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Satire darf nicht alles! Was Tucholsky noch nicht wusste

Der „Fall Jan Böhmermann“ stand im Mittelpunkt eines Abendseminars zur Medienethik am 14. Juli 2016 im Konferenzzentrum München. Naturgemäß stand an diesem Abend die ethische Seite und nicht die rechtliche im Vordergrund.

Artur Kolbe eröffnete die Veranstaltung

Artur Kolbe eröffnete die Veranstaltung

Das Podium des Seminars bildeten Artur Kolbe von der Hanns-Seidel-Stiftung, der Journalist Thomas Kießling vom Bayerischen Rundfunk und der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Gerald Mann von der Fachschule für Ökonomie und Management (FOM). Freiheiten und Grenzen von Satire war das Thema an diesem 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, auch im Gedenken an den Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris, als Beispiel diente die "Causa Böhmermann".  

Einig waren sich die überaus interessierten Zuhörer, dass Jan Böhmermann zwar „unter der Gürtellinie“ gearbeitet habe, in einem freiheitlichen Rechtsstaat solle aber niemand Zensur oder gar Strafe befürchten müssen, wenn er sich an gewisse Grundregeln halte.

Thomas Kießling, Gerald Mann (Mitte) vor Böhmermann-Clips

Thomas Kießling, Gerald Mann (Mitte) vor Böhmermann-Clips

Einig waren sich die überaus interessierten Zuhörer, dass Jan Böhmermann zwar „unter der Gürtellinie“ gearbeitet habe, in einem freiheitlichen Rechtsstaat solle aber niemand Zensur oder gar Strafe befürchten müssen, wenn er sich an gewisse Grundregeln halte.

Ein gebannt lauschendes Publikum verlängerte die Diskussion um 45 Minuten

Ein gebannt lauschendes Publikum verlängerte die Diskussion um 45 Minuten

„Satire“, in der Eröffnung von Artur Kolbe hergeleitet von lateinisch "satura", sinngemäß eine „mit verschiedensten Früchten gefüllten Schale“, zeige schon vom Wortsinn, dass „nicht allen alles schmeckt.“ Jedoch betonte Gerald Mann gleich zu Beginn die unterschiedlichen Aspekte des Falles: Das politische Thema, die kulturell-moralische Dimension und die rechtliche Seite. Daher erläuterte der Professor für Volkswirtschaft den Vorwurf des Strafbestands der „Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts“ im Falle von Böhmermanns Schmähgedicht.

Hat Jan Böhmermann nun Grenzen überschritten oder nicht? Ja, meinten die einen („Er hätte an die Implikationen denken müssen! Das darf man ihm schon unterstellen!“), nein, die anderen, denn er wollte in erster Linie den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik klar machen. Journalist Thomas Kießling räumte ein, dass durch die politischen Auswirkungen der Böhmermann-Satire seine Berufskollegen und Satiriker künftig wohl vorsichtiger agieren werden, denn Böhmermann habe „wohl die die (politische) Wirkung seines Gedichts nicht ausreichend bedacht.“

In der Diskussion wurde ein weiteres bedeutendes ethisches Problem herausgearbeitet: Das Einkommen von ZDF Mitarbeiter Jan Böhmermann wird durch den in Deutschland für alle Haushalte verpflichtenden Rundfunkbeitrag (früher GEZ-Beitrag) gezahlt, auch wenn der individuelle Beitragszahler unter Umständen dessen „Kunst als menschenverachtend ablehnt.“ Letztlich drohe bei Verweigerung des Rundfunkbeitrags im äußersten Fall sogar eine Freiheitsstrafe. Darf ein freiheitlich–demokratischer Rechtsstaat seine Bürger in einen solchen Gewissenskonflikt treiben? Am Ende des Abends blieb diese Frage offen.

Gerald Mann: Plädoyer für den Rechtsstaat

Gerald Mann: Plädoyer für den Rechtsstaat

„Satire“, in der Eröffnung von Artur Kolbe hergeleitet von lateinisch "satura", sinngemäß eine „mit verschiedensten Früchten gefüllten Schale“, zeige schon vom Wortsinn, dass „nicht allen alles schmeckt.“ Jedoch betonte Gerald Mann gleich zu Beginn die unterschiedlichen Aspekte des Falles: Das politische Thema, die kulturell-moralische Dimension und die rechtliche Seite. Daher erläuterte der Professor für Volkswirtschaft den Vorwurf des Strafbestands der „Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts“ im Falle von Böhmermanns Schmähgedicht.

Bei dieser so genannten „Majestätsbeleidigung“ sei die angedrohte Strafe wesentlich höher als bei einer „normalen Beleidigung.“ Somit, folgerte Mann, sei „Satire nicht nur eine Geschmacksfrage", was auch die Teilnehmer in ihren Wortmeldungen bestätigten. Der Großteil der Teilnehmer war zudem der Ansicht, dass, im Gegensatz zu Tucholskys Diktum, Satire eben nicht alles darf; denn es gelte, die Menschenwürde zu schützen; werde sie „durch die Satire verletzt,“ sei die zulässige Freiheit dieser Kunstform überschritten.