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Interview
Mehr Frauen in die Politik!

Nach der Landtagswahl in Bayern ist der Anteil weiblicher Abgeordneter auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gefallen, auf nur noch knapp 27 Prozent. Wir haben für Sie Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung zu dieser unbefriedigenden Entwicklung interviewt.

Der neue Landtag nach der Wahl am vergangenen Sonntag hat ein großes Defizit. Rund 13 Millionen Einwohner hat Bayern. Die Hälfte sind Frauen. Ausgerechnet in diesem Jahr, in dem wir zum 100. Mal das Frauenwahlrecht feiern, sinkt im neu zu konstituierenden Landtag die Quote der dortigen Frauen auf rund 27 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit 1998, also seit 20 Jahren. Woran liegt’s? Wir haben mit der Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung, Ursula Männle, nach der Landtagswahl über mögliche Ursachen für den geschrumpften Frauenanteil und die Herausforderungen gesprochen, die sich daraus ergeben. Männle ist seit 1964 politisch aktiv, war Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie Staatsministerin und ist nach wie vor vielfältig gesellschaftlich engagiert. Eine homo politicus, könnte man sagen.

Frau am Rednerpult

Prof. Ursula Männle, Vorsitzende der HSS, plädiert für mehr Frauen in der Politik

Thomas Plettenberg; HSS; Plettenberg

HSS: Frau Professor Männle – sind zu wenig Frauen in der Politik?

Ursula Männle: Absolut – immerhin machen Frauen 50 Prozent der bayerischen Bevölkerung aus. Da wäre es nur angebracht, wenn sie auch ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend in den politischen Gremien und Ebenen vertreten wären. Der Landtag soll ja auch immer ein Spiegel der Gesellschaft sein, wie die ehemalige Bayerische Sozialministerin Emilia Müller völlig zurecht festgestellt hat. Nach der Wahl scheint dieser Spiegel aber im Hinblick auf die Frauen ein blinder Spiegel zu sein. Die scheidende Landtagspräsidentin Barbara Stamm merkt ebenfalls richtig an, dass es so nicht weitergehen kann.

 
HSS: Warum?

Männer und Frauen gehen nach meiner Erfahrung Politik unterschiedlich an. Frauen geht es grundsätzlich darum, einen umfassenderen Blick auf Themen zu werfen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren und zu fördern und mehr rein sachorientiert zu entscheiden.

 
HSS: Und Männer nicht?

Doch auch, aber Frauen haben aus meiner Sicht einen anderen Politikstil. Sie haben historisch geprägt vielfältigere Lebensentwürfe, sehen sich mit ganz unterschiedlichen Lebensbereichen konfrontiert, wie zum Beispiel Beruf und Kindererziehung, während Männer besonders in Bayern in der Regel noch eher prioritär ihrem Beruf nachgehen. Frauen engagieren sich auch in vielen, eher nach innen gerichteten ehrenamtlichen Tätigkeiten wie etwa im Elternbeirat. Männer engagieren sich in eher nach außen gerichteten Aktivitäten. Frauen lösen Konflikte auch meist anders als Männer. Konsensualer, mehr im Dialog, gemeinschaftlich, im Team. Wichtig ist, dass die Erfahrungen der Frauen auch von den Frauen aktiv in die Politik hineingetragen und in Gremien eingebracht werden. Politik braucht das Zusammenwirken beider Geschlechter, damit keine negative Einseitigkeit entsteht.

 
HSS: Haben Sie sich durch Ihr politisches Wirken verändert und wie?

