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Ereignis oder Krise?
Öffentliche Kommunikation im Ernstfall

Drängende Journalisten, unklare Verantwortlichkeiten, Zeitdruck: In Krisensituationen kann es selbst für Kommunikationsprofis schnell ungemütlich werden. Was verlauten lassen, wann und durch wen? Wie es mit der Öffentlichen Kommunikation zu halten ist, wenn die Probleme groß werden, lernten Stipendiaten von 9. bis 11. August 2017 beim Seminar „Krisenkommunikation“ auf Kloster Banz.

Stipendiaten mit Referent Thomas Kießling

Eine gute Vorbereitung ist das A und O der Krisenkommunikation.

Isabel Küfer

„Vermelden Sie niemals: 'Wir sagen nichts'. Denn irgendjemand wird in einer Krise immer reden.“ Mit dieser leisen Beschwörung begann für dreizehn Stipendiaten der Hanns-Seidel-Stiftung Anfang August ein Seminar, in dem sie wiederholt der Ernstfall erwartete: Behörden- und Unternehmenskommunikation im Angesicht der Krise. Wie bei Seminaren des Journalistischen Förderprogramms für Stipendiaten (JFS) gewohnt, war das Seminar auch diesmal sehr praktisch angelegt: In zahlreichen Ereignis- und Krisenszenarien mussten sich die Studenten behaupten. Für einen spielerischen Übergang zwischen den dafür angesetzten Übungen sorgten unter hohem Vorbereitungsaufwand die zwei Referenten des Seminars: der Journalist Thomas Kießling und Christian Schüttenkopf, Pressesprecher beim Zollfahndungsamt München. Mit einem nach dem Brettspielklassiker „Monopoly“ orientierten Rollenspiel ließen sie die Stipendiaten in zwei Teams verschiedene Aufgabenfelder unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade lösen. Eingeteilt in eine leitende Einheit des Deutschen Zolls sowie ein führendes Management bei einer Seniorenheime betreibenden Aktiengesellschaft, war der Start für „krisenreiche“ Tage gelegt.

Statement vor der Kamera

Wie wird aus einem "Überfallinterview" ein gesteuertes Statement?

Isabel Küfer

Salamitaktik zahlt sich nie aus

Die Aufgaben gut zu lösen bedeutete in nahezu allen Fällen eine schnelle, einheitlich koordinierte und angemessen proaktive Kommunikation – organisationsintern wie nach außen. Entgegen dieses Idealfalls fänden sich im öffentlichen Raum nach Ausführungen der Referenten jedoch viele Gegenbeispiele, bei denen diese Regeln der Kommunikation missachtet würden und somit „Krisen“ erst ermöglicht hätten: Ex-Bundespräsident Christian Wulff und dessen Sprachnachricht beim Chefredakteur der Bild-Zeitung, Karl-Theodor von und zu Guttenberg und die Plagiatsaffäre oder die Volkswagen AG mit ihren Problemen bei der Bewältigung der Diesel-Abgasaffäre. „Eine Salamitaktik zahlt sich niemals aus. Das Unternehmen oder der Betroffene muss immer der erste Aufklärer sein“, so Thomas Kießling eindringlich warnend zu den Studenten. „Wenn die Journalisten dies sind, schießt alles ins Kraut“.

Die Pressekonferenz: Nur wer auf die Fragen der Journalisten perfekt vorbereitet ist, bleibt im entscheidenden Augenblick ruhig.

Die Pressekonferenz: Nur wer auf die Fragen der Journalisten perfekt vorbereitet ist, bleibt im entscheidenden Augenblick ruhig.

Isabel Küfer

In Demut sterben oder alle Anschuldigungen zurückweisen?

Mit Hilfe solcher Lehrsätze erprobten sich die Studenten dann selbst an simulierten Vorfällen und Ereignissen. Durchaus arteten diese auch zu handfesten Skandalen aus – entsprechende Verhaftungswellen in den Arbeitsgruppen konnten deren Pressesprecher schon einmal auf recht einsamer Flur zurücklassen. So traf es etwa die studentische Gruppe der „Altenheim AG“: Nach dem Verdacht der Korruption in Millionenhöhe sowie der vermuteten Verabreichung gefälschter Medikamente fand sich mit Anrücken der Polizei mit einem Mal die Hälfte des Teams in Untersuchungshaft wieder. Wie nun reagieren auf einer hierzu angesetzten Pressekonferenz? In Demut sterben oder alle Anschuldigungen zurückweisen? Dass Journalistennaturen in diesen Situationen zwar nicht gerade der beste Freund der Presseabteilungen sein müssen, deren Missachtung aber noch ungleich schwerwiegender wirken kann, wurde auch durch eine Weisheit von Winston Churchill deutlich: „Wartende Journalisten sind gefährlich, vergeblich wartende Journalisten sind noch gefährlicher. Am gefährlichsten aber sind vergeblich wartende Journalisten, die untereinander Informationen austauschen.“

Ein Satz kann die Aussage verfälschen

Neben den Übungen lernten die Stipendiaten auch allerlei Weiteres über Journalismus und den öffentlichen Auftritt. Etwa über die Notwendigkeit, schriftliche Pressemitteilungen besonders abwägend zu gestalten. Hier gelte es jeden Satz kohärent abzustimmen, da im Fernsehjournalismus oft nur passagen- oder satzweise zitiert wird: „Ein Satz kann die Aussage verfälschen“, warnte der beruflich als BR-Fernsehreporter beschäftigte Thomas Kießling. Mit dem Zieleinlauf im Rollenspiel und Abschluss des Seminars am Sonntagmittag stand im Gegensatz zum echten Monopoly aber kein wirklicher Verlierer fest. Statt einer Pleite verblieben in beiden Gruppen sogar stattliche Punktekonten für die gelösten Aufgaben. Mit deren Umrechnung in Schokoladentafeln fand ein krisenhaftes Seminar jedoch zu einem süßen Ende.

Autor: Philipp Abele

Das Journalistische Förderprogramm für Stipendiaten (JFS) bietet Studierenden an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) und Universitäten eine studienbegleitende Aus- und Weiterbildung mit praxisbezogenen Seminaren und Fachtagungen in den Sparten Zeitungs-, Bild-, Onlinejournalismus, Hörfunk und Fernsehen sowie Veranstaltungen zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen an. Die Förderung ist nicht an bestimmte Studiengänge gebunden, jedoch sollte bei den Bewerbern als Berufsziel eine spätere Tätigkeit im Bereich der Medien gegeben sein.

Universitätsförderung MINT und Medizin
Isabel Küfer, M.A.
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