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Schutz der Habitate entlang des asiatisch-pazifischen und zentralasiatischen Flugwegs
Vögel kennen keine Grenzen

Autor: Dr. habil Bernhard Seliger
, Felix Glenk

Was früher der Todesstreifen war, zieht sich heute als „Grünes Band“ durch Deutschland. Diese Erfahrungen nutzen wir auf der Koreanischen Halbinsel, wo sich im streng gesicherten Grenzbereich zwischen Nord und Süd ein Rückzugsgebiet für viele bedrohte Arten entwickelt hat. Besonders für Zugvögel ist der Ort überlebenswichtig.

Das Spektakel des Vogelzugs hat schon immer die Menschen bewegt. In allen Kulturen finden sich Lieder dazu, Tänze und Bilder. Dort, wo Grenzen besonders undurchlässig sind, wird oft auf die Vögel verwiesen, die sie einfach überfliegen können. Eine solche Grenze ist die Demilitarisierte Zone (DMZ) zwischen Nordkorea und Südkorea. Seit 1953, dem Ende des Koreakriegs, stehen sich hier unversöhnlich der verarmte, kommunistische Norden und das prosperierende, marktwirtschaftlich orientierte und demokratische Südkorea gegenüber. In der Demilitarisierten Zone an der streng gesicherten Grenze, konnte sich ein einmaliger Rückzugsraum für viele Tierarten entwickeln. Menschen betreten das Gebiet kaum.

Genau dort hat die Hanns-Seidel-Stiftung 2005 ein Naturschutzprojekt gestartet, getragen von den Erfahrungen, die wir entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze mit dem  „Grünen Band“ gemacht haben.   

Zwei Kraniche mit langen Hälsen und langen, dünnen Beinen, stacksen über ein herbstliches, trockenes Feld.

Der majestätische Mandschurenkranich (Grus japonicus) ist ein Symbolvogel der koreanischen Halbinsel und Ziel umfassender Schutzbemühungen. Die Bestände des gefährdeten Vogels steigen langsam, aber die fortschreitende Zerstörung von Habitaten in China und Korea bleibt ein Problem.

Bernhard Seliger; ©HSS

Unwahrscheinliche Partnerschaften

Die Landkreise im Süden der geteilten Koreanischen Halbinsel hatten großes Interesse an den deutschen Erfahrungen – so sind auch mit Hilfe der Hanns-Seidel-Stiftung Partnerschaften entstanden, etwa zwischen den Landkreisen Hof und Yeoncheon sowie Bayreuth und Goseong. Der koreanische Symbolvogel, der die Teilung des Landes symbolisiert, ist der Mandschurische Kranich, Grus japonica. Dieser majestätische Vogel galt in Korea seit jeher als Zeichen für Langlebigkeit und Treue – er lebt monogam.

Die rasche wirtschaftliche Entwicklung Südkoreas führte dazu, dass die Lebensräume dieses Vogels, von dem nur noch etwa 2500 Exemplare in freier Wildbahn leben, immer stärker eingeschränkt wurden. Die Vögel wichen auf die Demilitarisierte Zone (DMZ) aus. Dort gibt es kleine Flüsse und Gewässer, in denen sie nachts sicher schlafen können. Tagsüber ziehen sie in den Süden, wo in der sogenannten „Zivilen Kontrollzone“, die der DMZ vorgeschaltet ist, noch viel traditioneller Reisanbau stattfindet.

Lebensräume schrumpfen

Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung in Nordkorea mit dem Süden nicht vergleichbar ist, so wurden dennoch durch Änderungen der traditionellen Reiswirtschaft frühere Lebensräume der Kraniche zerstört. In einem Modellprojekt der Internationalen Kranichstiftung wurde zusammen mit der Hanns-Seidel-Stiftung organischer Landbau und integrierte Landwirtschaft mit weiteren Schutzmaßnahmen verbunden. In der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft im Dorf Pisan-Ri können die Vögel ihre traditionellen Rastplätze bereits wieder nutzen.

