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Ursula Männle in Washington
Großes US-Interesse an der Regierungsbildung in Deutschland

Autor: Christian Forstner

Die transatlantischen Beziehungen stehen auf einem robusten Fundament, sind aber nicht frei von Irritationen. Die schwierige Regierungsbildung in Deutschland trägt zur Verunsicherung bei. In intensiven Gesprächen in Washington reagierte die bayerische Delegation mit Ursula Männle und Stephan Mayer, MdB, an der Spitze auf die amerikanischen Sorgen vor Instabilität in Deutschland und Europa.

Das Deutschland-Bild in Amerika wandelt sich. Der Nimbus von Angela Merkel als mächtigste Frau der Welt wackelt.  Trotzdem: Es wäre übereilt, so Ursula Männle, von einer Regierungskrise in Deutschland zu sprechen und Weimarer Verhältnisse heraufziehen zu sehen. Deutschland müsse aber wieder zu Regierungsstabilität finden, um seiner europäischen und internationalen Verantwortung gerecht zu werden.

Hintergrund

Im Rahmen einer Abendveranstaltung am 5. Dezember informierte die Hanns-Seidel-Stiftung in Washington über den schwierigen Prozess der Regierungsbildung in Deutschland und über die Perspektiven für die transatlantischen Beziehungen. Der Einladung der Stiftungsvorsitzenden Prof. Ursula Männle folgten rund 50 hochrangige Gäste aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung. Es sprachen die CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer und Dr. Volker Ullrich. Die Dinner-Debatte war Teil eines zweitägigen intensiven Gesprächsprogramms, in dessen Verlauf die bayerische Delegation mit Senatoren, Kongressabgeordneten, Thinktank-Experten, Unternehmern und Vertretern der US-Administration zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen zusammentraf. In instabilen Zeiten wie heute, so Stephan Mayer resümierend, ist der direkte Kontakt mit US-Partnern wichtiger denn je.

Ursula Männle an einem Rednerpult. Bedächtiger Ausdruck.

Keine Weimarer Verhältnisse. Keine Regierungskrise. Ursula Männle sagte vor US-Diplomaten in Washington aber auch, dass Deutschland rasch wieder zu Regierungsstabilität finden müsse.

HSS

Die Bundestagswahl 2017 brachte eine Fragmentierung der politischen Landschaft mit sich und erstmals zog eine rechtspopulistische Partei, die politisch rechts von der CSU einzuordnen ist, in den Bundestag ein. Es sei aber Konsens aller etablierten Parteien, mit der AfD nicht zu koalieren, so der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. Es bleibe das gemeinsame Ziel, dass die AfD nicht noch einmal in den Bundestag gewählt werde. In Österreich verhalte es sich anders, denn die FPÖ verfüge inzwischen über eine lange Parteigeschichte und sei auf Länderebene stark verankert. Voraussetzung für einen Rückgang der AfD-Stimmen sei es, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren und insbesondere der illegalen Migration Einhalt zu gebieten. Aus seiner Sicht müsse daher der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige abgesehen von Härtefallregelungen ausgesetzt bleiben. 

Schwierige Regierungsbildung

Ein Bundestag mit sieben Parteien und sechs Fraktionen erschwert die Regierungsbildung. Stephan Mayer bedauerte den Abbruch der Jamaica-Gespräche durch die FDP, obwohl es gerade in der Flüchtlingspolitik einige Gemeinsamkeiten gegeben habe. So bleiben jetzt drei Optionen übrig: 

  1. Neuwahlen, von denen die AfD am meisten profitieren dürfte

  2. Eine Minderheitsregierung, mit der man aber keine Erfahrung habe und die eine große Abhängigkeit von der Opposition bedeute

  3. Eine Neuauflage der Großen Koalition, wenngleich dies in gewisser Weise einer Koalition der Verlierer gleichkomme.

Eine "Wirtsstube", wie in einem Hotel oder in einer Tagungsstätte. Stephan Mayer am Rednerpult im Hintergrund.

Konsens aller etablierten Parteien in Deutschland ist es, nicht mit der AFD zu koalieren. (Stephan Mayer, CSU)

HSS

Dennoch sei eine Große Koalition immer noch die beste Variante in der jetzigen Situation, so Mayer. Viele Sorgen müsse man sich um Deutschland nicht machen und der neue Kanzler werde genauso wie der alte heißen. Für Volker Ullrich hängt die schwierige Regierungsbildung auch damit zusammen, dass nach zwölf Jahren eine gewisse Müdigkeit unter Kanzlerin Merkel spürbar sei. Dieser Anflug von Unzufriedenheit dürfe aber nicht dazu führen, den Segen westlicher Gesellschaften mit Wohlstand, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintauschen zu wollen gegen autoritäre Regierungsmodelle, wie sie aktuell in Russland oder China Zulauf fänden. Selbst in mittelosteuropäischen Ländern wüchsen die Zweifel am Wert an sich liberaler Demokratien. 

Partnerschaft mit Amerika 

In den transatlantischen Beziehungen könnten sich die USA laut Stephan Mayer auf Deutschland verlassen. Insbesondere in der CSU lege man größten Wert auf eine enge Partnerschaft mit Amerika und man wisse in München, dass Sicherheit in Europa ohne Amerika nicht denkbar sei. Der Altöttinger CSU-Politiker sparte nicht die Differenzen im transatlantischen Verhältnis in der Klima- und Handelspolitik aus, warnte aber, angesichts des anhaltenden Trump-Bashing anders lautende Positionen im Kongress und in einzelnen Bundesstaaten nicht mehr wahrzunehmen. So kritisiert der Senat Trumps Budgetkürzungen für das Außen- und Entwicklungsministerium, Kongressabgeordnete warnen vor einer Aufkündigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA und einzelne Bundesstaaten wie Kalifornien und New York schmieden Aktionsbündnisse in der Klima- und Migrationspolitik.

Eine "Wirtsstube" wie in einem Hotel oder einer Tagungsstätte. Rechts im Bild Volker Ullrich am Rednerpult. Beide Hände am Pult, resolut.

Für Volker Ullrich (CSU) ist eine enge Kooperation mit den USA unverzichtbar.

HSS

“Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Auf etlichen Politikfeldern bewegt sich die US-Politik in konventionellen Bahnen. Die Hysterie in Deutschland über Donald Trump ist oft fehl am Platz“, ist Stephan Mayer überzeugt. Notwendig seien vielmehr direkte Kontakte mit US-Vertretern und weniger die alleinige Bewertung der US-Politik über die Twitter-Botschaften des Präsidenten. Volker Ullrich verdeutlichte, dass die USA der wichtigste Handelspartner Deutschlands seien, dass an einer engen Kooperation kein Weg vorbeiführe und dass man gemeinsame Werte teile. Das Beziehungsgeflecht mit Amerika sei breit angelegt und keineswegs nur auf den Präsidenten ausgerichtet. 

Für die Medien ist Donald Trump ein Glücksbringer. Der US-Präsident sorgt für Quote und Schlagzeilen und man kann sich an ihm reiben. Doch „Trump abzulehnen ist noch keine Politik“, sagte Volker Ullrich. Der für seine scharfe Analyse bekannte Augsburger CSU-Politiker gab zu bedenken, dass der US-Präsident im Unterschied zu Putin oder Erdogan demokratisch gewählt sei. Und schließlich müsse man zur Kenntnis nehmen, dass Donald Trump eine US-Erwartungshaltung formuliere, die auch seine Amtsvorgänger bereits artikuliert hätten. Dazu zähle insbesondere eine faire Lastenteilung bei den Verteidigungsausgaben, deren Steigerung angesichts der pazifistischen Stimmungslage in Deutschland jedoch weitgehend unpopulär sei.

Positive Amerika-Haltung

Im Rahmen der spannenden Abenddiskussion gelang es den beiden Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer und Volker Ullrich, den Washingtoner Gästen aus Thinktanks, Regierung und Kongress ein realistisches Deutschland-Bild zu vermitteln und die Wahrnehmung zu zerstreuen, dass Deutschland handlungsunfähig sei oder im Regierungschaos feststecke. Ihre klare Analyse der politischen Lage in Berlin stieß auf großes Interesse in der US-Hauptstadt. Auf fruchtbaren Boden fiel ihr deutliches Bekenntnis zur transatlantischen Freundschaft, an der auf beiden Seiten des Atlantiks durchaus Risse erkennbar sind.