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Interview mit Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer
Polizeiarbeit in Bayern und Westkap

Autor: Hanns Bühler

Bayern und Südafrika stärken gemeinsam die Polizeiaus- und Fortbildung. Jetzt reiste der Bayerische Landespolizeipräsident zu einer Sicherheitskonferenz in die Partnerprovinz Westkap. Wir haben ihn für Sie befragt.

Mann in Polizeiuniform, lächelnd

Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer ist seit 1. Juli 2013 Bayerischer Landespolizeipräsident. Zuvor leitete er zehn Jahre lang das Polizeipräsidium München. Er ist Professor für Polizei- und Sicherheitsrecht an der Universität Regensburg

Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

Für Südafrika ist das Thema Sicherheit von großer Bedeutung. 57 Morde am Tag und Gewalt gegen Frauen und Kinder sind entscheidende Hemmnisse für wirtschaftliche und soziale Entwicklung.

Die Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt daher die Zusammenarbeit zwischen bayerischer, südafrikanischer Polizei und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. Dabei steht vor allem das Thema Gewaltprävention und Polizeiaus- und Fortbildung im Zentrum der entwicklungspolitischen Arbeit. Der Bayerische Landespolizeipräsident Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer hielt sich auf Einladung der Partnerprovinz Westkap in dieser Woche in Südafrika auf. Er nahm an einer von der Provinzregierung ausgerichteten Sicherheitskonferenz teil. Daneben stand der Austausch mit der südafrikanischen Polizei im Fokus der Auslandsreise.

Am Rande des Besuchs befragte unser Kollege vor Ort, Hanns Bühler, Prof. Schmidbauer über Ziele der Reise und gewonnene Eindrücke. 

HSS: Herr Landespolizeipräsident, Sie sind in Südafrika, um an einer internationalen Sicherheitskonferenz teilzunehmen. Warum engagiert sich die Bayerische Polizei im Ausland? 

Schmidbauer: Eine der wesentlichen Herausforderungen unserer Zeit ist die Globalisierung und die mit ihr einhergehenden zunehmenden regionalen, nationalen und internationalen Verflechtungen aller Bereiche unseres Lebens. Die Bayerische Staatsregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dieser Herausforderung durch entwicklungspolitisches Engagement zu begegnen und insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern zur Verbesserung der Lebensbedingungen aktiv mitzugestalten. Dazu gehört selbstverständlich die Auseinandersetzung mit Rolle und Funktion der Polizei als Garant der Sicherheit und verlässlicher Partner der Zivilgesellschaft in einem demokratischen Rechtsstaat. Insbesondere aber auch Kriminalität macht vor Ländergrenzen nicht halt. Deshalb müssen wir uns mit den Polizeien anderer Staaten vernetzen, Wege für eine effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit fortentwickeln, einen schnellen und unmittelbaren Informationsaustausch sichern und von den gegenseitigen polizeilichen Erfahrungen lernen. Dies ist fester Bestandteil der bayerischen Sicherheitsstrategie. Bayern verbindet eine langjährige Partnerschaft mit der Provinz Westkap und Südafrika. Die Einladung als Sprecher bei einer Sicherheitskonferenz des Landes aufzutreten und die bayerischen Erfahrungen im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Polizei und anderen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren darzulegen, habe ich daher sehr gerne angenommen.


HSS: Mit der HSS verbindet die Bayerische Polizei eine jahrzehntelange Partnerschaft. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit und wie hat sich diese über die Jahre verändert?

Die Zusammenarbeit mit der Hanns-Seidel-Stiftung ist über Jahre gewachsen und hat sich zu einem stabilen und vertrauensvollen Bündnis entwickelt. Die Stiftung eröffnet der Bayerischen Polizei durch Ihre Arbeit vor Ort Zugänge zu den wesentlichen Entscheidungsträgern und hilft dabei mit, Beziehungen nachhaltig zu erhalten und fortzuentwickeln. Dabei haben wir gemeinsam die Zusammenarbeit in den letzten Jahren insbesondere in den bayerischen Partnerregionen Karnataka (Indien) und Westkap (Südafrika) stetig ausgebaut und können jetzt bereits nach kurzer Zeit von den neuen Kontakten profitieren. Natürlich wollen wir mit unserer Expertise auch zu einer demokratischen und rechtsstaatlich verankerten Polizeiarbeit in den Partnerländer beitragen.


HSS: Die Hanns-Seidel-Stiftung fördert in über 50 Ländern dieser Erde vor allem rechtsstaatliche und demokratische Strukturen. Wie passt dies mit dem Thema Polizei zusammen?
 

Polizeiliches Handeln ist regelmäßig sichtbarer Ausdruck und Gradmesser des demokratischen Entwicklungsstandes eines Staatswesens. Genauso können Demokratisierungsprozesse durch Entwicklung polizeilicher Ansätze, wenn Sie so wollen quasi von der Basis her, angestoßen werden. Wir setzen hierbei vor allem auf eine Zusammenarbeit im Bereich der Aus- und Fortbildung von Polizeikräften sowie beim Recruitment. Ziel ist die feste Implementierung demokratischer Grundsätze in die Ausbildungskonzepte unserer Partner und dadurch die Bildung eines starken rechtsstaatlichen Bewusstsein bei den Polizeibeamten von morgen. Polizeiliche Aufbauarbeit passt also nicht nur hervorragend zu den Stiftungszielen der HSS, sondern ist unverzichtbar für eine nachhaltige Förderung und Stabilisierung rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen. Ohne Sicherheit kann es keine Entwicklung geben und ohne Sicherheit kann auch keine Demokratie auf Dauer bestehen. 


HSS: Von welchen Erfahrungen und best-practice Beispielen der Bayerischen Polizei können die Partnerländer lernen?
 

