Um die damit verbundenen komplexen Fragen zu erörtern, traf sich der Bayerische Familienrechtstag dieses Jahr zum vierten Mal, auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung, in Kloster Banz. Die interdisziplinäre Fachtagung zum Thema „Umgang“, welche mit dem Bayerischen Familienrechtstag e.V., dem Münchner Runden Tisch Trennung und Scheidung und dem Deutschen Familiengerichtstag e.V. durchgeführt wurde, stieß mit über 140 Teilnehmern erneut auf beachtliche Resonanz und bot ein wertvolles Forum zum Austausch und der Erarbeitung neuer Erkenntnisse. Es ist der Hanns-Seidel-Stiftung ein Anliegen, im Rahmen ihrer politischen Bildungsarbeit ein Menschenbild zu vermitteln, zu dem die freie Entfaltung der Persönlichkeit und ihre Eigenverantwortung ebenso gehören wie die soziale Verantwortung, Solidarität und Gerechtigkeit.
Das Thema Umgang ist wie viele Felder des Familienrechts eine komplexe Interaktion aus Recht und Psychologie. Wie können verfassungsrechtliche Vorgaben so umgesetzt werden, dass sie gleichzeitig dem Kindeswohl dienen, aber auch die Bedürfnisse der Eltern nicht außer Acht lassen? Umgang bedeutet einerseits das Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen, andererseits aber auch das Recht beider Elternteile auf Umgang mit dem Kind. Hier gilt es einen Ausgleich zu schaffen, der oft selbst in intakten Verhältnissen schwer zu erreichen ist. Kommen zwischenmenschliche Verletzungen und monetäre Belange hinzu, gestaltet sich ein solcher Ausgleich oft als Griff nach den Sternen.
Leslie Trüstedt, Regierungsdirektorin im Bayerischen Justizministerium und zuständig für die Belange des Familienrechts, überbrachte die Grüße des Bayerischen Justizministers Professor Winfried Bausback. Sie informierte die Teilnehmer darüber, welche Themen rechtspolitischer Art derzeit auf dem Gebiet des Familienrechts im Vordergrund stehen. Dazu gehört beispielsweise das Recht der sog. Scheinväter, die Verhinderung bzw. der Umgang mit Kinderehen von Flüchtlingen, die Evaluierung der FGG-Reform sowie die Vormundschaftsreform. Auch eines der zentralen Themen der Tagung, nämlich die Frage nach der Notwendigkeit der Aufnahme des sog. Wechselmodells in unser Familienrecht, beschäftigt die Bayerische Justiz.
Im Anschluss führte Dr. Heinz Kindler in seinem Vortrag Einzelheiten zur Kindeswohlgefährdung aus. Von der Gefährdung des Kindes zur Kindeswohlgefährdung ist der Weg oft kurz. Unter Kindeswohl ist das gesamte Wohlergehen sowie die gesunde Entwicklung des Kindes zu verstehen. Ist das Kindeswohl gefährdet, dient diese Gefährdung dem Gericht als Maßstab für eventuelle Eingriffe in das Erziehungsrecht. Kindler wertete die Beschleunigungsrüge gem. §155 b des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) an, deren Einführung in Kindschaftssachen vom Rechtsausschuss des Bundestages vorgeschlagen wurde, als einen entscheidenden Fortschritt in Sachen Kindeswohlgefährdung. Des Weiteren gab er zu bedenken, dass sich Unsicherheiten und die Art des Umgangs der Erwachsenen mit dem Kind immer auf dieses auswirken und somit zu Schädigungen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen können.
Kern der Tagung waren fünf Workshops, die dem interdisziplinären Teilnehmerfeld in Kleingruppen die Möglichkeit gab, das Thema Umgang unter diversen Aspekten zu beleuchten und Lösungsansätze zu erarbeiten:
Die Sinnhaftigkeit, Stolpersteine und Grenzen der Einigung als normatives Leitziel thematisierte Dr. Thomas Meysen, Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht, in seinem Vortrag. Darin rückte er zunächst in den Fokus, wie oft das „Hinwirken auf Einigung“ im FamFG normiert ist. In Gewaltschutz- und Kindschaftssachen soll der Richter unmittelbar auf eine Einigung hinwirken, beim Mitwirken anderer Beteiligter wie Verfahrensbeiständen, Sachverständigen und Beratungsstellen, das Hinwirken auf diese übertragen. Doch was steht dahinter? Die Einigung soll zwischen den Eltern zum Wohle des Kindes erzielt werden. Gerade diese Konstellation weist jedoch in jedem Einzelfall eine enorme Komplexität in sich selbst auf. So muss zunächst einmal eine Unterscheidung zwischen der Paar- und der Elternebene statt finden.
Selbstverständlich sollten Konflikte zwischen den Eltern nicht auf die Regelung des Umgangs mit dem Kind übertragen werden. Doch ist das realistisch?
Maysen sieht hier auf Richter- und Beratungsseite großes Potenzial gegenüber den Eltern. Gleichzeitig jedoch auch die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Umsetzung aufgrund fester Strukturen und Erwartungsdruck sei nicht immer leicht. Er fordert zu hoher Reflexionsbereitschaft auf beiden Seiten auf. Was gibt es für Alternativen, wenn das übliche Hinwirken auf Einvernehmen scheitert? Den Eltern als Ausgangspunkt Verfahren vorgeben, kann oft helfen. Ein bestimmtes: „Können wir uns darauf einigen!“ ist die Chance, gewisse Leitlinien für den Umgang selbst zu gestalten.
Das Feedback auf diesen vierten Familienrechtstag fiel wieder sehr positiv aus. Die Fachtagung förderte den konstruktiven Meinungsaustausch und die Erzielung von Handlungsanstößen sowie das soziale Miteinander am lauen Abend im Rahmen eines Auftritts der Family Court Band.
Weitere Hinweise zur Fachtagung und Thematik: