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Deutsche Gesellschaft für Demografie
Wissenschaftler und Praktiker vernetzten sich

Die Menschen in Deutschland sind heutzutage so gesund wie noch nie und werden immer älter. Gleichzeitig wird unsere Bevölkerung durch Zuwanderung bunter. Der Demografische Wandel ist Herausforderung und Chance zugleich.

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Die Deutsche Gesellschaft für Demografie (DGD) hat sich zum Ziel gesetzt, die Forschung und das öffentliche Interesse zu allen Fragestellungen rund das Thema Bevölkerungsentwicklung zu fördern. 

Frau im beigen Blusenkleid lehnt legere an einem Geländer und schaut lächelnd in die Kamera. Im Hintergrund ist ein Diagramm zu sehen.

Professor Gabriele Doblhammer ist seit 2016 Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Demografie und Inhaberin des Lehrstuhls für empirische Sozialforschung und Demografie an der Universität Rostock.

©Gabriele Doblhammer

HSS: Frau Professor Doblhammer, die Deutsche Gesellschaft für Demografie (DGD) gilt als zentrales Forum für demografische Fragestellungen in Deutschland. Was macht so eine Gesellschaft überhaupt? Welche Ziele verfolgt sie?

Prof. Doblhammer: Wir sind eine Plattform für aktuelle praxisbezogene, sowie theoretische und methodische Fragen der Bevölkerungswissenschaften. Ein großer Teil der Aktivitäten der DGD findet in den Arbeitskreisen statt. Hier arbeiten Wissenschaftler und Praktiker unterschiedlicher Disziplinen, also fachübergreifend, zusammen und tauschen sich in Bereichen aus wie z.B. demografische Methoden; Städte & Regionen; Sterblichkeit, Erkrankung & Alterung. Zudem bauen die Arbeitskreise Netzwerke aus, führen Veranstaltungen durch und machen die Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich.

Ein weiteres Kernanliegen unserer Arbeit ist die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern. Jährlich prämieren wir junge Menschen für herausragende Leistungen, sei es für beste Abschlussarbeiten (auf dem MA- und Doktoranden-Niveau), wissenschaftliche Artikel und Poster. Auf unseren Tagungen haben sie außerdem die Chance, ihre Veröffentlichungen zu präsentieren und sie sind Teil unseres Netzwerks und profitieren davon. Jedes Jahr organisieren wir ein „Karriere-Frühstück“ und informieren über wissenschaftliche und alternative Karrierewege im Fachbereich Demografie.

Damit möchten wir die demografische Wissenschaft stärker in der deutschen Forschungslandschaft etablieren und demografische Themen in die Öffentlichkeit tragen. 

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Demografie oder Bevölkerungswissenschaft ist die Lehre von den Verläufen der Bevölkerungsbewegung, ihren Ursachen und Folgen. Hier wirken Geburtenhäufigkeit, Sterblichkeit und Migration zusammen, was mit eigenen Instrumenten, Methoden und Theorien analysiert wird.

Ein Rollstuhl von hinten, mit einer Hand eines alten Menschen auf der Lehne und einer Hand eines jungen Menschen, der den Rollstuhl schiebt.

Die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Heimen müssen sich verbessern und eine höhere Bezahlung ist notwendig.

unclelkt; CC0; pixabay


HSS:
Welche demografischen Trends werden Deutschland in Zukunft prägen? 

Prof. Doblhammer: Die steigende Lebenserwartung geht mit einem Anstieg an gesunden Lebensjahren einher. Morbidität und Pflegebedürftigkeit verdichten sich zunehmend im höherem Alter. Zwar können die zusätzlichen Lebensjahre flexibel gestaltet werden, dennoch wird der Bedarf an Pflege und Versorgung unter den Hochaltrigen zunehmen. Dieser kann aber bereits jetzt kaum noch durch Pflegekräfte und Familienmitglieder abgedeckt werden. Die Überarbeitung der Pflegegrade durch die gesetzliche Pflegeversicherung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zentral ist außerdem, dass der Pflegeberuf attraktiver gestaltet wird, um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten.

