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Die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion
„Wir sind ein schicksalsmäßig verknüpfter Kontinent“

Autor: Dr. Claudia Schlembach
, Susanne Hornberger

Die europäische Wirtschafts- und Währungsunion der Zukunft – wie kann sie aussehen, um als stabilisierender Faktor innerhalb der Europäischen Union zu wirken? Was gibt es zu beachten und wie kann ein Paket geschnürt werden, mit dem alle Mitglieder gut leben können? Darüber hat sich die Hanns-Seidel-Stiftung mit dem Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Markus Ferber, MdEP, Prof. Andreas Peichl vom ifo-Institut und Dr. Hans Reichhart, neuer bayerischer Bauminister Gedanken gemacht.

Dass eine konsensuale Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion keine einfache Aufgabe wird, machte die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Ursula Männle, bereits in ihrer Begrüßung klar: „Wir finden hier eine Reihe gordischer Knoten“, erklärte sie den Zuschauern im vollbesetzten Europasaal im Haus der Bayerischen Wirtschaft.

Frau am Rednerpult

Ursula Männle: Die konsensuale Reform wird keine einfache Ausgabe

Thomas Reiner; HSS; HSS

„Die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion darf nicht den Weg in eine Schuldenunion bereiten“ (Markus Ferber)

Markus Ferber („Zur Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion") fand in seiner Keynote einige Ansatzpunkte, formulierte aber auch Prämissen: „Die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion darf nicht den Weg in eine Schuldenunion bereiten!“ Verhindern ließe sich das, so Ferber, wenn die Leitmotive Haftung und Stabilität durch die konsequente Einhaltung der bereits bestehenden Regeln gewährleistet sind. Diese Rechtstreue bezieht sich auch und vor allem auf die Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts: Eine ausgeglichene Haushaltsplanung, die strukturell erkennen lässt, dass sich das Haushaltsdefizit auf unter 3% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) einpendelt und eine Gesamtverschuldung von maximal 60% des BIP. Die EU-Staaten hätten in 165 Fällen die Drei-Prozent-Hürde bei der Neuverschuldung gerissen und damit den Stabilitätspakt verletzt. In 51 Fällen war das erlaubt, weil die jeweiligen Länder in eine Regression geraten waren. Verboten war dies jedoch in den restlichen 114 Fällen, was keinerlei Sanktionen zur Folge hatte, verwies Ferber auf eine Untersuchung des ifo-Instituts (Zahlen von 1999 bzw. Beitrittsjahr des jeweiligen Landes bis 2015).

Mann mit Anzug uns Krawatte am Rednerpult, sprechend

Markus Ferber: Reform der WWU darf nicht in eine Schuldenunion führen

Thomas Reiner; HSS; HSS

„Wirtschaftspolitische Fehler von Mitgliedsstaaten dürfen nicht durch die EU finanziert werden“

Eine weitere Prämisse sieht Ferber auch im Umgang mit sog. makroökonomischen Schocks, die etwa durch die Instabilität eines einzelnen Landes ausgelöst werden können. Hier gilt: „Wirtschaftspolitische Fehler einzelner Mitgliedsstaaten können nicht durch die EU finanziert werden.“ Bei der Bankenunion plädierte Ferber dafür, Risiken abzubauen statt zu sie der Gemeinschaft aufzuerlegen. Bestehende Vorgaben, insbesondere die Einlagensicherungsrichtlinie und die Abwicklungsrichtlinie seien umzusetzen, der Abbau von „faulen“ Krediten müsse vorangetrieben werden, Spareinlagen dürften nicht vergemeinschaftet werden, bzw. es kann unter den derzeitigen Bedingungen  nicht einfach eine gleichmäßige Einlagensicherung für alle Mitglieder erfolgen und bei der Bankenaufsicht müsse mehr Verhältnismäßigkeit walten.

Insgesamt müsse der Stabilitäts- und Währungspakt so wirtschaften, dass Überschüsse in guten wirtschaftlichen Zeiten für schlechte Zeiten als Reserve zurückgelegt werden müssten, damit sich dann fiskalische Spielräume eröffnen ließen.

