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Innere Sicherheit
Politik für Deutschland und Europas große Aufgaben

Globale Krisen und wachsende Komplexität haben in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten die Gefühle von Verunsicherung, politischer Entfremdung und Überforderung verstärkt. Eine Expertenrunde mit MdB Stephan Mayer analysierte am 18. Juli 2016 in Brüssel die aktuelle politische Lage in Deutschland und Europa.

Udo Zolleis, Roland Freudenstein, Stephan Mayer und Markus Schulte

HSS

Eine Expertenrunde mit dem innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Stephan Mayer, MdB, Dr. Markus Schulte, Kabinettsmitglied von Kommissar Günther Oettinger, und Prof. Dr. Udo Zolleis, Honorarprofessor an der Universität Tübingen und Kabinettsmitglied des  EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber, analysierte am 18. Juli 2016 in der Baden-Württembergischen Landesvertretung in Brüssel die aktuelle politische Lage in Deutschland und Europa. Die Moderation übernahm Roland Freudenstein, Politikdirektor des EVP-Think Tanks Wilfried Martens Centre for European Studies. Wo steht Europa nach dem Brexit-Votum? Wieso ist die Kluft zwischen Bürgern und EU-Institutionen so groß? Wie positionieren wir uns inhaltlich und strategisch zu Protest- und Populismusbewegungen, und welche Strategien entwickeln wir im Hinblick auf die großen Themen der politischen Agenda? Dies waren  die Fragen, die im Rahmen der Veranstaltung vorrangig diskutiert wurden.

Stephan Mayer

HSS

In seiner Funktion als innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion umriss Stephan Mayer zunächst die aktuelle Agenda der deutschen Innenpolitik. Das EU-Türkei-Abkommen habe zur Eindämmung der Migrationsströme auf der Balkanroute beigetragen und sei besser als sein Ruf. Die Folgen von Migration und Integration wirkten sich jedoch bereits auf alle gesellschaftlichen Bereiche in Deutschland aus. Hierzu gehörten der Arbeits- und Wohnungsmarkt ebenso wie soziale Dienste und Einrichtungen. Aus den Fehlern der Vergangenheit müssten Konsequenzen gezogen werden. Daher sei mit dem Migrationsgesetz und dem Grundsatz „Fördern und Fordern“ auch die Erwartung verknüpft, dass das Integrationsangebot aktiv durch die Bewerber genutzt werde. Für Europa sei nun vor allem die Erweiterung der Kompetenzen der Grenzschutzagentur FRONTEX von Bedeutung, um einen umfassenden Schutz der EU-Außengrenzen und eine wirksame Kontrolle von Ein- und Ausreisen schnellstmöglich zu gewährleisten. Aber auch innerhalb der EU müssten klare Regeln, Grenzen und Ordnung herrschen, um unsere Freiheitsrechte und Werte zu schützen. Mayer sprach sich für eine Nivellierung der Dublin-Verordnung aus, damit Migrationslasten gerechter auf alle Mitgliedstaaten verteilt werden könnten.

Blick in die Expertenrunde

HSS

Vor dem Hintergrund der Wahlerfolge populistischer und anti-europäischer Parteien in vielen EU-Mitgliedstaaten und nicht zuletzt des Brexit-Votums appellierte Dr. Markus Schulte für eine stärkere Nähe der etablierten Politik zu den Wählern. Europa müsse den Bürgern besser erklärt werden. Schuldzuweisungen, sei es aus den Mitgliedstaaten in Richtung Brüssel oder umgekehrt, seien kontraproduktiv. Kritische Fragen dürften nicht ignoriert, sondern müssten mit überzeugenden Argumenten und zukunftsweisenden Strategien beantwortet werden. Die Bindung an den Nationalstaat sei in natürlicher Weise stärker vorhanden als die zur EU. Auch sei die nationale Verlustangst in Bezug auf Kontrolle und Selbstbestimmung potenziell viel größer, was sich die Populisten auch erfolgreich zunutze machten. Europa brauche unbedingt wieder eine positive Begründung und konkrete, realisierbare und nicht zu ambitionierte Projekte, deren Nutzen für alle Bürger unmittelbar erfahrbar wäre. Die Digitale Agenda biete in diesem Zusammenhang viel Potenzial und sei ein großer und geeigneter Hoffnungsträger.

Dass Populisten besonders solche Projekte blockieren, die einen tendenziell hohen europäischen Mehrwert vorweisen, erläuterte der Politologe Udo Zolleis und sprach sich für eine pragmatischere Herangehensweise aus. Die geschichtliche Begründung der Europäischen Union habe heute keine große Bedeutung mehr, auch wenn das Friedensnarrativ nicht obsolet sei. Europa müsse ein neues Leitbild, Leitaufgaben und Zukunftsprojekte identifizieren und die Schutzfunktion der Europäischen Union besser in den Vordergrund stellen. Nur mit klaren Argumenten und konstruktiven Zukunftsantworten könne diese einen wirksamen Gegenpol zum Populismus bilden, der den Kontrollverlust der Nationalstaaten beschwöre. Die politische Kultur befinde sich im globalen Wandel, hierzu gehöre auch der Umgang mit den Medien. Im Spiegel der Meinungsfreiheit sei es eine ethische Frage, wie auf die Verbreitung von Unwahrheiten reagiert werde. Populismus mit Populismus einzudämmen, sei der falsche Weg.  Europas Volksparteien müssten die politische Agenda wieder mit eigenen Themen bestimmen, nicht nur Probleme benennen, sondern überzeugende Strategien liefern.

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter