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Portraits jüdischer Persönlichkeiten
Gesichter unseres Landes: Elsa Bernstein

Wir feiern 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland und Bayern und würdigen den essentiellen Beitrag, den jüdische Persönlichkeiten für die Geschichte, Kultur, Wissenschaft und Wesensart unseres Landes geleistet haben. Heute im Portrait: Elsa Bernstein - Dramatikerin und Bühnenautorin.

Elsa Bernstein, geborene Porges, gilt bis heute als eine der bedeutendsten Dramatikerinnen Deutschlands. Sie, die seit 1894 unter dem Pseudonym Ernst Rosmer als erste Frau beim renommierten S. Fischer Verlag in Berlin Theaterstücke und Novellen publizierte, avancierte schnell zu einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Bühnenautorinnen ihrer Zeit. Zugleich gehörte sie zu den Vorreiterinnen der modernen Frauenbewegung im Kaiserreich.

Herkunft

Geboren wurde Elsa Porges, deren Eltern aus Prag stammten, am 28. Oktober 1866 in Wien. Ihr Vater, Heinrich Porges, war ein bekannter Musiktheoretiker, Dirigent und Musikjournalist. Er war mit Richard Wagner befreundet und setzte sich nachhaltig für andere Musiker und Berühmtheiten wie Franz Liszt ein. 1868 wurde er von Ludwig II. nach München berufen und zum Musikdirektor ernannt.

Kindheit und Jugend - Karriere als Schauspielerin

Die in München aufwachsende Elsa betrachtete diese Stadt als ihre Heimat. Bereits als Kind verfasste sie in der Schwabinger Villa der Bildhauerin Elisabeth Ney, in der sie mit den Eltern wohnte, Gedichte, Erzählungen und Theaterstücke. Als Sechzehnjährige absolvierte sie 1881/82 eine zweisemestrige Schauspielausbildung an der Königlichen Bayerischen Musikschule in München. Bereits 1883, sie ist damals noch keine 17 Jahre alt, erhielt sie ihr erstes Engagement in Magdeburg. Die erste Anstellung folgte am Herzoglichen Hoftheater in Braunschweig, wo sie von 1884 bis 1886 in 37 verschiedenen Rollen auf der Bühne stand. Wegen eines sehr schmerzhaften Augenleidens, das in den nächsten Jahrzehnten zu ihrer völligen Erblindung führte, musste sie 1887 ihre Schauspielkarriere aufgeben.

Heirat mit Max Bernstein

1890 heiratete Elsa Porges den zwölf Jahre älteren erfolgreichen Münchner Rechtsanwalt Dr. Max Bernstein, den sie schon seit ihrem dreizehnten Lebensjahr kannte. Der Star-Anwalt, Kunst- und Theaterkritiker, Literat und Schriftsteller, war in der Kunstwelt nicht nur bestens vernetzt, er beeinflusste auch die Spielpläne der Münchner Theater. Zusammen mit dem Münchner Schriftsteller Michael Georg Conrad und dem Berliner Theaterleiter Otto Brahm bereitete er damals den Weg für die literarische Strömung des Naturalismus vor und sorgte dafür, dass Dramatiker wie Henrik Ibsen und Gerhart Hauptmann sich auf deutschen Bühnen durchsetzen konnten. Doch Max Bernstein war auch ein großer Förderer von Elsa und ihren Begabungen. Schon früh riet er ihr, ihre große poetische Begabung nicht der Schauspielerei zu opfern, und animierte sie dazu, als Schriftstellerin und Dramatikerin zu arbeiten.

Alias Ernst Rosmer

Am 6. April 1887 wurde in Augsburg durch Max Bernstein das von Henrik Ibsen verfasste naturalistische Theaterstück Rosmersholm uraufgeführt. Auch Elsa Porges war an diesem Abend anwesend. Tiefbeeindruckt von diesem Erlebnis entschied sie sich in Anlehnung an dieses Theaterstück einige Jahre später dazu, für ihre schriftstellerische Karriere das Pseudonym Ernst Rosmer zu wählen. Zugleich legte sie damit auch ein Bekenntnis für die literarische Strömung des Naturalismus ab.