Sicher können bayerische polizeiliche Konzepte und Modelle nicht ohne Weiteres eins zu eins auf ein Partnerland übertragen werden. Genauso wenig ist eine unreflektierte Übernahme von außen Ziel unseres Engagements. Der weltweite Austausch zwischen Polizeibehörden ermöglicht jedoch einen Blick über den Tellerrand, der neue Impulse setzt, bei der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Organisation Hilfestellung leistet und Ideen hervorbringt, die auch für die Bayerische Polizei enormes Innovationspotential bieten. Ebenso lässt sich der Fokus auf Themen lenken, die aus dem eigenen Alltagsgeschäft heraus zunächst nicht als dringlich identifiziert werden, bei denen jedoch auch ein gewisses Optimierungspotential vorhanden ist. Die südafrikanische Polizei möchte zukünftig einen deutlichen Schwerpunkt auf die Erforschung und Systematisierung klassischen Täterhandelns (sog. Modus Operandi) legen. Dies auch vor dem Hintergrund der aus unserer Sicht enorm hohen Gewaltkriminalität. Strategisches Fernziel ist dabei eine internationale Datenbank zum Austausch dieser Handlungsmuster. Auf großes Interesse in den Partnerländern stößt meist unsere tiefe Verankerung in der bayerischen Gesellschaft. Das hohe Vertrauen, das wir genießen und das in direktem Zusammenhang mit den hohen Aufklärungsquoten steht, bringt uns meist zu den o.g. Themen der Aus- und Fortbildung und der Kriminalitätsanalyse. Erlauben Sie mir diese Feststellung, dass wir in diesen Feldern besonders gut sind. 


HSS: In vielen unserer Projektländer werden die Sicherheitsbehörden von der Bevölkerung als Gefahr - manchmal sogar für Leib und Leben - wahrgenommen. Gerade dann scheint jedoch die Beratung der Sicherheitsbehörden wichtig, um zu einem Umdenken beizutragen. Unter welchen Umständen ist ihrer Meinung nach eine Zusammenarbeit ausgeschlossen?
 

Die Polizei als Träger des staatlichen Gewaltmonopols hat in demokratischen Systemen eine ganz besondere Verantwortung gegenüber der eigenen Bevölkerung. Sie muss ihr Handeln, insbesondere wenn es mit dem Eingriff in elementare Grundrechte verbunden ist, streng nach den Prinzipien des Rechtsstaates und der Verhältnismäßigkeit ausrichten. In Staaten mit autokratischen oder gar diktatorischen Regimen, in denen die Polizei bloßer Ausdruck staatlicher Macht und Willkür ist, fehlt regelmäßig eine gemeinsame Basis für eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Eine Kooperation mit derartigen Ländern ist selbstverständlich ausgeschlossen. Gleichwohl müssen wir aus strategischen Erwägungen in Einzelfällen mit Staaten, die unseren gesellschaftlichen Ansprüchen nicht genügen, in einem Dialog bleiben, um eigene Sicherheitsinteressen nicht zu gefährden und die grundsätzlichen Ideen einer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung bekannt zu machen und zum Durchbruch zu verhelfen. Es bedarf einer stetigen Abwägung und eines Höchstmaßes an Sensibilität. Mir ist bewusst, dass die südafrikanische Polizei vor großen Herausforderungen steht - auch was das Thema Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei angeht. Wir können aus unseren eigenen Erfahrungen heraus einen Beitrag leisten, dass die Bedeutung von bürgernahen und präventiven Konzepten für eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung besser verstanden wird. 


HSS: Mit welchen Ergebnissen und Eindrücken kehren sie von Südafrika nach Bayern zurück?

Die aktuellen Diskussionen innerhalb der südafrikanischen Polizei sind teilweise gar nicht so unterschiedlich von den unseren. Die Herausforderungen, die sich beispielsweise aus dem Thema Cybercrime, aus transnationaler Kriminalität oder in Bezug auf die Aus- und Fortbildung von jungen Beamten ergeben, finden wir auch in Bayern wieder. Auf der anderen Seite ist der Kontext doch ein ganz anderer. Eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50%, fast 60 Morde am Tag und eine Gewaltbereitschaft, die sich auch aus der schrecklichen Apartheid-Diktatur erklärt, führen zu enormen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Hinzu kommt, dass ich noch nirgends auf der Welt eine größere Ungleichheit erlebt habe. Sie finden in direkter Nachbarschaft Townships und wirtschaftlich pulsierende Zentren. Nach Jahren der Abschottung und eines gewissen Stillstandes im Land scheint jedoch seit dem letzten Regierungswechsel Reformbereitschaft zu bestehen. Dies wurde mir in zahlreichen Gesprächen mit Vertretern der Regierung, Parlament und Zivilgesellschaft bestätigt. Mein Eindruck, was die zukünftige Zusammenarbeit angeht, ist daher äußerst positiv. Die Gewährleistung von Sicherheit wird für die zukünftige wirtschaftliche und soziale Entwicklung Südafrikas von entscheidender Bedeutung sein. Gemeinsam mit dem nationalen Polizeichef, Khehla Sitole, konnte ich daher vor allem drei Themen der zukünftigen Zusammenarbeit definieren: Aus- und Fortbildung, Gewaltprävention und Kriminalitätsanalyse. Alle drei Themen stehen in direktem Zusammenhang mit der Vermittlung unserer service- und bürgernahen Polizeiarbeit. Auf den zukünftigen Austausch mit den Kollegen aus Südafrika freue ich mich sehr. 


HSS: Herr Prof. Schmidbauer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Mehr Informationen über unsere Arbeit in Südafrika in unseren Factsheets

Südafrika
Hanns Bühler
Projektleiter