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Geostrategische Schwerpunkte der russischen Außenpolitik
Teil V: Das russisch-chinesische Verhältnis

Russland ist wieder ein Faktor der internationalen Politik. Oft ist aber nicht deutlich, welche Ziele man im Kreml verfolgt. Das erklärt hier unser Russland-Experte Jan Dresel Punkt für Punkt: von der Ukraine bis zum Verhältnis zur NATO und zu China.

Russland hat seit dem vermeintlichen „Ende der Geschichte“ nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder globale politische Relevanz gewonnen. In Moskau leitet Jan Dresel seit 2016 das Auslandsbüro der Hanns-Seidel-Stiftung. Er sieht fünf Themen im Zentrum der aktuellen russischen Außenpolitik: Der Krieg in der Ostukraine auf der einen und das Verhältnis zur EU und der NATO auf der anderen Seite, die russische Rolle in Syrien sowie die Beziehungen zu China. In einem Vortrag vor Experten für internationale Politik und Medienvertretern in München erklärte er, wie diese fünf Themen zusammenhängen. Wir präsentieren Ihnen hier den kompletten Vortrag.

 

Jan Dresel, Russlandexperte und Leiter des HSS-Auslandsbüros in Moskau.

Jan Dresel, Russlandexperte und Leiter des HSS-Auslandsbüros in Moskau.

Jan Dresel leitet seit Ende 2016 das Auslandsbüro Moskau der Hanns-Seidel-Stiftung. Davor war er 13 Jahre Jahre lang für privatwirtschaftliche Unternehmen insbesondere auf den europäischen Märkten und in Russland tätig. Neben anderen Führungsaufgaben in Vertrieb und Marketing war er dafür verantwortlich, weltweite Netze von Handelsvertretern und Distributoren aufzubauen und Vertragsverhandlungen mit Kunden und Lieferanten erfolgreich abzuschließen. Nach zehn Jahren in Italien traf er 2014 die Entscheidung, seine umfassende internationale Erfahrung in Moskau zu nutzen, wo er von Anfang 2015 bis Ende 2016 das German Desk einer russischen Wirtschaftskanzlei leitete. Als Vertreter der Hanns-Seidel-Stiftung in der Russischen Föderation setzt er heute alles daran, einer weiteren Entfremdung zwischen Deutschland und Russland entgegenzuwirken und trotz der schwierigen politischen Lage hochrangige Politiker, Wissenschaftler und Nachwuchskräfte aus beiden Ländern miteinander ins Gespräch zu bringen.

Russland und China unterscheiden sich zwar in vielen Punkten, doch ihre tendenziell anti-westliche Haltung eint sie. Dies könnte zukünftig eine Bedrohung darstellen.

Russland und China unterscheiden sich zwar in vielen Punkten, doch ihre tendenziell anti-westliche Haltung eint sie. Dies könnte zukünftig eine Bedrohung darstellen.

Das Verhältnis von Russland und China

In den ersten Jahren nach der Krim-Annexion durch Russland und dem Ausbruch des bewaffneten Konflitks in der Ostukraine schien eines klar: Die russische Führung wollte die Handelsausfälle mit den EU-Staaten und den USA infolge der westlichen Sanktionen und der russischen Gegensanktionen durch mehr Handel mit China ausgleichen. Schon bald zeigte sich allerdings, dass die Chinesen von den Investitionsbedingungen in Russland nicht gerade begeistert waren. Der Handel zwischen den beiden Ländern wuchs nicht so stark, wie von russischer Seite erhofft; zahlreiche westliche Beobachter sprachen bereits von einem Scheitern der russischen Pläne. Was viele zu diesem Zeitpunkt weniger auf dem Schirm hatten oder zumindest nicht besonders ernst nahmen: Die russisch-chinesische Annäherung zielte von Beginn an nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch auf effektive Zusammenarbeit in militärischen und geopolitischen Fragen ab.

