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Eine Abkopplung von der bundespolitischen Großwetterlage scheint nicht möglich
Landtagswahl in Hessen - Bundespolitik schlägt auch hier durch

Der Leiter unserer Abteilung für Grundsatzfragen der Politik, Parteien- und Wahlforschung, Dr. Gerhard Hirscher, analysiert kurz den Ausgang der gestrigen Hessen-Wahl. Die bundespolitische Großwetterlage spielte auch für diese Wahl, nach der bayerischen Landtagswahl viel beachtet, die wohl entscheidende Rolle bei der Wahlentscheidung der Bürger. Eine eigene Akzentsetzung in den Bundesländern erscheint schwierig. Zeichen für neue bürgerliche Mehrheiten?

Die Flagge des Bundeslandes Hessen, rot-weiß, rot-weißer Löwe auf blauem Hintergrund mit Königskrobe auf dem Wappen

nathaliemeyer0; CC0; Pixabay

Vorzeichen ähnlich wie bei der Bayern-Wahl? Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Zwei Wochen nach der Landtagswahl in Bayern hat auch Hessen seinen Landtag neu gewählt. Da sich die bundespolitische Stimmung kaum verändert hatte, wurde auch für Hessen eher Gegenwind aus Berlin für die großen Volksparteien CDU und SPD erwartet. CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier war schon seit 2010 im Amt, die ökonomische Lage auch in Hessen - ähnlich wie in Bayern - sehr positiv; die Wirtschaftslage war insgesamt ähnlich günstig eingeschätzt worden. Viele Elemente des Resultates in Bayern hätten also auch für Hessen erwartet werden können.

Es gab allerdings auch erhebliche Unterschiede: In Hessen regierte eine schwarz-grüne Koalition, die auch im Vorfeld nicht schlecht beurteilt worden war – die erste schwarz-grüne Koalition in Deutschland, die eine gesamte Legislaturperiode hindurch regierte. Es war klar, dass die Alleinregierung einer Partei wie bisher in Bayern somit von vorne herein ausgeschlossen sein würde. 4,4 Millionen hessische Wahlberechtigte waren nicht einmal die Hälfte der bayersichen Wähler. Die Wahlbeteiligung war hoch – auch hier war ein Mobilisierungseffekt zu erwarten – aber nicht so hoch wie bei der letzten Landttagswahl 2013, die zeitgleich mit der Bundestagswahl stattgefunden hatte. Dies und der allgemeine Trend zugunsten der kleineren Parteien ließen erneut ein schlechtes Ergebnis der klassischen Volksparteien CDU und SPD erwarten. Laut Infratest dimap sah die Hälfte der hessischen Wähler den Tag als Denkzettelwahl für Berlin. Daher war es unsicher, inwieweit landespolitische Themen überhaupt eine Rolle bei der Wahlentscheidung spielen konnten.

Die kleinen Parteien profitieren - AfD zieht in den 16. Landtag ein

Die kleinen Parteien haben auch bei dieser Wahl profitiert: FDP und Linke kamen wieder in den Landtag. Auch der Einzug der AfD in den mittlerweile 16. Landtag mit 13,1 Prozent war keine Überraschung. Die CDU blieb trotz Verlusten klar stärkste Partei, kam auf 27 Prozent der Landesstimmen (Zweitstimmen) und dürfte wohl wieder den Regierungsauftrag übernehmen. Auch die SPD verlor und kam auf 19,8 Prozent, blieb damit aber deutlich über dem Wert in Bayern und auch den demoskopischen Daten für die Bundespartei. Die Grünen legten zu, blieben aber weit hinter der CDU, was einige Demoskopen vor der Wahl etwas anders gesehen hatten. Die Grünen wurden aber mit 19,81 Prozent der Stimmen knapp zweitstärkste Partei. Damit ist auch eine Fortführung der schwarz-grünen Koalition weiter möglich. Im auf 137 Sitze angewachsenen Hessischen Landtag hätte dieses Bündnis eine Mehrheit von einem Mandat. Die FDP kam mit 7,5 Prozent der Stimmen ebenso in den Landtag wie die Linke mit 6,3 Prozent. Beide werden aber für eine Regierungsbildung nicht benötigt.

CDU verliert Wähler in alle Richtungen

Die CDU verlor laut Infratest dimap Wähler in alle Richtungen, nur von der SPD konnte sie 24.000 Stimmen dazu gewinnen. Anders als vor zwei Wochen in Bayern verlor sie auch 61.000 Stimmen an die Nichtwähler, was aber an der ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung der letzten Landtagswahl gelegen haben mag. Insgesamt fand auch in Hessen eine hohe Mobilisierung statt, die aber – wie in Bayern – nur zum geringen Teil der Union zu Gute kam. Die Grünen hingegen holten 99.000 Stimmen von der CDU und 104.000 von der SPD und waren damit die klaren Mobilisierungsgewinner. Die AfD holte mit 96.000 Stimmen nur einen Teil von der CDU; der war aber bei dieser Wahl verhältnismäßig höher als bei den Landtagswahlen zuvor. An der politischen Isolation der AfD im künftigen Landtag wird dies wohl nichts ändern.

Schwer, eigene Landes-Akzente gegen den Bundestrend zu setzen - Zeichen für neue bürgerliche Mehrheiten?

Nach den zwei viel beachteten Landtagswahlen im Herbst 2018 wird deutlich, dass es gegenwärtig sehr schwer ist, gegen einen bundespolitischen Trend in den Ländern andere Akzente zu setzen. Beide Wahlen könnten aber ein Zeichen für neue bürgerliche Mehrheiten sein – alternative Koalitionen als Gegenmodell zur „großen“ Koalition oder einem Linksbündnis. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob diese Modelle auch im Bund als Vorbild dienen können.

Außen- und Sicherheitspolitik
Andrea Rotter, M.A.
Leiterin