den anarchistischen Dichter Erich Mühsam, den Schriftsteller Ludwig Thoma und viele andere Berühmtheiten. Noch heute zählen die Gerichtsverhandlungen über die von ihm verteidigte Münchner Zeitschrift Simplicissimus zu den Glanzlichtern der Rechtsgeschichte.

Theaterkritiker und Literaturagent

Neben seiner Tätigkeit als Anwalt war Bernstein auch 16 Jahre lang als Theaterkritiker bei den Münchner Neuesten Nachrichten aktiv. Als Förderer der neuen modernen literarischen Strömungen seiner Zeit beeinflusste er mit seinen Artikeln entscheidend die Spielpläne der Münchner Theater. Er unternahm Vortragsreisen durch Deutschland, in denen er sich für die aufkommende Strömung des Naturalismus einsetzte. Tatsächlich begründete er theoretisch den Naturalismus bereits Anfang der 1880er Jahre in Reden, über die meist auf der ersten Seite überregionaler Zeitungen berichtet wurde. Auch die Durchsetzung von Henrik Ibsen und Gerhart Hauptmann – beide berühmte Dramatiker des Naturalismus – auf deutschen Bühnen, ist Max Bernstein zu verdanken. Um solche Stücke trotz polizeilichen Verbots aufführen zu können, organisierte Bernstein sogar nicht-öffentliche Vorstellungen.

Literat und Schriftsteller

Doch damit nicht genug. Bernstein war auch selbst literarisch aktiv. Er gabt nicht nur Bücher heraus, wie 1884 die Münchner Bunte Mappe, in der er das geistige und künstlerische München vorstellte.  Er schrieb auch selbst Erzählungen und Lustspiele (D‘Mali, Die Sünde, Der gute Vogel, Mathias Gollinger). Um ein breites Publikum zu erreichen, baute er stets sozialkritische Themen ein: Emanzipation, moderne Mädchenerziehung, freie Sexualität ; er warnte vor Antisemitismus, forderte zu sozialer Verantwortung und demokratischer Grundeinstellung auf. Wie seine Frau Elsa Bernstein wurde auch Max Bernstein in den 1890er Jahren Autor des renommierten modernen S. Fischer Verlages in Berlin. 1898 erschienen hier sein Lustspiel Ein Mädchentraum und der Erzählband Kleine Geschichten.

Förderer der Emanzipation und modernen Frauenbewegung

Am 18. Oktober 1899 wurde der Erste Bayerische Frauentag in München im damals berühmten Café Luitpold eröffnet. Als langjährige Förderer der modernen Frauenbewegung in Bayern und des 1894 gegründeten Münchner Vereins für Fraueninteressen nahmen auch deutschlandweit berühmte männliche Münchner Persönlichkeiten teil: der Sozialdemokrat Georg von Vollmar, der Historiker und Friedens-Aktivist Ludwig Quidde, der bekannte Volkswirtschaftler Max Haushofer und der Anwalt Max Bernstein. Die Ehefrauen dieser Männer waren engagierte Mitglieder im Münchner Verein für Fraueninteressen.

Salon Bernstein

Zusammen mit seiner Frau Elsa, die unter dem Pseudonym Ernst Rosmer als Dramatikerin und Autorin in Deutschland große Erfolge feierte, unterhielt Bernstein einen literarischen Salon am Wittelsbacher Platz. Hier verkehrten Berühmtheiten wie Theodor Fontane, Henrik Ibsen, Paul Heyse, Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Ludwig Ganghofer, Ludwig Thoma, Frank Wedekind, Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Max Halbe, Hermann Sudermann, Otto Brahm, Ricarda Huch, Georg Hirth, Erich Mühsam, Annette Kolb und Richard Strauss. Neben Gerhart Hauptmann war Bernstein mit dem Schriftsteller Ludwig Ganghofer lebenslang befreundet.

Verschollener Nachlass

Max Bernstein starb am 5. März 1925 in München. Beigesetzt wurde er im Grab der Familie Porges auf dem Münchner Ostfriedhof. Bis heute gilt Max Bernsteins bedeutender Nachlass, der 1939 von den Nationalsozialisten konfisziert wurde, als verschollen.

Autorin: Dr. Ingvild Richardsen forscht seit 2005 zu Frauenbewegungen, feministischen Themen, Erinnerungskultur, Jewish Heritage, NS-Zeit und modernen Kunstbewegungen.

Peter Czoik: Max Bernstein. https://www.literaturportal-bayern.de/autorenlexikon?task=lpbauthor.default&pnd=119257408

Ingvild Richardsen: “Frei und gleich und würdig ». Die Frauenbewegung und der Erste bayerische Frauentag 1899. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 2019, S. 76ff.; https://www.blz.bayern.de/publikation/frei-und-gleich-und-wuerdig-die-frauenbewegung-und-der-erste-bayerische-frauentag-1899.html

„Leidenschaftliche Herzen, feurige Seelen“. Wie Frauen die Welt veränderten. Frankfurt/M.: S. Fischer, 2019; www.fischerverlage.de/buch/ingvild_richardsen_leidenschaftliche_herzen_feurige_seelen/9783103974577

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Bildung, Hochschulen, Kultur
Thomas Klotz
Leiter