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Die Grundsatzprogramme der CSU
Grundsätzliches im Wandel

Autor: Dr. Stephanie Günther

Eine Allerweltspartei war die CSU nie. Mit der Parteigründung auf den Trümmern Deutschlands wagten die CSU-Gründer 1945 einen politischen Neuanfang. Sie und ihre Nachfolger blieben durch mehr als sieben Jahrzehnte wechselvoller Geschichte stets ihren Werten und ihrem geistigen Fundament treu, rangen aber immer wieder in intensiven Diskussionen um zeitgemäße Antworten für eine sich stetig wandelnde Gesellschaft. Und sie fanden pragmatische Lösungen für die politischen Krisen ihrer Zeit.

Markus Ferber am Rednerpult der Hanns-Seidel-Stiftung, engagiert sprechend.

Die Grundsatzprogramme der CSU sollten Antworten auf die jeweiligen Fragen der Zeit geben und den politischen Gestaltungsanspruch begründen. Das sagte Markus Ferber, MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung in seiner Begrüßung.

I.Kalac; ©HSS

Warum diskutieren Parteien immer wieder neu über die grundsätzliche Ausrichtung ihrer Politik? „Stets in Zeiten von Umbrüchen und Wandel (…) wurden intensive programmatische Diskussionsprozesse auch innerhalb der Parteien geführt“, sagte der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber, MdEP, während seiner Begrüßungsrede in München. „Zum einen, um sich der eigenen Grundlagen und Werte zu versichern, vor allem aber, um Antworten für die jeweiligen Fragen der Zeit zu finden und darauf aufbauend den Anspruch auf die politische Gestaltung der Zukunft zu begründen.“

Grundsatzprogramme als Antworten auf Umbrüche und Krisen

Gleich zu Beginn der Diskussion stand die Gründung der CSU als eine bürgerliche, aber gänzlich neue, auf dem Unionsgedanken basierende Sammlungspartei, im Mittelpunkt. „Da war eine wahnsinnige Sehnsucht nach einer anderen Ordnung, nach einer anderen Welt, nach einem anderen Menschenbild.“ So beschreibt der ehemalige Bundesminister und CSU-Parteivorsitzende von 1988 bis 1999, Theo Waigel, die Motive der Parteigründer. „So entstand natürlich etwas Neues“.

Zu den insgesamt sieben Grundsatzprogrammen der CSU seit 1945 fand im Konferenzzentrum der Hanns-Seidel-Stiftung am 13. Februar 2023 die Podiumsdiskussion „Grundsätzliches im Wandel?“ statt. Moderiert von der Altstipendiatin Sandra Victoria Rothhaar sprachen auf dem Podium die ehemaligen und aktuellen Vorsitzenden der Grundsatzkommissionen, Theodor Waigel, Edmund Stoiber, Alois Glück, Anja Weisgerber (MdB), Markus Blume (MdL, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst), sowie der Historiker Thomas Schlemmer vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) über die Hintergründe und Ziele der Grundsatzprogramme der CSU. Die Podiumsdiskussion fand als Auftakt der Veranstaltungsreihe „Grundsätzliches“ der Akademie für Politik und Zeitgeschehen statt.

Zur Aufzeichnung der Auftaktveranstaltung "Grundsätzliches im Wandel"

Theo Waigel sitzt auf dem Podium und spricht. Ruhig.

Dr. Theo Waigel erklärte die Motive der CSU-Parteigründer und die große Sehnsucht nach einer neuen Politik in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg.

I.Kalac; ©HSS

Unstrittig war auch, wie der Historiker Thomas Schlemmer vom Institut für Zeitgeschichte hinzufügte, dass nach der 1933 aufgelösten Bayerischen Volkspartei und dem Untergang des Deutschen Reichs wieder eine spezifisch bayerische Partei gegründet werden sollte. Neu und besonders bei der Gründung der CSU war vor allem die Überkonfessionalität der Partei, die unter anderem durch den „Ochsensepp“ (Josef Müller) und Franz Josef Strauß gegen den konservativ-klerikalen Flügel um Fritz Schäffer und Alois Hundhammer durchgesetzt werden konnte, der noch der alten BVP verhaftet war. Mit Blick auf die schwierigen Umstände der Nachkriegszeit und die schon bald bedrohlich anwachsende Konkurrenz durch die Bayernpartei würdigte auch Stoiber die Leistungen der CSU-Politiker dieser Zeit.

Daneben habe es in der CSU von Beginn an ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Europa gegeben, so Waigel, der die entsprechende Passage aus dem Grundsatzprogramm von 1946 verlas. Bei der europäischen Ausrichtung der Partei war vor allem Franz Josef Strauß einflussreich – Stoiber zitierte dessen berühmten Ausspruch vom Dreiklang Bayern-Deutschland-Europa: „Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft“. Der CSU ist es gelungen, nicht nur bayerisch, sondern auch deutsch und europäisch zu sein, ein Erfolgskonzept, das auch die Bayernpartei in ihre Schranken gewiesen habe, so die beiden CSU-Ehrenvorsitzenden Stoiber und Waigel.

Stoiber sitzt, die Beine übereinander geschlagen, und gestikuliert beschwingt.

