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Argentinien
Gescheitertes Attentat auf Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner

Autor: Prof. Dr. Klaus Georg Binder

Am Abend des 1. September 2022 wurde auf die argentinische Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner ein Attentat verübt. Kirchner war zwischen 2007 und 2015 Staatschefin Argentiniens. Zudem ist sie die Witwe des 2010 verstorbenen Ex-Präsidenten Néstor Kirchner.

Menschenansammlung vor dem Wohnhaus von Cristina Fernández de Kirchner in Buenos Aires.

Vor dem Wohnhaus von Cristina Fernández de Kirchner in Buenos Aires versammeln sich die Menschen, um gegen das Attentat zu protestieren.

Prof. Dr. Klaus Georg Binder

Der Vorfall ereignete sich vor Kirchners Wohnhaus in Recoleta, einem Stadtteil von Buenos Aires. Dort hatten sich zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer Kirchners versammelt. Auf einem Video ist in den Sozialen Medien zu sehen, wie die 69-Jährige aus einem Auto steigt und ihre Anhänger begrüßt, als plötzlich ein Mann eine Pistole auf ihren Kopf richtet. Kein Schuss löste sich und die Politikerin blieb unverletzt.

Der Angreifer wurde von Aktivisten und Personenschützern niedergerungen. Bei dem Täter handelt es sich um einen 35-jährigen Brasilianer, der bereits seit seinem sechsten Lebensjahr in Argentinien lebt. Die Hintergründe der Tat und das Motiv des Angreifers sind bislang noch völlig unklar.

Argentiniens Staatschef Alberto Fernández sprach von einem Mordanschlag, dem Kirchner nur knapp entgangen sei. Der Präsident sprach vom schwerwiegendsten politischen Vorfall seit dem Ende der Militärdiktatur 1983. Der Staatschef erklärte den Tag nach dem gescheiterten Attentat, also den 2. September, kurzerhand für arbeitsfrei, um den Argentinierinnen und Argentiniern die Möglichkeit zu geben, „in Frieden und Harmonie“ ihre Verurteilung des Attentats zum Ausdruck zu bringen.

Landesweite Proteste aus Solidarität

Am Freitag, den 2. September, demonstrierten sodann landesweit tausende Menschen gegen das Attentat auf Cristina Fernández de Kirchner. Vor allem regierungsnahe Parteien, Gewerkschaften und soziale Organisationen mobilisierten ihre Mitglieder. In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires versammelte sich eine große Menschenmenge auf der Plaza de Mayo, um sich mit der Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner solidarisch zu erklären und ein Ende der Gewalt im politischen Leben Argentiniens zu fordern.

Dass Kirchner am Ort des gescheiterten Attentats von einer Menschenmenge empfangen wurde, war den Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit geschuldet. Schon in den Tagen vor dem Attentat spielten sich vor Kirchners Wohnhaus chaotische, teils gewalttätige Szenen ab. Anhängerinnen und Anhänger „campierten“ dort, um Kirchner bei ihrer Auseinandersetzung mit der argentinischen Justiz symbolisch beizustehen.

Prozess gegen Kirchner wegen des Verdachtes auf Korruption

Kirchner wird vorgeworfen, Anführerin einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein und den Staat um umgerechnet etwa eine Milliarde Euro betrogen zu haben. Gemeinsam mit ihrem Mann habe sie einem befreundeten Bauunternehmer ohne Ausschreibungen eine ganze Reihe von öffentlichen Aufträgen zukommen lassen, heißt es. Ein Teil der überhöhten Baukosten sei später an das Ehepaar Kirchner zurückgeflossen. Die Vizepräsidentin weist die Vorwürfe als falsch zurück und wirft der Justiz vor, aus politischen Motiven gegen sie zu ermitteln. In dem laufenden Korruptionsprozess gegen sie hatte Staatsanwalt Diego Luciani unlängst zwölf Jahre Haft und eine lebenslange Sperre für öffentliche Ämter gefordert. Bis zur Urteilsverkündung können aber noch Monate vergehen. Zudem hat Kirchner das Recht, Berufung einzulegen, was das endgültige Urteil um Jahre verzögern würde.

Spekulationen, dass es sich bei dem gescheiterten Attentat um eine Inszenierung gehandelt haben könnte, sind wohl aus der Luft gegriffen. Cristina Fernández de Kirchner kann daraus nämlich keinen Nutzen ziehen. Eine unmittelbare Entscheidung der Justiz im Korruptionsprozess gegen sie steht nicht bevor. Die nächsten Präsidentschaftswahlen sind noch weit weg. Und die vom Bürgermeister von Buenos Aires, Horacio Rodríguez Larreta, geforderten und von den Kirchneristen vehement abgelehnten Straßensperren rund um das Wohnhaus von Cristina Fernández de Kirchner sind nun Realität.

Nach dem Attentat auf die Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner gab es einen Polizeieinsatz in Buenos Aires.

Nach dem Attentat auf die Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner gab es einen Polizeieinsatz in Buenos Aires.

Prof. Dr. Klaus Georg Binder

Reaktionen auf das Attentat

Mit wenigen Ausnahmen hat das gesamte politische Spektrum Argentiniens das gescheiterte Attentat verurteilt. Auch aus dem Ausland kamen zahlreiche Solidaritätsbekundungen. Der zur Opposition gehörende Bürgermeister von Buenos Aires, Horacio Rodríguez Larreta, schrieb auf Twitter von einem „Wendepunkt in der demokratischen Geschichte“ des Landes. „Heute müssen sich alle Argentinier mehr denn je für den Frieden engagieren“, so der Politiker.
Der rechtsgerichtete argentinische Ex-Staatschef Mauricio Macri brachte seine „absolute Ablehnung“ der Tat unmissverständlich zum Ausdruck und forderte eine „sofortige und gründliche Aufklärung durch Justiz und Sicherheitskräfte“.
Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro sprach Kirchner angesichts des „Attentats auf ihr Leben“ seine Solidarität aus.
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro beteuerte auf einer Wahlkampfveranstaltung, dass ihm die Geschehnisse leidtäten und dass er bereits eine Nachricht an Kirchner geschickt habe.
Der US-Botschafter in Argentinien, Marc Stanley, äußerte sich auf Twitter „erleichtert“, dass es Kirchner gut gehe. Die USA stünden in ihrer Ablehnung von „Gewalt, Extremismus und Hass“ an der Seite Argentiniens.

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Projektleitung: Prof. Dr. Klaus Georg Binder
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