Störche schnappen im Schlamm nach kleinen Fischen und Insekten

Schwarzgesichtslöffler Platalea minor bei Paju an der innerkoreanischen Grenze. Der Erhalt dieser Art, die fast nur auf der koreanischen Halbinsel und in China vorkommt, ist ein Erfolgsbeispiel für die Umweltkooperation in Nordostasien. Vor 20 Jahren wurde nur etwa 1500 Vögel gezählt, nun zählt der Bestand über 7000.

Bernhard Seliger; ©HSS

Diese Rastplätze sind deswegen so wichtig, weil die Kraniche hier Energie tanken können für die langen Flugstrecken, etwa vom Norden Russlands bis nach Südchina oder eben Südkorea. Fehlen diese, dann werden weniger Vögel den anstrengenden Vogelzug überleben. Die Sensibilisierung der nordkoreanischen Landwirte fand teilweise in der Landwirtschaftsschule der Hanns-Seidel-Stiftung Pingdu in China statt. Diese Kooperation wurde leider 2015 durch nordkoreanische Behörden beendet.

Im selben Jahr wurde jedoch ein ehrgeiziges Programm vereinbart, an dessen Ende die Mitgliedschaft Nordkoreas in der „Ramsar-Konvention“ (zum Schutz international bedeutender Feuchtbiotope) und der „East Asian Australasian Flyway Partnership“ (EAAFP) stehen sollte.

Die EAAFP bringt seit 2007 Staaten und internationale NGO zusammen, die den asiatisch-pazifischen Flugweg der Zugvögel schützen wollen. Dazu gehört der Schutz der Überwinterungsgebiete, der Brutgebiete und der Rastplätze. Leider ist der asiatisch-pazifische Flugweg besonders gefährdet: fast alle Vögel benutzen die Strecke über das Gelbe Meer, wo Südkorea und der chinesische Osten bereits sehr stark entwickelt sind. Südkorea hat zum Beispiel in fünfzig Jahren 75 Prozent seiner Wattenmeergebiete durch Eindeichungen verloren.

Die Aufnahme Nordkoreas in die EAAFP 2018, in der auch die HSS seit 2017 Mitglied ist, machte es möglich, gemeinsam einen besseren Schutz vieler Vögel zu erreichen. Vorher waren aber viele Vorbereitungen notwendig gewesen: ein neues Wetland Inventory listet die 54 wichtigsten Feuchtbiotope des Landes und ihre Besonderheiten auf. Unzählige Trainings und Surveys wurden durchgeführt.

Im Feld: Bernhard Seliger hält eine HSS-Flagge vor der Brust; eine Gruppe Naturschützer mit Kameras und anderen Aufnahmegeräten umgibt ihn.

Zu der Arbeit der Hanns-Seidel-Stiftung in Nordkorea gehören auch Surveys, bei denen internationale Experten wie Dr. Nial Moores von Birds Korea nordkoreanische Ornithologen und Beamte des Umweltministeriums trainieren, wie hier 2018 an der Ostküste. Ein Resultat der Surveys war das neue „Wetland Inventory“ der wichtigsten Feuchtbiotope Nordkoreas.

Bernhard Seliger; ©HSS

Wichtige Erfolge

Doch das war erst der Anfang. Später kamen Begegnungen mit Südkoreanern und internationale Aktivitäten dazu. Das ist der politische Grund für die Kooperation. Für die Nordkoreaner war es zu Beginn schwer, Vogelschützer zu akzeptieren, die mit Ferngläsern, guten Kameras und Teleskopen ins Land kamen; eigentlich strikt regulierte Gegenstände. Als Sanktionen wegen des nordkoreanischen Atomprogramms andere zivile Kontakte immer mehr einschränkten, blieben die Umweltaktivitäten möglich. So können junge Diplomaten und Beamte Nordkoreas die friedliche Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft erleben, was sonst praktisch nicht möglich ist. Damit ist auch ein Anreiz für weitere Kooperationen gegeben.

