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Jugenddialog mit Christian Schmidt, Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina
„Seid unbequem und stellt Fragen“

In Teslic, einer Kleinstadt in der „Entität Republika Srpska“ in Bosnien-Herzegowina, haben sich am 29. März 2023 junge Aktivistinnen und Aktivisten aus dem ganzen Land getroffen, um Erfahrungen zu teilen und mit Christian Schmidt zu diskutieren, dem stv. Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung und Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina.

„Raise your voice and participate!“ – Unter diesem Motto haben sich junge Aktivistinnen und Aktivisten aus der Region getroffen, um ihre Erfahrungen, Probleme und Positivbeispiele miteinander zu teilen. Außerdem stand Christian Schmidt für ihre Fragen zur Verfügung.

 

 

Ein Handy auf den Knien eines Menschen

Abstimmen während der Veranstaltung in Echtzeit mit der App "Sli.do"

©HSS

Während der Veranstaltung wurde über das Umfragetool sli.do in Echtzeit ein Ranking der größten Herausforderungen des Landes von den Teilnehmern erstellt. Dabei wurde deutlich, wie wenig Vertrauen junge Erwachsene in Bosnien-Herzegowina in politische Institutionen und in die gewählten Politiker haben. Für 90 Prozent der Anwesenden ist Korruption das größte Problem im Land und zwar nicht nur in Institutionen und Politik, sondern auch in der Gesellschaft. Eine zweite große Herausforderung seien die komplexen Beziehungen der verschiedenen ethno-religiösen Volksgruppen innerhalb Bosnien-Herzegowinas. Das sagten 50 Prozent der Teilnehmer. 35 Prozent hielten zudem die komplizierte Bürokratie und Gesetzgebung für problematisch.

Jugend fühlt sich nicht gehört

Generell fühlen sich die jungen Erwachsenen im Land deutlich unterrepräsentiert und häufig in ihrer Arbeit nicht ernst genommen und gehört. Es gebe zwar gute Jugendgesetze, die z.B. die Einrichtung von Youth Councils garantieren, aber deren Implementierung erfordere eine bessere Betreuung, damit etwa Fördergelder auch wirklich bei den Organisationen ankommen, so der Tenor der anwesenden Diskutanten.

Christian Schmidt sitzt in einem Kreis junger Menschn und lächelt freundlich.

Junge Leute in Bosnien-Herzegowina fühlen sich oft nicht gehört oder ernst genommen.Die Aufgabe für Christian Schmidt bei dem Jugenddialog war also: Zuhören und ernst nehmen, was gesagt wird.

©HSS

Große Sorgen wurden von Teilnehmern aus der Entität Republika Srpska (RS) geäußert, wo in den vergangenen Wochen ein Gesetzesentwurf beschlossen wurde, nach dem sich mit ausländischen Mitteln finanzierte Organisationen als ausländische Agenten registrieren müssen, was mit Einschränkung ihrer Arbeit einhergehen würde. Als ebenfalls problematisch wurde ein Gesetz genannt, das bereits im Parlament der Entität RS debattiert wurde. Es soll öffentliche Verleumdung unter Strafe stellen und scheint bewusst so vage formuliert zu sein, dass praktisch alles darunter fallen kann. Insgesamt stehen die Vorzeichen für die Arbeit von NGOs in der Entität RS nicht gut und die Sorge, dass ihre Unabhängigkeit sehr weit eingeschränkt werden könnte, ist groß.

Auch der Zugang von zivilgesellschaftlichen Organisationen zu Schulen wurde als Herausforderung gewertet. Faktisch würden an Schulen in der Entität RS so gut wie keine Projekte mit ausländischen NGOs mehr zugelassen, auch dann nicht, wenn das zuständige Ministerium sie bereits bewilligt haben. Dies mache es fast unmöglich, Kinder und Jugendliche zu erreichen und in der politischen Bildung, bei gesellschaftlicher Teilhabe und im volksgruppenübergreifenden Dialog positive Impulse zu geben.

 

Christian Schmidt steht inmitten einer großen Gruppe junger Menschen und lächelt in die Kamera.

Fazit des Jugenddialogs: Kinder und Jugendliche gesellschaftlich und politisch einbinden, ein Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber der örtlichen Gemeinschaft fördern, Spannungen zwischen ethno-religiösen Gruppen abbauen.

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Kinder und Jugendliche früh gesellschaftlich einbinden

Als Strategie für die Arbeit in der Republika Srpska und in geteilten Gemeinden erarbeiteten die Teilnehmer folgende Lösungsvorschläge:

  • Kinder und Jugendliche für niedrigschwellige Aktivitäten gewinnen, z.B. in städtischen Gärten oder zur Ertüchtigung von Spielplätzen.
  • Spaß und Freude sollen als Basis für die Schaffung von vertrauensvollen Verbindungen unter den Jugendlichen dienen und es sollen dezidiert nicht gleich am Anfang die „schweren“ Themen im Vordergrund stehen.
  • Die Eltern in diese niedrigschwelligen Aktivitäten integrieren und damit vorhandene Ressentiments zw. ethno-religiösen Volksgruppen abbauen.
  • Ein Bewusstsein für Verantwortung gegenüber der örtlichen Gemeinschaften schaffen und gleichzeitig niedrigschwellige Angebote und Aktivitäten schaffen.
  • Außerhalb von Schulen mit volksgruppenübergreifendem Dialog beginnen.

Der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, zeigte sich beeindruckt vom Engagement der jungen Erwachsenen und ermutigte sie: „Seid unbequem und hört nicht auf, Fragen zu stellen!“

 

Autorin: Ulrike Ecker, HSS, Sarajevo, Bosnien-Herzegowina

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