Print logo

Linkshändigkeit kein Problem?!

Die Folgen der Umerziehung in der Händigkeit war Thema einer Expertendiskussion, zu der am 19. November 2015 die Hanns-Seidel-Stiftung in Kooperation mit dem Initiativkreis Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik e.V. und der Ersten deutschen Beratungsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder e.V. Experten eingeladen hatte.

Die Händigkeit ist eine genetische Veranlagung und nicht eine beliebig manipulierbare Eigenschaft. Gleichgültig ob eine Rechts- oder Linkslateralität besteht, sie begleitet den Menschen sein ganzes Leben lang mit sämtlichen Auswirkungen für die Entwicklung des Einzelnen.

Ursula Männle

Ursula Männle

Prof. Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, hob in ihrer Einführung hervor, dass mit dieser Kooperation ein besonderes Zeichen gesetzt werde, denn der Verband der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder verknüpfte hier sein 30jähriges Jubiläum mit einer Fachtagung. Auch betonte sie, dass die Linkshändigkeit auf eine sehr lange Geschichte der unbegründeten Vorurteile zurückblicken kann und bis in die Neuzeit die Bevorzugung der linken Hand als Makel gesehen wurde.

Rechts- beziehungsweise Linkshändigkeit wird durch die Funktionsweise der Gehirnhälften eines Menschen bestimmt. Wobei bei Linkshändern die rechte und bei Rechtshändern die linke Gehirnhälfte bestimmend ist. Demzufolge liegt die theoretische Wahrscheinlichkeit, ein Linkshänder zu werden, bei 50 %. Eine genaue Prozentzahl der Linkshänder, die in der Literatur unterschiedlich hoch angegeben wird, kennt man jedoch nicht. Im Schnitt geht man von ca. 20 % aus. Bis in die 1970er-Jahre war es üblich, Linkshänder zu Rechtshändern umzuschulen. Diese gängige Praxis machte weder einen Rechtshänder aus einem Linkshänder noch blieb sie in der Regel folgenlos für die Betroffenen. So wird auch von der ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder darauf hingewiesen, dass die Folgen einer Umerziehung sich unter anderem in Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, in motorischen Störungen und Sprachstörungen – um nur einige zu nennen – äußern können. 

Dr. Hubert Wagner, der Vorsitzende des Beirats des Initiativkreises Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik e.V. und zudem Initiator dieser Veranstaltung, betonte, dass sich der Initiativkreis ausschließlich mit Themen, die das Gemeinwohl betreffen, beschäftige. Die Linkshändigkeit sei ein solches Thema, denn in der Theorie sei vieles sehr klar, aber in der Praxis lasse es dann doch zu wünschen übrig, und man müsse noch einiges auf diesem Feld erreichen. „Händigkeit ist keine Thematik, die sich mit Kindergarten und Grundschule erledigt hat, sondern eine lebenslange Thematik.“ Sie hat Folgen für die Berufswahl. „… umso mehr freut es mich, dass die Berufsgenossenschaft für Holz und Metall oder die Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin die Thematik von sich aus aufgreifen und in der Beratungsstelle Rat gesucht haben für die eigene Arbeit,“ so Wagner.

Almuth Vasterling, Ergotherapeutin und zertifizierte Linkshänder-Beraterin, zeigte in ihrem Vortrag „Geschichte und Entwicklung“, was in der Beratungsstelle bisher alles geleistet wurde, und wo Hilfestellungen weiter nützlich und erforderlich wären. Sie resümierte, dass die erste deutsche Beratungsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder einen großen Anteil daran trägt, dass Linkshändigkeit normal geworden sei. „Auch haben durch Rückschulungen viele Menschen eine bessere Lebensqualität erreicht.“

Zu bedenken gab Dr. Hans Ibel, Kinderarzt, dass bei den frühkindlichen Vorsorgeuntersuchungen die Händigkeit als Untersuchungskriterium ausgeschlossen sei. Er wies darauf hin, dass sein Vorschlag an den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands, die Fragen zur Händigkeitsentwicklung in das gelbe Vorsorgebuch aufzunehmen, ignoriert wurde. Aus medizinischer Sicht wäre dies eine erste, einfache Verbesserung zur Diagnostik der Linkshändigkeit.

Ursula Nagele-Hiedl, Vorsitzende der „Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder“ gab mit ihrem Vortrag „Aktuelle Situation in der Beratungsstelle“ einen Einblick in das breite Spektrum der geleisteten Arbeit und über die zukünftigen Arbeitsschwerpunkte der Beratungsstelle. Sie betonte, dass es aktuell ca. 500 zertifizierte Linkshänderberaterinnen gebe.

Die Abgeordnete Dr. Ute Eiling-Hütig, Mitglied des Ausschusses für Bildung und Kultus des Bayerischen Landtags, betonte, dass in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen die Linkshändigkeit zu achten sei und ein notwendiger Förderbedarf dahingehend auszurichten sei. Dass dies schon weitgehend geschehen ist und auch einen Niederschlag im Bayerischen Lehrplan findet, ist Frau Dr. Sattler zu verdanken, die sich nach wie vor unermüdlich für die Linkshändigkeit einsetzt.

Dr. Johanna Sattler, Leiterin des Vereins der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder, beendete den Reigen der Referenten mit Wünschen für die Beratungsstelle, die sie seit 30 Jahren betreut. In ihren Ausführungen legte sie darauf Wert, „dass schon in der Kinderkrippe, (…) auf Händigkeit geachtet wird. Es ist notwendig, dass den Kindern die Gegenstände so angeboten werden, dass kein Einfluss auf rechts oder links genommen wird. Sondern dass die Kleinen unbeeinflusst ihre Händigkeit entwickeln können.“

Resümee: Die gemeinsame Fachtagung der Hanns-Seidel-Stiftung mit dem Initiativkreis Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik e.V. und der Ersten deutschen Beratungsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder e.V. rückte das Thema der Linkshändigkeit einmal mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und machte darauf aufmerksam, dass eine - abseits der genetischen Festlegung - beeinflusste Händigkeit zu Störungen in der Persönlichkeitsentwicklung führen kann. Des Weiteren wurden Maßnahmen zu einer besseren Diagnostik insbesondere im frühen Kindesalter erörtert.

In der täglichen Praxis bleibt nach Meinung verschiedener Experten immer noch einiges zu tun, da die Ausbildung von Erzieher und Erzieherinnen sowie Lehrer und Lehrerinnen noch nicht hinreichend auf die Umsetzung von Erkenntnissen der Wissenschaft in die konkrete Praxis vorbereitet.