So arbeiten Südkorea, China und zum Teil auch Nordkorea seit 2016 gemeinsam am Schutz der Wattenmeere zwischen China und der koreanischen Halbinsel. China und Südkorea haben bereits Teile ihrer noch bestehenden Wattflächen als Welterbe bei der UNESCO angemeldet. Nordkorea, das noch aktiv Eindeichungen betreibt, tat sich schwerer damit, bereitet aber jetzt die Anmeldung eines der wichtigsten Gebiete, Mundok, als Welterbe vor. Dies ist nicht zuletzt durch die aktive Kooperation mit der Hanns-Seidel-Stiftung möglich geworden. Mundok, das auch ein Ramsar-Schutzgebiet von internationaler Bedeutung und ein Netzwerkgebiet in des „East Asian-Australasian Flyway Partnership” (EAAFP) ist, war auch Schauplatz des ersten Schwanengansfestivals 2019. Zusammen mit dem das Umweltministerium Nordkoreas hatte die Hanns-Seidel-Stiftung nationale und internationale Akteure im Bereich der Biodiversität eingeladen. 

Seliger lächelnd

Prof. Dr. Bernhard Seliger ist Repräsentant der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) in Korea seit 2002.

©HSS

Seit 2003 hat Prof. Bernhard Seliger das Programm der HSS in Nordkorea aufgebaut, u.a. mit Kooperationen im Bereich Wirtschaftswandel, Clean Development Mechanism und organischer Landbau. Derzeit kooperiert die HSS mit dem Umweltministerium Nordkoreas in den Bereichen nachhaltige Forstwirtschaft und Biodiversität. Prof. Seliger ist Honorarprofessor an der Westsächsischen Hochschule für angewandte Wissenschaften im Bereich Volkswirtschaftslehre. Er ist Ehrenbürger von Seoul und der Gangwon-Provinz in Südkorea.

Herr Glenck blickt seriös.

Felix Jonathan Glenk ist seit 2021 Repräsentant der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) in der Mongolei.

©HSS

Vor seinem Einsatz in der Mongolei war Felix Glenk sieben Jahre lang für die Nordkorea-Arbeit der HSS in Seoul zuständig und war von dort aus an der Umweltarbeit in Nordkorea eng beteiligt. Herr Glenk hat einen Master der Seoul National Universität im Bereich Öffentliche Verwaltung und einen BA von der Hochschule für Öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg.

Ein Schwarm Vögel sitzt auf befestigten Grenzanlagen und fliegt frei herum.

Gänse fliegen über die Südseite der innerkoreanischen Grenze – für sie ist der Han-Fluss, der im Westen der koreanischen Halbinsel Süd- und Nordkorea trennt, kein Hindernis. Für Menschen ist er fast unüberwindbar.

Bernhard Seliger; ©HSS

Seit 2022 betreibt die Hanns-Seidel-Stiftung ein weltweites Klima- und Umweltprojekt aus der BMZ-Sonderinitiative Klima, bei dem es vor allem um die Bildung globaler Netzwerke im Umweltbereich geht. In diesem Rahmen knüpfen wir in Nordostasien Partnerschafen für den zentralasiatischen Flugweg. Seit 20 Jahren ist hierüber in der Region diskutiert worden. Da aber viele der Staaten Zentralasiens weder Zeit noch Geld für den Aufbau einer solchen Partnerschaft hatten, blieb es bei Gedankenspielen. Nun gibt es einen neuen Anlauf.

Die HSS hat als Brückenbauer schon mehrfach größere Veranstaltungen organisiert, um den zentralasiatischen Flugweg zu stärken, zuletzt in der Mongolei. 2024 soll der formale Beschluss zur „Zentralasiatischen Flugwegpartnerschaft“ gefasst werden.

Die Hanns-Seidel-Stiftung wird dann dabei sein, um ihre Erfahrungen in der Bildung starker Netzwerke zum Schutz der Biodiversität in der Region einzubringen.

Es mag auf den ersten Blick vermessen erscheinen, mit einem Land wie Nordkorea im Bereich des Umweltschutzes zu kooperieren. Aber nur so kann der Wert friedlicher Kooperation demonstriert werden, solange hierzu überhaupt noch eine Chance besteht. Und dies ist auch der einzige Weg für Nordkoreaner, internationale Kontakte im Inland oder Ausland zu erleben und sich selber ein Bild von anderen Ländern zu machen. Das wieder ist, wie die früheren Erfahrungen aus Mittel- und Osteuropa, Russland und auch China gezeigt haben, der beste Ansatz, auf eine Öffnung des Landes hinzuwirken.

Kontakt

: Dr. Susanne Luther
Leiterin
Institut für Internationale Zusammenarbeit
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