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Massenmigration nach Europa

Seit Ausbruch des Syrienkrieges 2011 haben über vier Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Während viele in den ersten Kriegsjahren in Nachbarländer flohen, ziehen heute immer mehr Menschen weiter Richtung Europa; die meisten mit dem Ziel Deutschland oder Schweden.

Die Flüchtlingsökonomie der Schleuser und Schlepper

Vor allem in den letzten beiden Jahren haben die Flüchtlingsströme erheblich an Dynamik gewonnen und sich substanziell verändert. Dies betrifft nicht nur die Anzahl der Flüchtenden, sondern auch deren Fluchtrouten sowie die Aktivitäten der Schleuser. Steigende wirtschaftliche Profite und Professionalisierung von Schleuserbanden haben zur Etablierung einer regelrechten Flüchtlingsökonomie geführt. Während 2014 die Hauptroute nach Europa noch über das Mittelmeer von Libyen nach Italien verlief, nahmen die meisten Flüchtlinge 2015 die sogenannte Balkan-Route über die Ägäis. Allein zwischen Januar und September dieses Jahres zählte Frontex (Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen) 360.000 Flüchtende, zwischen 2008 und 2014 waren es nur 50.000 pro Jahr.

Anhaltende Migration- und Fluchtursachen bedingen den professionellen Menschenschmuggel

Bürgerkriege in Syrien, Irak und Afghanistan sind ebenso wie das repressive politische Regime in Eritrea oder wirtschaftliche Perspektivlosigkeit junger Menschen in vielen anderen afrikanischen Ländern Hauptauslöser für Migration. Das Flüchtlingsgeschäft entlang der Hauptfluchtrouten Libyen – Ägäis – Ägypten – Balkan, das von der Not der Menschen, aber auch einer unkoordinierten europäischen Politik profitiert, hat sich als Wirtschaftszweig verselbständigt und wirft immer höhere Gewinne ab. Das Interesse der Schleuser besteht darin, möglichst viele Menschen möglichst schnell nach Europa zu bringen. Im Jahr 2014 verbuchten Schleuser Profite von über 300 Millionen Dollar. Sie verdienen an einer Überfahrt im Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland  bis zu 50.000 Dollar. Schleuser und Schlepper gehen teils legalen, teils illegalen Geschäften nach:  Das Netzwerk reicht vom einfachen Fischer bis zum Staatsbeamten und in die Organisierte Kriminalität. 

Profite aus dem Schleppergeschäft tragen zur weiteren Destabilisierung von Krisenstaaten in der Region bei

In Ländern wie Libyen oder Mali besteht die konkrete Gefahr, dass Gelder aus dem Flüchtlingsgeschäft für politische Einflussnahme und militärische Ziele verwendet werden und so dazu beitragen, diese Länder weiter zu destabilisieren. Die ständig steigenden Profite gehen Hand in Hand mit einer immer weitergehenden Professionalisierung der Schlepper- und Schleuserbanden. Um den Menschenschmuggel aufrecht zu erhalten beziehungsweise wachsen zu lassen, werden inzwischen potentiell Migrationswillige aktiv rekrutiert.

Europäische Lösungsansätze zur Bewältigung der Krise sind gefordert

Solange die fundamentalen Ursachen für Flucht und Migration bestehen, wird der Strom von Menschen in Richtung Europa anhalten. Eine Lösung der Flüchtlingskrise ist nicht durch unilaterales Handeln möglich. Leider werden ihr Ausmaß und ihre Auswirkungen bisher vor allem durch unkoordiniertes Handeln einzelner europäischer Länder bestimmt, was weitreichende Konsequenzen für die Nachbarländer sowie ganz Europa hat. Andererseits ist eine Politik der kompletten Abschottung kaum umsetzbar. Es müssen Möglichkeiten für die legale Einreise für Migranten mit legitimen Einreisegründen geschaffen werden. Europa braucht Regeln für Aufnahmeverfahren. Dies würde nicht nur den Schutz für Flüchtlinge erhöhen, sondern auch den Markt für Schleuser und Kriminelle langfristig untergraben. Um aus dem derzeitigen Krisenmodus herauszufinden, ist ein koordiniertes europäisches Vorgehen unabdingbar.

Das Institute for Security Studies (ISS), eine Partnerorganisation der Hanns-Seidel-Stiftung, hat zum Thema Migration folgende englischsprachige Studie herausgegeben:
Reitano, T. and Tinti, P. (2015): Survive and Advance – The Economics of Smuggling Refugees and Migrants into Europe, ISS Paper 289, Johannesburg, South Africa