Print logo

Antworten auf ein verändertes Sicherheitsumfeld
Politische Maßnahmen

Brüssel hat auf die Anschläge auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebo“ im Januar 2015 entschlossen reagiert. Darüber, wie europäische Maßnahmen und nationale bzw. regionale ineinandergreifen, diskutierten am 24. Januar in Brüssel der bayerische Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback (MdL), Monika Hohlmeier (MdEP), Stephan Mayer (MdB) und der hochrangige EU-Beamte James Morrison.

Staatsminister Winfried Bausback, MdL

Staatsminister Winfried Bausback, MdL

Staatsminister Prof. Dr. Bausback unterstrich einleitend die große Bedeutung von Sicherheit für ein Leben in Freiheit. Diese Wahrnehmung sei nach dem Terroranschlag auf „Charlie Hebdo“ in der Öffentlichkeit stark angestiegen. Bayern habe entschlossen auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen reagiert und gehe gegen alle Formen von Extremismus vor. Als Beispiel nannte der bayerische Justizminister die Aufstockung des Personals und die Schaffung einer Zentralstelle zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus in München. Um der Radikalisierung von Häftlingen präventiv zu begegnen, bringe der Freistaat Bayern in Justizvollzugsanstalten Personal mit arabischen Sprachkenntnissen zum Einsatz. Solche Mitarbeiter könnten z.B. unterscheiden, ob arabische Beschriftungen an den Zellwänden eher harmlos oder doch klar extremistisch zu bewerten seien. Außerdem gelte es, so Prof. Dr. Bausback, die Entstehung von Parallelgesellschaften mit parallelen Justizsystemen zu verhindern. Priorität müsse daneben die Verbesserung des Europäischen Strafrechtsinformationssystem (ECRIS) haben – eine Datenbank über Straftäter und Gefährder, auf die alle EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen Zugriff haben.

Morrison: "Lücken in der Sicherheitsarchitektur geschlossen"

Morrison: "Lücken in der Sicherheitsarchitektur geschlossen"

HSS; HSS

"Die EU ist hier, um zu helfen"

 „Die EU ist hier um zu helfen“, sagte James Morrison zu Beginn seiner Ausführungen; Morrison leitet das Kabinett des EU-Kommissars für die Sicherheitsunion Sir Julian King. Mit mehreren Maßnahmen habe die EU bereits einige Lücken in der Sicherheitsarchitektur geschlossen. Als Beispiele nannte der Brite die Einrichtung neuer Spezialeinheiten und Dienste wie die Europäischen Grenz- und Küstenwache, das Europäische Zentrum zur Terrorismusbekämpfung bei Europol, das geplante europäische Ein- und Ausreiseregister sowie die Fluggastdatenbank (PNR). Alle Schritte hätten die Abstimmung und Vernetzung zwischen den verschiedenen Diensten der EU-Mitgliedstaaten spürbar verbessert, so Morrison. Gleichwohl bedürfe es weiterer Finanzmittel für Personal und Infrastruktur, um den Vorstellungen der Bevölkerung, die sich mehr europäische Kompetenzen im Sicherheitsbereich wünschten, gerecht zu werden. Dringenden Handlungsbedarf sah er bei der Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Hinblick auf Cyber-Sicherheit, dem Schutz von strategisch bedeutsamer Infrastruktur und sogenannten „weichen Zielen“. Auch die gezielte Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus und Radikalisierung, mit besonderem Augenmerk auf zurückgekehrte IS-Kämpfer, habe besondere Relevanz, so Morrison.

Stephan Mayer: "Europäische Sicherheitsarchitektur nur so stark, wie ihr schwächstes Glied"

Stephan Mayer: "Europäische Sicherheitsarchitektur nur so stark, wie ihr schwächstes Glied"

©FKPH; HSS; ©FKPH

Neue Sicherheitspolitik

Stephan Mayer, Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bestätigte ein Umdenken in sicherheitsbezogenen Fragen nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“. Mit dem Schengener Informationssystem (SIS) existiere zwar ein Gemeinschaftsinstrument für die Personen- und Sachfahndung, dieses sei jedoch nicht mit der europäischen Datenbank zur Speicherung von Fingerabdrücken (EURODAC) verknüpft. Auch gebe es keine verpflichtende oder systematische Übermittlung von Daten durch die Mitgliedstaaten. Die im vergangenen Jahr verübten Anschläge in Deutschland hätten diese Defizite schmerzhaft aufgedeckt. Als mögliche Gründe für die zögerliche Bereitschaft zur Mitarbeit von Mitgliedstaaten nannte Mayer vor allem unterschiedliche Ausprägungen der Bedrohungswahrnehmung. Die europäische Sicherheitsarchitektur könne jedoch nur so stark sein wie ihr schwächstes Glied. Mayer begrüßte daher die Initiativen der Europäischen Kommission, wünschte sich jedoch mehr Umsetzungs- und Kooperationsbereitschaft auf nationaler Ebene. Auch im Bundestag warteten zahlreiche Gesetzesentwürfe auf ihre Verabschiedung.  Monika Hohlmeier, Innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, sprach über den Paradigmenwandel im Bereich der Sicherheitspolitik. Vor nicht allzu langer Zeit hätten die Reisefreiheit und die Gleichstellung aller Bürger der Mitgliedstaaten bei Personenkontrollen an erster Stelle gestanden. Die Angst vor einer Einschränkung der Freiheit, selbst auf die Gefahr hin, dass Menschen diese Freiheit missbrauchten, habe zu viel Verzögerung geführt. Man habe in puncto Sicherheitsarchitektur 20 Jahre versäumt, Lücke seien entstanden, die nicht plötzlich geschlossen werden könnten. Heute habe im Sicherheitsbereich der Wille zur Kooperation unter den Mitgliedstaaten zugenommen, so Hohlmeier.

Monika Hohlmeier: "Wille zur Kooperation unter den Mitgliedstaaten hat zugenommen."

Monika Hohlmeier: "Wille zur Kooperation unter den Mitgliedstaaten hat zugenommen."

HSS; HSS

Wachsende Möglichkeiten terroristischer Netzwerke

Und trotzdem gebe es nach wie vor Handlungsbedarf. Die Sicherheitsexpertin lobte die aktuelle EU-Kommission, die erstmals Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten eingeleitet habe, weil diese europäische Maßnahmen im Sicherheitsbereich nicht in nationales Recht umgesetzt hätten. Die wachsenden Möglichkeiten internationaler terroristischer Netzwerke mache jedoch eine europaweite Intensivierung der Kooperation zwingend notwendig. Dies schließe auch die nationalen Geheimdienste ein. Hohlmeier wünschte sich eine größere Unabhängigkeit von anderen Staaten, wie auch von den US-Behörden. Um dieses Ziel zu erreichen, bedürfe es mehr eigene sicherheitstechnologische Infrastruktur.  Mit der Veranstaltung zum Thema „Antworten auf ein verändertes Sicherheitsumfeld“ startete die Konferenzserie „FORUM INNERE SICHERHEIT“ – ein Gemeinschaftsprojekt der Vertretung des Freistaates Bayern bei der EU, dem Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Verbindungsstelle Brüssel der Hanns-Seidel-Stiftung. Der öffentlichen Diskussion, die auf breiten Zuspruch der Brüsseler Öffentlichkeit stieß, ging ein Expertenfachgespräch zu Sicherheitsthemen voraus. Die Kooperationspartner trugen damit einem Thema von allergrößter Bedeutung Rechnung.

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter
Europäischer Dialog
Angela Ostlender
Programm Managerin