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Spannungsfeld Bundeswehr

Das Aufgabenspektrum der Bundeswehr wird immer komplexer. Neben neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen rückt der Einsatz der Bundeswehr im Inneren zunehmend in den Vordergrund der öffentlichen Debatte. Um die derzeitigen und künftigen Perspektiven für die Bundeswehr zu erörtern, lud die Hanns-Seidel-Stiftung zur Expertentagung.

Ralf Roloff

Ralf Roloff

Am 25. Februar 2016 widmete sich ein Expertenkreis bestehend aus Prof. Dr. Ralf Roloff, Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan, Bundesdisziplinaranwältin Sylvia Spies, Brigadegeneral Helmut Dotzler und Prof. Dr. Peter Schmidt dem Spannungsfeld aus neuen Anforderungen, rechtlichen Rahmenbedingungen und beschränkten Ressourcen, dem sich die Bundeswehr gegenwärtig ausgesetzt sieht.

Daniel-Erasmus Khan

Daniel-Erasmus Khan

Angesichts der Multidimensionalität der globalen Sicherheitsordnung, die sich in neuen Formen der Kriegsführung, dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Staats- und Souveränitätsverständnisse sowie gesellschaftlicher Radikalisierungstendenzen manifestiert, wurde das Prinzip der „Führung aus der Mitte“ als vielversprechende Handlungsdirektive für Deutschland herausgestellt. Dieses Konzept bestehe daraus, wie Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2015 anführte, dass sich Deutschland „in der Mitte der transatlantischen und europäischen Politik“ befinde und „selbst das Beste an Ressourcen und Fähigkeiten in die Bündnisse und Partnerschaften“ einbringen solle. Dieser neue Kurs soll im für das Jahr 2016 angekündigten Weißbuch konkretisiert werden. 

Sylvia Spies

Sylvia Spies

Von wesentlicher Bedeutung werde darüber hinaus eine „Wiederbelebung“ der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sein, deren Aktionspotential derzeit allerdings erheblich durch die Position Russlands eingeschränkt ist. Die kontinuierliche Etablierung des vernetzten Sicherheitsbegriffs, der die oberste Maßgabe der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik darstellt, sei hierbei von besonderer Bedeutung. Das Konzept der vernetzten Sicherheit gründet auf multilateraler und bereichsübergreifender Koordination, Zusammenarbeit der Institutionen und gesamtstaatlicher Sicherheitsvorsorge. 

In Bezug auf die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr angesichts abnehmender Truppenstärke und eines breiteren Aufgabenspektrums waren sich die Experten weitestgehend einig. Die Sorge, dass aufgrund dessen die Kernkompetenzen der Bundeswehr nicht mehr wahrgenommen werden könnten, sei trotz des medialen Fokus auf etwaige Ausrüstungsmängel derzeit noch unbegründet.

Ralf Roloff

Ralf Roloff

Neben den aktuellen sicherheitspolitischen Bedingungen, die mitunter eine Erweiterung der Kompetenzen des Militärs sowie eine Weiterentwicklung der Kampfmittel und -methoden erfordern, definieren rechtliche Statuten das Handlungsspektrum der Bundeswehr im Inneren und Äußeren. Als oberste rechtliche Maxime gilt in jedem zwischenstaatlichen Krieg das humanitäre Völkerrecht, das die gewaltfreie und friedliche Beilegung von Konflikten zum Ziel hat und durch die rechtliche Einfassung des Krieges die „Antithese zum Totalen Krieg“ darstelle, wie einer der Experten hervorhob. 

Im Wesentlichen besteht der Auftrag der Bundeswehr nach wie vor in der Landesverteidigung, wobei seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 ein bewaffneter Auslandseinsatz nach konstitutiver Zustimmung des Bundestags auch im Rahmen eines sog. Systems der kollektiven Sicherheit wie UNO oder NATO erfolgen kann. Ebenso wie der Einsatz im Äußeren ist ein innerer Einsatz der Bundeswehr streng festgelegten Regularien unterworfen. Das Grundgesetz sieht drei Fälle vor, in denen ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren gerechtfertigt werden kann: die Katastrophenhilfe (Art. 35 Abs. 2, Satz 2, Abs. 3 GG), der Innere Notstand (Art. 87 a IV GG), der im Falle einer Gefährdung für die demokratische Grundordnung beziehungsweise den Bestand der Bundesrepublik Deutschland vorliegt, sowie die Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG). Die Amtshilfe, die eine unterstützende Übernahme der Tätigkeit einer Behörde durch eine andere Behörde darstellt, ist im Grundgesetz eindeutig vorgesehen und bildet somit die gegenwärtige Handlungsgrundlage der Bundeswehr in der Flüchtlingskrise. Während die subsidiären Hilfeleistungen der Bundeswehr im Inneren von der Öffentlichkeit weitgehend positiv beurteilt werden, stoßen die Auslandseinsätze bisweilen auf harsche Kritik. Paradox erscheine in diesem Zusammenhang jedoch, dass ein Einsatz im Inneren juristisch sehr diffizil ist, während die Rechtsgrundlage für einen Einsatz im Äußeren vergleichsweise eindeutig definiert ist. 

Die Tagung hat die Bundeswehr, ihre Herausforderungen und Perspektiven im Licht der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Konstellation differenzierend analysiert und eine Stoßrichtung für die künftige Entwicklung der Bundeswehr vorgegeben. Die Vielfalt der in der Diskussion vertretenen Standpunkte hat gezeigt, dass im Feld der Verteidigungspolitik Theorie und Praxis bisweilen in gewissem Maße divergieren. Trotz oder gerade wegen der Unterschiedlichkeit der Blickwinkel konnten in Rahmen der Tagung neue Ansätze in der Bewertung aktueller sicherheitspolitischer Fragestellungen zusammengebracht werden. 

Außen- und Sicherheitspolitik
Andrea Rotter, M.A.
Leiterin
Extern
Dr. Sarah Schmid
Leiterin