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HSS 4.0
Politische Bildung digital denken

Autor: Dr. Maximilian Rückert

Wie bleiben politische Stiftungen online sichtbar? Wie können komplexe Inhalte digital vermittelt werden? Wie brüllt man an gegen die emotionalen Misstöne digitaler Öffentlichkeit? Die Hanns-Seidel-Stiftung hat einen hausübergreifenden Think-Tank auf das Problem angesetzt.

„Wenn wir die Zukunft nicht heute vorausdenken, droht uns als politischer Stiftung ein gravierender Bedeutungsverlust, weil wir im medialen Einheitsbrei keine gewichtige Stimme mehr haben.“ Mit diesem aufrüttelnden Statement eröffnete Professor Ursula Männle, die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, einen neugeschaffenen Strategieworkshop, der in den kommenden Monaten die Frage beantworten soll, wie politische Bildung in Zukunft auch digital gedacht werden kann.

Nahaufnahme zweier Augen in denen sich die Bunten Markenlogos der großen Internetfirmen spiegeln.

Inhalte werden online tendenziell oberflächlich aufgenommen. Artikel werden meist nur kurz "gescannt". Online allgegenwärtig sind bunte, blinkende und reißerische Anzeigen oder Werbebanner. Das beeinflusst das Rezeptionsverhalten der Nutzer. Komplexe Zusammenhänge sind in diesem Umfeld schwer zu vermitteln.

geralt; CC0; Pixabay

Die Probleme sind bekannt: Heute haben Menschen trotz der digitalen Innovationen immer weniger Zeit sich tiefergehend mit Inhalten auseinander zu setzen und glauben trotzdem durch den flüchtigen Konsum von Schlagzeilen auf dem Smartphone bereits komplexe Zusammenhänge verstanden zu haben. Und das in Zeiten, die immer komplexere Probleme hervorbringen. Viel einfacher erscheint dann der verführerische Weg, gewieften Populisten und kruden Verschwörungstheoretikern Gehör und Glauben zu schenken.

Massenhaft Schlagworte laufen von rechts hinten nach links vorne durch das Bild: WEB, DATA, RATIO, etc.

Es geht um Aufmerksamkeit: Alles was Emotionen anspricht, Zuspitzungen, Übertreibungen oder Extreme bekommen online die meiste Aufmerksamkeit. Bedroht diese Dynamik unsere Demokratie?

geralt; CC0; Pixabay

Das Schlagwort heißt Aufmerksamkeitsökonomie

Emotionalisierende, gut gemachte Geschichten verkaufen sich besser als hyperkomplexe Hintergrundfakten im Fachjargon. Die Wahlen in den USA und in Deutschland haben es gezeigt, rechte und extreme Parteien haben das System der Aufmerksamkeitsökonomie am besten verstanden: Sichtbarkeit im Netz sorgt für vermeintliche Relevanz und führt damit zur manipulierten Deutungshoheit. Außerordentlich verstärkt werden kann die Sichtbarkeit im Netz dann noch durch automatisierte Wiederholungsalgorithmen (sogenannte Social Bots).

Wenn künftig noch hinzukommen sollte, dass politische Entscheider jedem Einzelnen in den Social-Media-Kanälen eine eigene, durch Algorithmen personalisierte Agenda versprechen und wenn der Kampf um Aufmerksamkeit zur Zuspitzung, Übertreibung und Extremen führt, dann ist tatsächlich der Kern unserer Demokratie bedroht und setzt politische Stiftungen egal welcher Couleur in Zugzwang. Dabei ringen alle Informationsvermittler gleichzeitig um die ohnehin begrenzt zur Verfügung stehende Ressource: die Aufmerksamkeit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Themenbild mit einzelnen Kacheln mit Symbolen (Schraubenziehen, Person, Zahnräder, etc.), die alle miteinander verbunden sind. Drückt Vernetztheit aus.

