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Peru
Lackmustest für den neu gewählten Präsidenten

Bis Ende August 2021 muss Präsident Pedro Castillo sein Kabinett vom Kongress bestätigen lassen. Eine Ablehnung des Kabinetts würde das erste Misstrauensvotum des Kongresses gegen den neuen Präsidenten bedeuten und für Castillo zu Beginn seiner Amtszeit einen nicht zu unterschätzenden Widerstand gegen seine Politik.

Am 28. Juli 2021 wurde Pedro Castillo als neu gewählter Präsident Perus vor dem peruanischen Kongress vereidigt. In seiner ersten Rede vor dem Kongress hob er hervor, dass er entgegen ursprünglicher Befürchtungen keine Verstaatlichung von Unternehmen anstrebe. Dies bezog er nicht nur auf das produzierende Gewerbe, sondern ebenso auf Privatbesitz und Geldvermögen. Die ökonomische Wiederbelebung des Landes will er mit einer gerechteren Verteilung der Gewinne aus der Produktion von Mineralien und dem Agrarsektor verbinden.

Ende Juli 2021 wurde Pedro Castillo als 64. Präsident von Peru vereidigt.

Ende Juli 2021 wurde Pedro Castillo als 64. Präsident von Peru vereidigt.

Presidencia de la República del Perú; (CC BY 3.0) ; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:President_Pedro_Castillo_swears_in_symbolically_in_historic_Pampa_de_Ayacucho.png

Ziele des neuen Präsidenten

So will er die Agrarproduktion erhöhen und Erzeugnisse mit einer hochwertigeren Qualität produzieren lassen. Zudem sollen Gewinne aus der Produktion mineralischer Rohstoffe zur technischen und infrastrukturellen Modernisierung des Landes genutzt werden. Mittels der Gründung eines Umweltministeriums soll der fortschreitenden Zerstörung der Umwelt Einhalt geboten werden. Schließlich soll im Kongress ein Gesetzesvorhaben für eine Verfassungsreform präsentiert und debattiert werden.

An seine politischen Gegner gerichtet, betonte Präsident Castillo die Überwindung ideologischer Differenzen. Doch bereits die Zusammensetzung seines Kabinetts steht dieser Ankündigung konträr gegenüber: Einige Ministerien sowie die Ernennung zahlreicher Vizeminister, Sekretäre und Berater erfolgte ohne erkennbare Qualifikation und Fachkenntnis - und ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass diese vorwiegend aus Kreisen der jetzigen Regierungspartei Perú Libre stammen.

Der neue Premierminister

Doch damit nicht genug: Am 29. Juli wurde in den Hochanden von Ayacucho der neue Premierminister und Chef des Kabinetts, Guido Bellido vereidigt. Dieser gilt als ein enger Vertrauter des Parteichefs von Perú Libre, Vladimir Cerrón. Bellido, der die Parteiideologie von Perú Libre verteidigt, und gemeinsam mit Cerrón den Anspruch erhebt, Präsident Castillo an die Parteiziele zu binden und Abweichungen zu verhindern. Viele Analysten bewerten die Ernennung von Bellido zum Premierminister als Sieg Cerróns über Präsident Castillo.

Cerrón selbst bezeichnet sich als Vertreter der marxistisch-leninistischen Ideologie und sympathisiert mit dem Sozialismus des 21. Jahrhunderts, bspw. in Venezuela und Bolivien, und verteidigt Kuba als sozialistisches Mutterland Lateinamerikas.

Vor diesem Hintergrund ist die wirtschaftliche und soziale Elite des Landes in Unruhe versetzt: Aussagen von Präsident Castillo, wonach er etwa sicherstellen wolle, dass 70 Prozent der erzielten Gewinne im Land verbleiben und lediglich 30 Prozent an die investierenden multinationalen Unternehmen ausgezahlt würden, bedrohen eine wirtschaftliche Erholung: Bereits jetzt werden Ersparnisse und Geldvermögen aus dem Land abgezogen. Der peruanische Sol und Immobilien haben sichtbar an Wert verloren.

Politische Stabilität wird sich aufgrund der politischen Auseinandersetzung zwischen Perú Libre und dem Kabinett bzw. dem Kabinett und dem Kongress nicht gerade leicht herstellen lassen.

Es wird sich zeigen müssen, ob das von Castillo gebildete Kabinett auf der einen und die gewählten Mitglieder des Kongresses auf der anderen Seite aufeinander zugehen und eine vorwärts gerichtete Politik für das von Corona schwer gebeutelte Land betreiben. Insbesondere Präsident Castillo hat nun den Lackmustest zu bestehen, ob der Kongress dem Kabinett ein- oder sogar zweimal das Vertrauen verweigert, ob Castillo den Kongress auflöst oder ob sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird.

Autor: Dr. Holger Michael, Projektleiter der HSS in Peru, Ecuador und Bolivien.

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