Dabei konnten beide Partner in ein Vakuum stoßen, das spätestens seit dem Amtsantritt der tendenziell isolationistischen Trump-Administration offensichtlich geworden war: Die USA waren nicht mehr bei jedem Regionalkonflikt fern ihrer eigenen Grenzen bereit, die Rolle des Weltpolizisten zu spielen. Dies eröffnete anderen Akteuren neue Möglichkeiten. Etwa der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), die neben wirtschaftlichen auch dezidiert geo- und sicherheitspolitische Ziele verfolgt. Russland und China nutzen diese Organisation, um dem aus ihrer Sicht zu starken Einfluss der Vereinigten Staaten in Zentralasien etwas entgegenzusetzen. Nachdem Indien und Pakistan 2017 der SOZ beitraten, ist die Organisation inzwischen die weltweit größte Regionalorganisation und vertritt etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung.

Die geopolitischen Ambitionen der SOZ zeigten sich schon wenige Jahre nach der Gründung durch regelmäßige gemeinsame Manöver. Die Organisation bezeichnet sie gerne als „Anti-Terror-Übungen“. Was allerdings weit darüber hinausging, war die russisch-chinesische Zusammenarbeit im Rahmen des russischen Großmanövers „Vostok 2018“ vor zwei Jahren. Nach russischen Angaben nahmen fast 300.000 Soldaten daran teil, von denen China etwa 3000 beisteuerte. Allein die Tatsache, dass die chinesischen Streitkräfte außerdem etwa 900 Panzer und andere Militärfahrzeuge sowie 30 Flugzeuge und Hubschrauber nach Russland schickten, zeigt die Bedeutung von „Vostok 2018“ für die militärische Zusammenarbeit beider Länder. Diese Zahlen sowie die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der gemeinsamen Manöver deuten auf eine mehrdimensionale militärische Zusammenarbeit hin.

Welche konkreten Schlüsse sollte nun der Westen aus all dem ziehen? Einerseits nicht in Panik zu verfallen. Zu einem formellen Militärbündnis zwischen Russland und China wird es in absehbarer Zeit nicht kommen, da das Konzept der nationalen Souveränität in beiden Ländern einen hohen Stellenwert hat. Dennoch sprechen manche russische China-Experten inzwischen von einer losen „Entente“ beider Länder. Gleichzeitig weisen immer wieder Vertreter aus Russland und China auch öffentlich auf problematische Aspekte der bilateralen Beziehungen hin und betonen, dass beide Völker lernen müssten, einander besser zu verstehen. Der Brückenschlag zwischen diesen beiden so unterschiedlichen wie eigenständigen Nationen ist eine Herausforderung. Jedoch sollten die westlichen Länder die Annäherung Russlands und Chinas durchaus ernst nehmen. Denn die gemeinsamen Aktivitäten vor allem auf militärischem Gebiet und im Bereich der Außenpolitik könnten sich eines Tages auch gegen den Westen richten. Gleichzeitig ist es notwendig, den direkten Gesprächsfaden mit beiden Ländern nicht abreißen zu lassen, um zu verhindern, dass sie sich noch weiter von der westlichen Welt entfremden.

Fazit für die Arbeit der Hanns-Seidel-Stiftung in Russland

Es ist derzeit sehr herausfordernd, für eine deutsche politische Stiftung in Russland zu arbeiten. Umso wichtiger ist es, dass die Hanns-Seidel-Stiftung - soweit möglich und angebracht - auch bei außenpolitischen Themen Akzente setzt.

Moskau ist eine sehr dynamische Stadt, Russland ist ein großes und bedeutendes Land im Osten Europas. In den letzten drei Jahren haben wir begonnen, noch nachhaltiger in den russischen Regionen zu arbeiten. Wir bringen heute mehr russische Delegationen nach Deutschland und Europa als je zuvor im Laufe unserer fast dreißigjährigen Tätigkeit in Russland. Wir haben erfolgreich neue Formate erprobt und arbeiten weiter daran, unsere Arbeit in Russland noch vielfältiger und effektiver zu machen.

Es ist für mich eine große Freude, die Hanns-Seidel-Stiftung in der Russischen Föderation zu repräsentieren und ich bin, gemeinsam mit unserem Team in Moskau, bereit für die nächsten Herausforderungen.

 

Autor: Jan Dresel, Leiter des Büros in Moskau

Jan Dresel, Regionalprojekt Frieden und Demokratie in Osteuropa
Jan Dresel
Projektleiter
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