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Europas Krise
Mehr oder weniger nationalstaatliche Souveränität?

Wo zwischen Supranationalität, Nationalstaat und Intergouvernementalismus bewegen wir uns in Europa und wo wollen wir hin? Markus Ferber, Mitglied des Europäischen Parlaments und stellvertretender Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung, brachte mit diesen „Fachbegriffen“ das Thema des Abends auf den Punkt.

Claudia Schlembach, Michael Wolffsohn, Markus Ferber, Rainer Brüderle, Hans Eichel

Claudia Schlembach, Michael Wolffsohn, Markus Ferber, Rainer Brüderle, Hans Eichel

Eine abschließende Klärung dieser Frage war in dieser parteipolitisch übergreifenden Runde mit Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie a.D. für die FDP und Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen a.D., SPD nicht wirklich zu erwarten. Zumal Prof. Dr. Michael Wolfssohn in seiner ausführlichen Anmoderation zu Bedenken gab, dass man mit grundsätzlichen Begrifflichkeiten wie ”Nationalstaat” - den es nicht mehr gäbe - und “Krise” im europäischen Kontext doch eher vorsichtig umgehen sollte.

Überraschend war, dass sich die Herren fraktionsübergreifend in den meisten wesentlichen Punkten einig schienen. Hans Eichel wies darauf hin, dass Europa de facto Tag für Tag weiter zusammenwachse und sich auch künftig selbst organisieren werde. Im Grundgesetz sieht er das einigende Band aller Handlungen und er wies dabei noch einmal explizit auf die Stelle, in dem sich Deutschland selbst verschreibt “in einem vereinten Europa dem Frieden zu dienen”. Rainer Brüderle zeigte in einem eindrucksvollen Plädoyer auf, dass wir jenseits aller bürokratischen Details an die große Aufgabe Europa denken sollten. Und er appellierte an die Kernländer, einen robusten Schritt zur weiteren Zusammenarbeit zu gehen, “statt auch noch auf den allerletzten Mohikaner im europäischen Konzert zu warten.” Die strategische Bedeutung dieses Bekenntnisses zu Europa unterstrich auch Ferber: „Die Welt“, so Markus Ferber pointiert, „wird entweder bipolar oder tripolar“.  Es gehe entweder um USA und China. Oder es gehe um USA, China und Europa. Letzteres ist, da waren sich alle Beteiligten einig, nur möglich, wenn sich Europa sammelt.

Wie das geschehen kann oder soll, ist noch nicht abschließend geklärt. Es gibt Vertreter, die der Ansicht sind, dass sich der Nationalstaat ganz auflöst und die gesamte politische Entscheidungskompetenz in ein europäisches Entscheidungsgremium gelegt wird - gleichzeitig aber auch die Regionen gestärkt werden und der Pluralismus erhalten wird. Das mag eine gewisse Attraktivität ausstrahlen, dem Europapolitiker Ferber aber fehlt hier dann doch allzu deutlich die Umsetzbarkeit.

Er wies auf den momentanen internen Zerfallsprozess in Europa hin, auf die Notwendigkeit, jeden Politikbereich mit einer anderen Klaviatur zu bespielen und unterstrich ebenfalls, sich auf einen Ordnungsrahmen statt auf Detailarbeit im europäischen Alltag zu konzentrieren. Tatsächlich zeigte Ferber sehr deutlich den Unterschied zwischen den Ideen und Entwürfen der Minister a.D. und einem aktiven Europapolitiker, er zeigte sich aber auch sehr zuversichtlich, dass das Gebilde Europa dann doch tatsächlich in einer sich neu formierenden Welt eine bedeutende Rolle spielen könne. Dass das notwendig und mehr als wünschenswert ist, war das einigende und hoffnungsvolle Band an diesem Abend.