Wir Drei - Ein Skandal

1891 veröffentlichte Elsa Bernstein mit Wir Drei ihr erstes Drama. Tatsächlich erleichterte ihr das männliche Pseudonym den Einstieg als Dramatikerin, denn in den 1890er Jahren hatten Theaterautorinnen kaum Aussicht auf Anerkennung, geschweige auf die Aufführung ihrer Werke. Der Titel klingt harmlos, das Gegenteil ist der Fall: Es geht um eine Dreiecksbeziehung, um (Homo-)Sexualität und Erotik. München wird darin als eine Stadt vorgestellt, in der man frank und frei alle erotischen Facetten ausprobieren und ausleben kann. Das Stück war eine Provokation und löste einen literarischen Skandal aus, der Elsa Bernstein über Nacht berühmt machte. Doch das Drama wurde nicht aufgeführt, bis heute nicht.

Uraufführung von "Dämmerung" in Berlin

1893 zeigte die Freie Bühne in Berlin dann Bernsteins neues Theaterstück Dämmerung, das stark autobiographische Züge trägt –  eine unglaubliche Anerkennung zur damaligen Zeit. Es ist das erste von einer Frau stammende deutsche Drama, in dem die Berufstätigkeit der Frau als neues Ideal vorgeführt wird; dies auch verknüpft mit der Forderung, dem eigenen Selbst und den eigenen Begabungen Ausdruck zu verleihen.

Erfolgreich als Autorin des S. Fischer Verlags

Ein Jahr später kam es zu einer weiteren Sensation: 1894 veröffentlichte der 1886 gegründete moderne und tonangebende S. Fischer Verlag in Berlin unter dem Pseudonym Ernst Rosmer gleich drei literarische Werke von Elsa Bernstein: das genannte Schauspiel Dämmerung, den Novellenband Madonna und ihr Märchendrama Königskinder. Dass in jener Zeit gleich drei Werke bei S. Fischer erschienen, war für die erst 28-jährige Schriftstellerin mehr als eine kometenhafte Karriere. Damit hatte sie mit einem Schlag den Durchbruch als moderne Schriftstellerin und Dramatikerin geschafft. Als S. Fischer-Autorin avancierte Elsa Bernstein im 20. Jahrhundert zu einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Bühnenautorinnen ihrer Zeit. Sie verfasste zahlreiche weitere Theaterstücke, Dramen über Künstler- und Eheprobleme im naturalistischen Stil (Maria Arndt, 1908), aber auch neuromantische und symbolistische Versdramen (Mutter Maria, 1900) sowie auch klassische Tragödien (Nausikaa, 1906; Achill, 1910).

Die Frauenrechtlerin

Wie alle Münchner Schriftstellerinnen, die Mitglied im 1894 gegründeten Verein für geistige Interessen der Frau geworden waren, vertrat auch Elsa Bernstein in ihren Werken die von der Münchner Frauenbewegung verfolgten emanzipatorischen Ziele. Im Jahresbericht des Vereins von 1898 ist festgehalten, dass der Verein auch für die Aufführung von Dämmerung in München sorgte.

Deportation nach Theresienstadt

1942 wurde die mittlerweile längst erblindete Protestantin Elsa Bernstein wegen ihrer jüdischen Herkunft mit ihrer Schwester Gabriele zuerst nach Dachau und von dort ins KZ Theresienstadt deportiert, das sie als einige der wenigen überlebte. Nach der Befreiung 1945 zog Elsa Bernstein zu ihrer Tochter Eva nach Hamburg. Hier verfasste sie in Blindenschrift ihre Erinnerungen (Das Leben als Drama. Erinnerungen an Theresienstadt, posthum 1999 veröffentlicht). Nach ihrem Tod 1949 wurde sie im Grab ihres Vaters in München auf dem Ostfriedhof beigesetzt.

Autorin: Dr. Ingvild Richardsen forscht seit 2005 zu Frauenbewegungen, feministischen Themen, Erinnerungskultur, Jewish Heritage, NS-Zeit und modernen Kunstbewegungen.

Elsa Bernstein: Selbstporträt. In: Wilhelm Zils: Geistiges und künstlerisches München.  München 1913. S. 24f.

Peter Czoik: Elsa Bernstein. Literaturportal Bayern; https://www.literaturportal-bayern.de/autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=118809407

Kristina Kargl: Elsa Bernstein - Karriere unter männlichem Pseudonym. In: Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung 1894-1933. hg. v. Ingvild Richardsen, München 2018, S. 147-157.

Ingvild Richardsen: „Frei und gleich und würdig.“ Die Frauenbewegung und der Erste bayerische Frauentag 1899. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 2019; www.blz.bayern.de/publikation/frei-und-gleich-und-wuerdig-die-frauenbewegung-und-der-erste-bayerische-frauentag-1899.html

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Thomas Klotz
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