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Das zweite Pflegestärkungsgesetz ist 2017 in Kraft getreten. Aus ehemals drei Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade. Mit diesen wird das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit eines Menschen festgestellt und die Höhe der finanziellen Unterstützung berechnet. Der Begriff der Pflegebedürftigkeit ist im neuen Gesetz weiter gefasst: Menschen mit kognitiven Einschränkungen wie Demenz oder Alzheimer erhalten gleichberechtigt mit körperlich kranken Patienten Leistungen. Neu ist außerdem der Grundsatz „mehr ambulante und weniger stationäre“ Pflege.

HSS: 2012 hat die Bundesregierung erstmals eine „Demografiestrategie“ vorgelegt, die seither weiter spezifiziert wird. Die „Demografiestrategie“ beinhaltet zwei Komponenten:
(1.) Gesetzesvorhaben und Projekte der Bundesregierung, mit denen sie den demographischen Wandel gestaltet,
(2.) ein vernetzter Dialog, in dem die Bundesregierung gemeinsam mit Vertretern von Ländern und Kommunen, Sozialpartnern und Verbänden, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgergesellschaft Lösungsansätze erarbeitet.
 
Wie beurteilen Sie die „Demografiestrategie“ der Bundesregierung? Gibt sie angemessene Antworten auf den demografischen Wandel?

Prof. Doblhammer: Der Demografische Wandel bleibt, auch wenn er im aktuellen Koalitionsprogramm der Bundesregierung nicht mehr direkt angesprochen wird. Der Wandel muss weiterhin gestaltet werden, persönliche und gesellschaftliche Lebenskonzepte müssen überdacht und weiter entwickelt werden. Auf politischer Ebene wurde ein Anfang mit der Demografiestrategie der Bundesregierung gemacht, das Thema ist unter politischen Entscheidungsträgern breit verankert. Dennoch besteht weiterhin viel Unwissenheit über demografische Trends, ihren Ursachen und Konsequenzen. Hier muss noch viel Informationsarbeit geleistet werden.

HSS: Wie beurteilen Sie die derzeitige Entwicklung des Fachs Demografie in Deutschland? Welche Bedeutung hat die Demografie-Expertise für die Politik?

Die Forschung in der Demografie hat sich intensiviert und ist international ausgewiesen. Gleichzeitig ist ein Rückgang der Lehrstühle an Universitäten zu verzeichnen. Demografie ist immer noch schwach in der deutschen Universitätslandschaft verankert. 

Die Demografie kann langfristige Entwicklungen aufzeigen und Prognosen erstellen und damit rechtzeitige Weichenstellungen ermöglichen. Beispielhaft sei auf die Herausforderungen für unsere sozialen Sicherungssysteme verwiesen, die durch die Alterung der Babyboomer Jahrgänge in den nächsten Jahren auf uns zukommen werden. Diese Generation zeichnet sich durch geringe Eheschließung, hohe Scheidungsraten und geringe Kinderzahl aus. Das muss bei den Diskursen über zukünftige soziale Unterscheide unter den Älteren, der Höhe von Rentenansprüchen und der Versorgung Pflegebedürftiger mit bedacht werden.

 

HSS: Frau Professor Doblhammer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Susanne Schmidt von der HSS leitet bei der DGD den Arbeitskreis „Migration, Integration, Weltbevölkerung“. Sie interviewte Professor Doblahmmer über die Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Demografie. Erst am 14.-16 März 2018 fand die Jahrestagung an der Universität Köln statt. Schwerpunktthema war „Familie, Fertilität und Generationenbeziehung“.

Gesellschaftliche Entwicklung, Migration, Integration
Dr. Susanne Schmid
Leiterin