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Interview
Robenlose Richter: Die Schöffen in Bayern

Autor: Susanne Hornberger

Die Gerichte suchen derzeit in den bayerischen Gemeinden Laien- oder Schöffenrichter für die nächste Amtsperiode von 2019 bis 2023. Wir haben mit einer echten Schöffin, Daniela Bahnmüller, über ihr Schöffenamt gesprochen. Sie ist Laienrichterin am Landgericht München II und hat schon Urteile z. B. über Gewaltdelikte, Drogensachen oder Betrugsfälle mit gefällt. Rund 4.500 Schöffen wie Daniela Bahnmüller gibt es in Bayern.

Die Gerichte suchen derzeit in den bayerischen Gemeinden Laien- oder Schöffenrichter für die nächste Amtsperiode von 2019 bis 2023. Wir haben mit einer echten Schöffin, Daniela Bahnmüller, über ihr Schöffenamt gesprochen. Sie ist Laienrichterin am Landgericht München II und hat schon Urteile z. B. über Gewaltdelikte, Drogensachen, Betrugsfälle mit Recht gesprochen. Rund 4.500 Schöffen wie Daniela Bahnmüller gibt es in Bayern.

Bild einer Frau mit großen, dunklen Augen und freundlichem Lächeln mit ausgeprägten, netten Lachfalten.

Daniela Bahnmüller ist Schöffin am Landgericht München II.

HSS: Sehr geehrte Frau Bahnmüller, gerade werden für die nächste Amtsperiode von 2019 bis 2023 wieder Schöffenrichter gesucht. Sie sind seit 2014 Schöffin. Was sind eigentlich die Aufgaben einer solchen Schöffin?

Daniela Bahnmüller: In meinen Worten: Ein Schöffe bringt neben den juristischen Kenntnissen des Berufsrichters die objektive und unvoreingenommene Sicht eines "normalen" Bürgers, seine Lebenserfahrung in ein Urteil ein.


HSS:
Also gesunden Menschenverstand zusätzlich zum oft behaupteten komplizierten Denken der ausgebildeten Juristen?

So könnte man das sagen – wobei sich natürlich juristische Staatsexamen und gesunder Menschenverstand gegenseitig nicht ausschließen. Im Gegenteil. HSS: Dürfen Schöffen rechtsgültige Urteile sprechen? Die Schöffen sprechen zusammen mit dem hauptamtlichen Richter das Urteil. Dabei hat jeder das gleiche Stimmrecht.


HSS:
Dann könnten zwei Schöffen den Berufsrichter überstimmen?

Grundsätzlich ist das möglich. Praktisch kommt das aber selten vor. Denn die Berufsrichter arbeiten sehr exakt und lassen auch Umstände und Persönliches bei den Urteilen nicht außer Betracht.


HSS:
Welche Erfahrungen verbinden Sie mit dem Schöffenamt?

Am Anfang war sicher viel Neugier dabei. Aber es steckt schon sehr viel Verantwortung drin. Mit einem Urteil greift man schließlich in das Leben von Menschen ein - positiv, wie auch negativ. Dieser Verantwortung muss man sich stellen. Manchmal denke ich schon darüber nach, was aus einzelnen "Fällen" wohl geworden ist.  


HSS:
Wie bereitet man sich auf die Verfahren vor? Wie läuft die Tätigkeit ab?