Herr mit Krawatte, blauem Hemd, sitzend in ein Mikrofon sprechend

Prof. Andreas Peichl (ifo-Institut): Regelungen überdenken und eventuell neu justieren

Thomas Reiner; HSS; HSS

Regeln überdenken und neu justieren

Professor Peichl warf an dieser Stelle ein, dass man die Regeln eventuell überdenken und neu justieren sollte, dass man sich Gedanken machen müsse über die Einführung effektiver Sanktionen, Szenarien entwickeln für eine Insolvenzordnung der Staaten und einen möglichen Ausstieg Einzelner aus dem Euro entwickeln, ja auch OECD und IWF bei der Haushaltsdebatte stärker einbinden könnte. Peichl forderte dazu auf, sich endlich für einen Weg der Europäischen Union zu entscheiden. Es müsse eine Entscheidung fallen darüber, ob wir die „Vereinigten Staaten von Europa“ wollten oder aber eine andere Version Europas. Das sei nicht klar, eine Vision fehle. Diese wäre aber nötig. Den Brexit könnte man auch als Chance begreifen, denn schließlich seien auch die USA aus einem Handelskrieg mit Großbritannien entstanden.

Mann mit Krawatte, lachend am Mikrofon, sitzend

Markus Ferber: Wirtschaftspolitische Fehler von Mitgliedsstaaten dürfen nicht durch die EU finanziert werden

Thomas Reiner; HSS; HSS

Widerstandsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) stärken

Ferber führte weiter aus, dass zur Widerstandsfähigkeit der WWU die Vorzugsbehandlung von Staatsanleihen beendet werden müsse. Haftungsrisiken dürften nicht vergemeinschaftet werden über Altschuldentilgungsfonds oder Eurobonds. Zur makroökonomischen Stabilisierung forderte Ferber einen begrenzten Fonds mit klarem Auftrag und klarer Konditionalität (Finanzhilfen werden an die Umsetzung von Reformen geknüpft), der beim EU-Haushalt angesiedelt sein sollte, ein langfristiger Transfermechanismus sein zu vermeiden. Beim Europäischen Stabilitätsmechanismus müssten die nationalen Parlamente mitbestimmen, außerdem sollte die strenge Konditionalität und die Einstimmigkeit im Europäischen Parlament als Entscheidungsmodus beibehalten werden. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt müsse darüber hinaus streng kontrolliert und institutionelle Debatten europäischer Finanzminister vermieden werden.

Junger Mann mit Brille, ins Mikrofon sprechend, dabei gestikulierend

Hans Reichhart: An Regeln halten, nicht dem politischen Opportunismus folgen

Thomas Reiner; HSS; HSS

An Regeln halten, nicht dem politischen Opportunismus folgen (Hans Reichhart)

Hans Reichhart erklärte, die Einhaltung der Regeln sei essentiell und dürfe nicht zugunsten eines politischen Opportunismus geopfert werden. Dazu müsse auch die Politik ein klares Signal senden, denn nur ein einziger „Sündenfall“ erschwere alle weiteren Projekte, das Vertrauen der Bevölkerung würde schwinden. Mut, politische Kraft und Persönlichkeiten an der Spitze seien also gefordert

Zu den Haushaltsdebatten in Italien sagte Ferber, dass der derzeit geplante italienische Haushalt klar zulasten der anderen EU-Staaten ginge, was nicht hinzunehmen sei.

Solidarität ja, aber „bitte einen kleinen Topf“ entwickelte Ferber weiter, alles andere würde falsche Begehrlichkeiten wecken. Das gesamte EU-Budget hat einen Umfang von rund 40 Prozent des Bundeshaushalts.

Gruppe aus Frauen und Männern lächelt in die Kamera

Andreas Peichl, Hans Reichhart, Ursula Männle, Christine Bergmann und Markus Ferber (von links)

Thomas Reiner; HSS; HSS

Mehr Zusammenarbeit erforderlich – ein „schicksalsmäßig verknüpfter Kontinent“

Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass die Situation der Welt eine viel engere und stärkere Zusammenarbeit benötige und Europa nur gemeinsam den derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen begegnen könne. „Wir sind ein Kontinent, der schicksalsmäßig verknüpft ist. Eine gegenseitige Übernahme von guten Ideen und der Austausch zwischen den Staaten der EU führt dazu, dass jedes Land von einem anderen Land etwas lernen kann. Dieses Verständnis ist nötig“, sagte Ferber.

Er sei stolz, Teil der europäischen Idee und Europas zu sein, endete Reichhart. Dennoch sei eine Diskussion über Europa insgesamt erforderlich: Was soll Europa sein, was soll Europa tun und was nicht, was muss nach Europa und was muss von Europa zurück auf die Mitgliedsstatten? Ferber plädierte für ein Europa im Großen, für eine Großzügigkeit Europas im kleinen und eine starke Vertretung der europäischen Interessen in der Welt.

Um die gordischen Knoten tatsächlich zu durchtrennen, ist also noch viel Arbeit erforderlich. Auch für die HSS, die das Thema weiter intensiv begleiten wird.

Wirtschaft und Finanzen
Dr. Claudia Schlembach
Leiterin