Das Ziel: Sichtbarkeit im Netz erhöhen, Relevanz steigern durch gleichbleibend hochwertige Informationen und ihre intelligente Vermittlung, Diskurshoheit erlangen

geralt; CC0; Pixabay

Digitalisierung als Chance

Politische Stiftungen haben den Anspruch und die Aufgabe sich in diesem Wettbewerb und im lauten Medienumfeld des Internets durchzusetzen und gehört zu werden. Ziel ist es, die Stimme für die Demokratie, für Frieden und Entwicklung lauter klingen zu lassen als das Gebrüll von Hetze und Fake News. Dazu muss auch die politische Bildungsarbeit die Digitalisierung als Chance begreifen:

  • Sichtbarkeit im Netz erhöhen

  • Relevanz steigern durch gleichbleibend hochwertige Informationen und ihre intelligente Vermittlung

  • Diskurshoheit erlangen

Viele Vertrauensdozenten, Altstipendiaten und Vertreter aus dem Club der Altstipendiaten (CdAS), aktive Stipendiaten, Gastdozenten und Mitarbeiter der Stiftung – sie alle arbeiten als breiter Querschnitt der ganzen Stiftungsfamilie als Ideenschmiede an einer zukunftsfähigen Digitalstrategie, ohne dabei analoge Angebote der Stiftungsarbeit zu ersetzen.

Denn in diesem Punkt waren sich die Arbeitsgruppen gleich zu Beginn einig: persönlicher Austausch und die guten Gespräche zwischen Referenten und Zuhörenden können durch digitale Formate genauso wenig ersetzt werden wie die realen, menschlichen Begegnungen im Kloster Banz, im Konferenzzentrum oder an anderen Veranstaltungsorten.

Themenbild eines Handys auf einer Tastatur. Auf dem Bildschirm steht: "Sozial"

Gegenbewegung der "Offliner": Sozialer Stress auf Social-Media-Plattformen kann ermüden. Viele vermeiden heute, ständig online zu sein.

geralt; CC0; Pixabay

Gegenbewegungen neue Entwicklungen

Professor Dr. Franco Rota von der Hochschule für Medien in Stuttgart, der als externer Digitalstrategieexperte geladen war, konkretisierte die Ängste und Gegentrends bei der fortschreitenden Digitalisierung: Viele vermeiden bereits heute ständig mit dem Internet verbunden sein zu wollen, sind vom sozialen Stress auf den Social-Media-Plattformen zunehmend ermüdet. Rota verwies aber zugleich auf die enormen Chancen von Content Marketing und Corporate Publishing für die Stiftung.

Dr. Sandra Niedermeier vom Bildungswerk der bayerischen Wirtschaft informierte über die umfangreichen Möglichkeiten verschiedener digitaler Bildungsangebote: Lernplattformen,Online-Seminare, als Einstieg in die digitale Bildungswelt, E-Tutoring und Quizze bis hin zu Augmented-Reality-Angeboten. In bunt gemischten Kleingruppen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lebhaft und konstruktiv, Studierende, Stiftungsmitarbeiter, Vertrauensdozenten, Digiatalstrategieexperten und Wissenschaftlern – alle auf einer Augenhöhe und mit einem Ziel.

Ergebnisse

Am Ende fanden sich die Pinnwände voll bunter Vorschläge wie zum Beispiel:

  • HSS-Cloud-Lösung für online Arbeits- und Unterrichtsmaterialien

  • Mobile-Reporting-Konzepte, zur Liveberichterstattung aus den Seminaren

  • hanns.de als neues Jugendportal

  • Videostreaming von Expertentalks

  • 360°Grad Bilder/Videos von den vielzähligen Auslandsprojekten der Stiftung

  • Nutzung von Collaboration-software, um gemeinsam an Thesenpapieren u.ä. arbeiten zu können

  • Neue Veranstaltungsformate wie Bar Camps und Wissenschafts-Slams

  • Videotagebücher von Auslandsmitarbeiterinnen und Mitarbeitern

Voll Tatendrang wird nun in den kommenden Monaten gemeinsam ein Strategiekonzept erarbeitet und in einem weiteren Workshop Mitte Juni über die konkrete Umsetzung beraten. Eine Strategie, wie politische Bildung in Zukunft auch digital gedacht werden kann, muss ein Gemeinschaftsprojekt der ganzen Stiftungsfamilie sein. Ein erfolgreicher Anfang ist gemacht, packen wir es an im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung!