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Peru im Bann von Korruption
Präsident Kuczynski tritt ab

Autor: Philipp Fleischhauer

Seitdem der Skandal um den brasilianischen Bauriesen Odebrecht aufgedeckt wurde, kommt Peru nicht mehr zur Ruhe. Im Unterschied zu anderen Ländern der Region muss man der Justiz des Landes jedoch zugestehen, dass sie bis jetzt nicht untätig war und es wagt, auch bis in die obersten Etagen des Landes zu ermitteln.

So sitzt momentan ein Ex-Präsident (Ollanta Humala) in Untersuchungshaft, ein anderer befindet sich auf der Flucht (Alejandro Toledo) und gegen einen weiteren (Alan Garcia) wird ermittelt. Das Bauunternehmen Odebrecht soll Schmiergelder an Politiker gezahlt haben, um lukrative Aufträge zu erhalten. Der Skandal hat inzwischen alle Sphären des Landes von Politik, Wirtschaft bis hin zur Justiz erreicht. 

Mann mit lichten Haar, mittleren Alters mit Krawatte und Anzug bekleidet lächelt offen in die Kamera.

Pedro Pablo Kuczynski gehört zum wirtschaftsliberalen Lager und war vor seiner politischen Laufbahn bei diversen internationalen Firmen aktiv.

Jhopramo; CC BY-SA 3.0 ; Wikimedia Commons

Kuczynskis Stationen in Politik und Wirtschaft

Im Hinblick auf den Präsidenten Kuczynski, bestand zumindest eine kleine Hoffnung, er behalte eine weiße Weste. Schließlich ist er auf dem politischen und wirtschaftlichen Parkett sehr erfahren:

  • er machte Karriere als Investmentbanker in den USA,
  • er war Vorstandsmitglied zahlreicher Unternehmen,
  • er arbeitete bei der peruanischen Zentralbank,
  • er war Minister für Energie und Bergbau unter der Präsidentschaft Fernando Belaundes,
  • er war Wirtschafts- und Finanzminister unter Alejandro Toledo,
  • er war 2005 und 2006 Premierminister Perus. 

In die Amtszeit von Toledo fallen einige Korruptionsvorwürfe um Odebrecht. 

Bis Ende letzten Jahres konnte sich PPK, so nennt ihn seine Partei Peruanos por el Kambio, im Hinblick auf jegliche persönliche Verwicklung in die Fälle erfolgreich freisprechen. 

Rohbau eines Hochhauses von unten gesehen mit eine Kran im Hintergrund.

Der Odebrecht-Konzern mit Hauptsitz in Brasilien ist nicht nur in der Baubranche tätig, sondern auch in Bereichen wie Transport, Logistik, Bauwirtschaft, Chemie und Energie.

LO-DESIGN; CC0; pixabay

Odebrecht behauptet, Gelder an Firmen Kuczynskis gezahlt zu haben

Durch Informationen, die Odebrecht selbst zur Verfügung stellte, wurde bekannt, dass Kuczynskis Firma Westfield Capital sowie die ihm nahestehende Firma First Capital zwischen 2004 und 2014 – also auch in der Zeit als Kuczynski das Amt des Wirtschafts  und Premierministers bekleidete, angeblich einen Millionenbetrag von Odebrecht erhalten hätten.

Im selben Zeitraum und in einer rekordverdächtigen Vergabezeit wurde Odebrecht, zusammen mit anderen Firmen, mit dem Bau der Autobahn Interoceanica Sur beauftragt.

Nachdem diese scheinbar direkte Verwicklung des Präsidenten öffentlich wurde, leitete der Kongress, angeführt von den Oppositionsparteien, Ende letzten Jahres ein Amtsenthebungsverfahren ein.

Erstes Amtsenthebungsverfahren scheitert

Der Antrag verfehlte bei der Abstimmung nur knapp die Mehrheit. Einige Abweichler bei „Fuerza Popular“ unter der Führung des Sohnes des Ex-Präsidenten, Kenji Fujimori, stimmten dagegen. Das Amtsenthebungsverfahren scheiterte.

Als Gegenleistung für diesen „Gefallen“, so wird vermutet, habe Kuczynski die Begnadigung des bis dahin inhaftierten Ex-Präsidenten unterzeichnen müssen, was dieser vehement bestritt. Dies führte zu spontanen Protesten, sowohl in der Bevölkerung, als auch bei Organisationen der Zivilgesellschaft und verschiedenen Politikern. Rücktritte von Ministern, Austritte von Abgeordneten aus der Regierungspartei und eine Klage vor oder von der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) waren die Folge.

Im Nachgang zu der Abstimmung spalteten sich Kenji Fujimori sowie die anderen Abweichler von der Partei Fuerza Popular (FP) ab und bildeten einen neuen Block im Parlament. Dadurch verlor die FP die absolute Mehrheit.

Neue Vorwürfe werden erhoben, ein zweites Amtsenthebungsverfahren droht

Im Februar 2018 wurde außerdem bekannt, dass Odebrecht angeblich auch die Wahlkampagne von PPK unterstützt habe. Obwohl zu diesem Zeitpunkt Kuczynski das Wasser schon bis zum Hals stand, beharrte er darauf, dass er auf keinen Fall zurücktreten und bis zum Ende seiner Amtszeit Präsident sein werde.

Vor der schier erdrückenden Last der Vorwürfe und weil diverse Oppositionsparteien Kuczynski die Begnadigung Fujimoris bis jetzt nicht verziehen haben, wurde Mitte März ein zweites Amtsenthebungsverfahren angestrebt.

Unter der Führung der linksgerichteten Blöcke Frente Amplio und Nuevo Peru sowie den Parteien Fuerza Popular, Alianza para el Progreso und Teilen der Alianza Popular Revolucionaria Americana (APRA) wurde ein entsprechender Antrag beim Parlament eingereicht. Mit 87 Stimmen befürworteten 2/3 der Parlamentarier die Annahme des Antrags, für den lediglich 51 Stimmen notwendig gewesen wären. Bei der endgültigen Abstimmung über die Absetzung wären ebenfalls 87 Stimmen notwendig. 

Fast alle Mitglieder der Regierungspartei kritisierten scharf den neuen Amtsenthebungsprozess. Nur der erste Vizepräsident Martin Vizcarra, bis zu Kuczynskis Rücktritt noch Botschafter in Kanada, hielt sich mit Aussagen zurück, woraufhin ihm diverse Parteifreunde Verrat vorwarfen.

In den folgenden Tagen sollte Kuczynski zudem vor dem Untersuchungsausschuss des Kongresses zu den neuen Vorwürfen Stellung nehmen. Bei dem ersten Amtsenthebungsverfahren negierte er noch persönliche Verwicklungen in den Odebrechtskandal, was die aktuellen Enthüllungen jedoch zu widerlegen scheinen.

Das Fass zum Überlaufen brachte dann die Veröffentlichung von Videos und Tonbandaufnahmen durch Fuerza Popular, in denen angeblich ein Minister, Anhänger PPKs sowie Kenji Fujimori Abgeordneten für Stimmen gegen die Amtsenthebung Bauprojekte sowie zusätzliche Gelder anbieten.

Diese Taktik erinnert an eine in Peru bekannte Vorgehensweise aus der Vergangenheit. Die als „Vladivideos“ in die Geschichte eingegangenen Praktiken zum Stimmenkauf unter der Präsidentschaft Fujimoris, ähneln den jetzt veröffentlichten Videos kurioserweise sehr. Damals bot der Geheimdienstchef unter Fujimori Vladimiro Montesinos Geld für Stimmen an, was auf verschiedenen Videos festgehalten wurde. Das Bekanntwerden dieser Videos läutete damals das Ende der Präsidentschaft Fujimoris ein.

Nach der Veröffentlichung der aktuellen Videos forderten Vertreter unterschiedlicher Parteien den sofortigen Rücktritt des Präsidenten. 

Kuczynski erklärt den Rücktritt

In einer offiziellen Mitteilung an die Nation verkündete der Präsident am Nachmittag des 21. März seinen Rücktritt. In seiner Botschaft sprach Kuczynski jedoch vornehmlich über die Attacken und Blockaden der Opposition, welche ihm ein geordnetes und gutes Regieren unmöglich gemacht hätten. Die Meldung wurde von vielen Seiten kritisiert, da PPK lediglich versuche, sich als Opfer darzustellen und weder Fehler zugebe noch sich beim peruanischen Volk offiziell entschuldigte. 

Weißes staatstragendes Gebäude mit peruanischer Flagge vor blauem Himmel.

Sollten in naher Zukunft Vizcarra und die zweite Vizepräsidentin Mercedes Araoz zurücktreten, würde automatisch der aktuelle Präsident des Kongresses Luis Galarreta aus der größten Oppositionspartei Fuerza Popular das Amt übernehmen. Seine Aufgabe wäre es, Neuwahlen für den Kongress und das Präsidentenamt auszurufen.

Das schwere Erbe des neuen Präsidenten Martin Vizcarra

Das Amt des Präsidenten übernimmt nun der bisherige Vizepräsident Martin Vizcarra. Dieser kam um kurz nach Mitternacht am Freitag den 23. März aus Kanada in Lima an und wurde noch am selben Tag offiziell vereidigt. In seiner ersten Rede vor dem Kongress zeigte er bereits die neuen Linien seiner zukünftigen Politik auf. Dabei sollen vor allem der Kampf gegen die Korruption, Transparenz, Bildung, Gesundheit, Arbeit und Bürgersicherheit im Vordergrund stehen. Zudem machte er deutlich, dass er mit einem komplett neuen Kabinett arbeiten werde.

Der Amtseinführung vorausgegangen war eine hitzige Debatte im Kongress über die Art und Weise der Annahme des Rücktritts des Präsidenten und der damit verbundenen offiziellen Resolution. Die Mehrheit der Abgeordneten wollte den Rücktritt PPKs zwar akzeptieren, aber nicht mit der Begründung, die er abgegeben hatte. Erst am Freitagvormittag konnte die Resolution mit 105 Ja-Stimmen offiziell verabschiedet werden.

Das Erbe, welches Vizcarra nun antreten wird, ist für ihn alles andere als leicht:

Die Regierungspartei verfügt nur noch über 15 der 130 Sitze.
Legislative, Judikative und Exekutive stehen in der Gunst des Volkes ganz unten und das Land wird fast täglich von neuen Korruptionsskandalen erschüttert.

Die Bildung einer neuen stabilen Regierung, der die Bürger vertrauen, ist in dieser Lage eine fast unmögliche Aufgabe. 

Kontakt

Projektleiter: Philipp Fleischhauer
Projektleiter:  Philipp Fleischhauer