Wenn man eine Ladung zu einer Verhandlung bekommt, weiß man noch nicht, um was für ein Delikt es sich handeln wird. Erst aus dem Aushang vor dem Sitzungssaal erfährt man, worum es gehen wird. Dies kann ein Betrugsdelikt oder eine schwere Körperverletzung sein. Eine viertel Stunde vor dem Termin werden die Schöffen vom Richter kurz über die Sachlage informiert. Man bekommt vorher keine Unterlagen und geht dadurch unbefangen in die Verhandlung. Während der Sitzung bekommt auch der Schöffe die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dies wird aber ehrlich gesagt nur selten genutzt. Am Ende zieht sich das Gericht zur Beratung zurück und jede Meinung wird gehört, einbezogen und abgewogen. Der Berufsrichter achtet natürlich darauf, dass die rechtlichen Vorgaben und Möglichkeiten eingehalten werden. Wenn das Urteil bekannt gegeben wird und Angeklagte, Staatsanwälte, Verteidiger noch nichts von dem Ergebnis wissen, ist eine besondere Stimmung im Gerichtssaal und man kann schon in den Gesichtern die Reaktionen ablesen - Erleichterung, Bestürzung, Unverständnis... Vor der ersten "Amtspflicht" bekommt man eine Führung durch eine Justizvollzugsanstalt und wird vereidigt.  


HSS:
Ihr Fazit?

Es ist schon sehr interessant und spannend, hinter die Kulissen unserer Rechtsprechung blicken zu dürfen, aber wie gesagt, geht das mit einer großen Verantwortung einher. Denn man darf nicht vergessen: Es geht immer um das Schicksal von Menschen! Die Bedeutung, Recht über einen Menschen zu sprechen, ist sehr groß. Über Straftaten an Kindern musste ich zum Glück noch nicht richten, als Mutter von zwei Kindern würde mir Derartiges sehr nahegehen.


HSS:
Wie wird man zum Schöffen? Kann jede Person dieses Amt ausführen?

In München kann man sich für das Schöffenamt bewerben und wird dann ausgewählt - oder eben nicht. Es gibt Hauptschöffen und Hilfsschöffen. Wenn es nicht genug Bewerber gibt, werden Schöffen aus dem Einwohnermelderegister berufen. Nur unter bestimmten wenigen Voraussetzungen darf das Amt abgelehnt werden. Berufen werden können Deutsche zwischen 25 und 70 Jahren, die gute Deutschkenntnisse mitbringen und gesundheitlich geeignet sind.  HSS: Wie lange hat man sein Amt inne? Darf man nur einmal und dann ist Schluss? Eine Amtsperiode dauert fünf Jahre. Und man kann wiedergewählt werden.


HSS:
Gibt es für das Ehrenamt ein Bewerbungs- und Auswahlverfahren?

Ja, dieses läuft gerade für die nächste Amtsperiode von 2019 bis 2023.


HSS:
Kann man vom Arbeitgeber freigestellt werden bei Verhandlungen während der Arbeitszeit?

Der Arbeitgeber ist zur Freistellung sogar verpflichtet. Eine Verhinderung aus beruflichen Gründen wird nicht anerkannt und kann den Arbeitgeber sogar sehr teuer kommen


HSS:
Bekommt man als Schöffe eine Erstattung für seine aufgewendete Zeit? (z.B. Fahrtzeit und - kosten, Erstattung bei Dienstausfall)

Ja, man bekommt eine Entschädigung für Verdienstausfall und Fahrtkosten. HSS: Was tun, wenn man wegen einer Einladung zum Verhandlungstermin nicht nachkommen kann bzw. möchte? Das gestaltet sich nicht so einfach. Es muss einen wichtigen Grund geben, um sich von einer Verhandlung freistellen zu lassen. Sollte man unentschuldigt fehlen oder zu spät kommen, kann ein Ordnungsgeld verhängt werden - in Höhe von bis zu 1.000.000 Euro!!!


HSS:
Frau Bahnmüller, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Wer jetzt Interesse hat: Als Schöffe kann man sich im Rathaus der Heimatgemeinde bewerben. Vor allem auf dem Land werden oft dringend Schöffen gesucht. Mehr Informationen zum Thema gibt es hier: 

Schöffen; Aufstellung einer Vorschlagsliste

und hier:

justiz.bayern.de/service/schoeffen

Leiterin Onlineredaktion/Internet

Susanne Hornberger