Der ehemalige Bayerische Ministerpräsident, Dr. Edmund Stoiber, würdigte die Leistungen besonders der CSU-Politiker der Nachkriegszeit.

I.Kalac; ©HSS

Der Beitrag, den die CSU für Europa geleistet habe, sei enorm, betonte Theo Waigel. Er präsentierte eine Ausgabe des Grundsatzprogramms von 1976, dessen Kommission er selbst seit 1973 vorstand, handsigniert von Franz Josef Strauß. Die Situation, in der dieses Programm entstanden war, sei der heutigen ganz ähnlich, so Waigel, denn in Bayern habe die CSU regiert, sei bundespolitisch in der Opposition gewesen und hätte dennoch an der Zukunft Europas mitgewirkt. Auch hier habe die CSU den Dreiklang erfüllt. Als Ziel waren im Grundsatzprogramm sogar die Vereinigten Staaten von Europa genannt.

Edmund Stoiber knüpfte mit dem Grundsatzprogramm von 1993 an, das unter seiner Federführung seit 1988 zunächst fortgeschrieben, aber dann in Folge des politischen Umbruchs durch die Deutsche Wiedervereinigung neu ausgearbeitet worden war. Stoiber hob den Anteil Bayerns und der CSU an der Wiedervereinigung hervor, denn der Gang der Bayerischen Staatsregierung 1973 vor das Bundesverfassungsgericht und die Klage gegen den umstrittenen Grundlagenvertrag sollten für das Gelingen der Wiedervereinigung noch eine Rolle spielen. Mit seinem Zitat „Notfalls müssen wir Bayern die letzten Preußen sein“ brachte Franz Josef Strauß damals den Einsatz der Bayerischen Staatsregierung für die Verfassung und das Grundgesetz auf den Punkt.

Die Umweltpolitik war seit den 1970er-Jahren ein weiteres wichtiges Politikfeld der CSU. Schon 1970 wurde mit dem Bayerischen Umweltministerium das erste europäische Ministerium dieser Art geschaffen, 1976 nahm die CSU die Umweltpolitik in ihr Grundsatzprogramm auf. Alois Glück berichtete als „Mann der ersten Stunde“, wie die Partei den Umweltschutz als eine neue gesellschaftliche Entwicklung begriff, die nach der Zeit des wirtschaftlichen Aufbaus der 1960er-Jahre entstanden war.

Die drei sitzen im Plenum nebeneinander und lächeln in die Kamera.

Alois Glück, HSS-Vorsitzender Markus Ferber, MdEP, und Anja Weisgerber, MdB, Vorsitzende der Grundsatzkommission der CSU.

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Ein neues Programm für eine neue Zeit

Ökologie und Ökonomie miteinander zu verbinden, vor dieser Zukunftsfrage steht die aktuelle Grundsatzkommission unter dem Vorsitz von Anja Weisgerber und Gerhard Hopp. Nachhaltigkeit sei nicht nur Umwelt- und Naturschutz, sondern auch die Erhaltung finanzieller Ressourcen, erklärte Weisgerber den Schlüsselbegriff „Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft“. Auch Wirtschaftsverbände hätten ihre Verantwortung für spätere Generationen erkannt – Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft sind für sie wichtige Schlagworte.

„So anspruchsvoll wie im Moment war es noch nie!“ beschrieb Markus Blume die Aufgabe der aktuellen Grundsatzkommission: auseinanderdriftende Kräfte in der Gesellschaft seien zusammenzuhalten und den großen Herausforderungen der Zeit, etwa dem Klimawandel, zu begegnen. Dazu kämen Transformationsprozesse, wie etwa die Digitalisierung. Unter Blumes Führung war 2016 das Grundsatzprogramm „Die Ordnung“ verabschiedet worden, das der damals vorherrschenden Verunsicherung entgegenwirken sollte.

Alois Glück ergänzte, dass man sich auch mit den inneren Entwicklungen in der Gesellschaft auseinandersetzen müsse. Unter seinem Vorsitz war 2007 das Programm mit dem Titel „Chancen für Alle!“ verabschiedet worden – hier ging es auch um eine gesellschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit. In den letzten Jahren und nicht zuletzt in der Zeit der Pandemie, so Glück, hätten sich starke Autonomiebestrebungen in der Gesellschaft gezeigt: dabei ginge es nur noch um persönliche Freiheit, nicht mehr um Rücksicht auf andere. Dazu käme eine Distanz zum Staat. Wie sei nun Orientierung und Solidarität zu vermitteln und wie die Stabilität der Demokratie sicherzustellen? Für eine politische Lösung dieser globalen Fragen reiche der zitierte Dreiklang Bayern-Deutschland-Europa nicht mehr aus, er müsse um das Globale erweitert werden. Nach wie vor seien vor allem die Volksparteien, insbesondere die CSU, gefragt, so Weisgerber, die Wachstum mit Nachhaltigkeit und einer sozialen Seite kombinieren müsse. Das christliche Menschenbild sei wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Natürlich sollten sich aber auch Menschen anderen Glaubens angesprochen fühlen.

Autorin: Dr. Stephanie Günther, HSS

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