Natürlich habe ich mich dadurch persönlich weiterentwickelt. Und ich glaube, dass jeder, auch die Frauen, durch politisches Engagement wachsen kann. Zu Beginn meiner politischen Karriere zum Beispiel hatte ich Angst, vor Publikum zu reden. Bei meiner ersten Rede im Bundestag im Januar 1980 rutschte ich in Vertretung einer erkrankten Kollegin in der Rednerliste nach vorne. Statt nur fünf Minuten hatte ich plötzlich lange 20 Minuten Redezeit und musste mich sehr kurzfristig vorbereiten. Außerdem wurde die Debatte im Fernsehen übertragen. Da war ich schon aufgeregt. Mittlerweile ist reden vor Publikum in gewisser Weise zur Routine geworden und bereitet mir keine schlaflose Nacht mehr. Manchmal ist es gut, wenn man einfach „gezwungen“ wird. Es ist einfacher, wenn man eine Funktion hat, z. B. als Sprecherin einer Arbeitsgruppe zu berichten oder eine Sitzung zu eröffnen oder zu leiten. Das bringt Übung und nimmt die Angst.

 
HSS: Haben Frauen grundsätzlich weniger Interesse an Politik?

Nein. Ich denke, dass sich Frauen genauso für Politik interessieren wie Männer. Frauen haben jedoch meist ein anderes konkreteres Politikverständnis, darauf muss man aufbauen. Außerdem lehnen sie die allgemeine Definition von Macht ab.

 
HSS: Aber warum engagieren sich Frauen dann weniger in der Politik?

Das hat den Anschein, ja. Ich glaube, dass sich Frauen dann mehr engagieren, wenn sie konkret gefragt werden, mitzumachen. Männer sind oft extrovertierter, bewerben sich öfter auf eigene Initiative auf Posten und Positionen. Es ist aus meiner Überzeugung heraus daher Aufgabe der Parteigremien, Frauen konkret anzusprechen, sie aktiv in die Politik zu holen. Auf der anderen Seite dürfen Frauen nicht zu vornehm zurückhaltend sein, wenn es darum geht, sich selbst auf Positionen zu bewerben.

 
HSS: Welche Rolle spielt die Politische Bildung für ein Engagement in der Politik?

Aus meiner Sicht ist Politische Bildung für alle eine Grundvoraussetzung für politische Teilhabe. Frauen verhalten sich nach meiner Erfahrung oft zurückhaltender, wenn sie selber der Ansicht sind, die vermeintlich erforderliche Fachkompetenz nicht vorweisen zu können.

Vier Dinge werden nach meiner Meinung benötigt für eine erfolgreiche politische Betätigung. Politische Urteilsfähigkeit und politische Handlungsfähigkeit. Hier setzt unsere HSS auch konkret an. Wir vermitteln in unseren zahlreichen Seminaren politisches Basiswissen für alle, aber auch gezielt für Frauen. Zum Beispiel, wie politische Prozesse funktionieren, klären über die Kommunalpolitik auf, zeigen, wie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erfolgreich gestaltet wird, bieten Rhetorik- und Argumentationstrainings an oder wie man clever netzwerkt. All das stellt eine gute Grundlage dar, um sich das Rüstzeug anzueignen, politisch urteilsfähig zu sein und sich als politisch handlungsfähig zu erweisen. Dazu kommen müssen aber auch noch als weitere Voraussetzungen: eine politische Grundeinstellung und die Motivation, sich an politischen Prozessen beteiligen und ganz allgemein in und an der Politik mitwirken zu wollen.

 
HSS: Wie bekommen wir mehr Frauen in die Politik?

Unsere Bildungsangebote nutzen. Aktiv in die Parteigliederungen gehen und dort mitwirken. Sich mehr zutrauen und selber auf Positionen bewerben. Die Parteien müssen die Basis dafür schaffen, dass eine Ausgewogenheit bei den Mandaten zwischen Männern und Frauen hergestellt wird. Vielleicht wäre auch eine Wahlrechtsänderung hilfreich. Dazu muss man sich aber sehr vertiefte Gedanken machen.

 
HSS: Wer kocht bei Ihnen daheim?

Mein Mann macht normalerweise das Frühstück, ich koche das Essen, für Salat ist er zuständig. Meist räumt er auch nach dem Essen die Küche auf.


HSS: Und wer wechselt die Autoreifen?

Die Autowerkstatt, die macht unser Auto dann auch gleich winterfest.


HSS: Sehr geehrte Prof. Männle, wir danke Ihnen für das Gespräch.

Leiterin Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Onlineredakion

Susanne Hornberger