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Interview mit "Bambini"-Trainerin des SC München Süd
Fußball macht Heimat

Autor: Susanne Hornberger

Aus dem Alltag einer Fußballtrainerin: Im HSS-Interview spricht Friederike Pfaffinger über die integrative Kraft des Fußballs und wie aus Kindern verschiedener Kulturen auf dem Platz eine Mannschaft wird. Ganz von alleine geht das aber nicht immer. Eine Herausforderung für die "Bambini"-Trainerin.

Friederike Pfaffinger im Fußballtrikot des Vereins, hält einen kleinen Fußball in der Hand und blickt in die Kamera.

Friederike Pfaffinger-Stoiber arbeitet in der Stipendiatenförderung der Hanns-Seidel-Stiftung. Schon von Kindesbeinen an spielt sie begeistert Fußball. Von 2012 bis März diesen Jahres war sie als Leiterin der Fußballjugend ihres Vereins SC München Süd e.V. aktiv. Bis heute trainiert sie mit viel Freude und Einsatz die "Bambinis" des vereinseigenen Fußballkindergartens.

F.Pfaffinger

„Europas große Fußballnationen schicken heute Spieler auf den Platz, deren Eltern einst zugewandert sind – nach Frankreich, in die Niederlande, auch nach Deutschland“ (DFB). Auch wenn die Diskussion nach der Fußballweltmeisterschaft gezeigt hat, dass noch immer Herausforderungen bestehen und wohl einiges zu tun ist: Fußball ist ein Mannschaftssport, nur gemeinsam werden Erfolge erzielt. In einem Team werden Brücken gebaut, die Grenzen überwinden helfen, es fallen Barrieren und Hemmungen.

Wir haben uns mal bei einer Praktikerin umgehört – Friederike Pfaffinger-Stoiber, Mitarbeiterin bei uns im Institut für Begabtenförderung. Sie ist als Fußball-Trainerin beim SC München Süd aktiv und trainiert Jugendliche von 4 bis 6 Jahren in München-Sendling.

HSS: Frau Pfaffinger-Stoiber, Sie trainieren beim SC Süd. Was für Hintergründe haben ihre Vereinsmitglieder?

Pfaffinger-Stoiber: Unsere Vereinsmitglieder haben unterschiedliche Nationalitäten und wollen einfach nur Fußball spielen bzw. „kicken“.


HSS: Sind unterschiedliche kulturelle Prägungen im Alltag bemerkbar?

In dieser Altersgruppe sind die unterschiedlichen Kulturen und Lebensarten noch nicht besonders ausgeprägt. Meist merkt man es eher an den Reaktionen der Eltern, dass die Einstellungen zu manchen Dingen noch sehr unterschiedlich sind: z.B. das Trainieren von Mädchen und Buben gemeinsam in einer Gruppe oder eine Frau als Trainer.


HSS: Seit unserem Sommermärchen 2006 ist in Deutschland Fußball eines der wenigen Felder, in denen Nationalstolz öffentlich gelebt wird. Traditionell steht dieser doch eher für Abgrenzung und das Exklusive und nicht für Integration. Ist das im Fußball anders? Warum?

Ich sehe das eigentlich nicht nur im Fußball so, sondern generell in allen sportlichen Wettkämpfen. Ob Olympia, ob Weltmeisterschaften - grundsätzlich hat jeder Sportbegeisterte oder Mitfiebernder, egal welcher Nation er auch angehört, generell kein Problem, „seinen“ Athleten die Daumen zu drücken. Bei der WM 2006 in Deutschland konnten gerade wir Deutschen eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass Integration und die Akzeptanz anderer Kulturen und Anschauungen nicht in einem Konflikt zu der eigenen Identität stehen muss. Gerade im Mannschaftsport und ganz besonders im Fußball hat sich das Verständnis im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen sehr gewandelt. Auch wenn leider immer wieder vereinzelte Aktionen oder Fangruppen das Bild etwas verzerren – fehlende Integration sollte in diesem Sport eigentlich kein Thema mehr sein, denn jeder ist das, was er ist - ein Fußballspieler, der sich im und für sein Team einsetzt. Und das akzeptieren die Spieler, Betreuer, Zuschauer und Fans auf der ganzen Welt.

Pfaffinger mit ein paar ihrer jungen Spieler in einem großen Tor.

"Fußball wird auf der ganzen Welt gleich gespielt . Damit sind schon mal die ersten Berührungsängste beseitigt und man lernt sich schnell und auf unkomplizierte Weise kennen." (Friederike Pfaffinger)

F. Pfaffinger


HSS: Stichwort: Kultur des Miteinander. Was begründet das Zusammengehörigkeitsgefühl in ihrem Verein?

Dass wir uns so akzeptieren und respektieren wie wir sind, jung – alt, verschiedener Nationalitäten, Frauen und Männer. Allerdings ist das nicht immer leicht. Ich denke schon, dass es im Sport allgemein eher ein Zusammengehörigkeitsgefühl gibt als ein Gegeneinander. Allerdings muss man hier ganz deutlich zwischen Einzelsportarten und Mannschaftssportarten unterscheiden. Denn etwa im Tennis oder beim Kampfsport gibt es nicht so viele Möglichkeiten, ein Miteinander aufzubauen. Denn schlussendlich ist man allein im Wettkampf, im Gegensatz zu einer Mannschaftsportart wie Fußball. Jeder weiß, dass eine Mannschaft nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied. Das gilt auch für unseren Verein.


HSS: Wie kann Fußball bei der Integration von geflohenen Menschen helfen?

Im Fußball sind alle gleich. Hier muss die jeweilige Landessprache gesprochen werden. Es hilft auf alle Fälle, die Sprache zu lernen und sich auch mit der Kultur auseinanderzusetzen und sich in gewisser Weise „anzupassen“. Außerdem kennt jeder Fußball. Der wird auf der ganzen Welt gleich gespielt. Damit sind schon mal die ersten Berührungsängste beseitigt und man lernt sich schnell und auf unkomplizierte Weise kennen.


HSS: Gibt es Hindernisse auf diesem Weg?

Das Problem bei Geflüchteten ist, dass die Behörden für ein Jahr die Mitgliedsbeiträge bezahlen und danach nicht mehr. Geflüchtete, bei denen sich die finanzielle Lage nicht geändert hat, bleiben dann unter Umständen den Beitrag schuldig. Auch, dass es ab dem 10. Lebensjahr ein „internationaler“ Wechsel ist, wenn für einen Spieler das Spielrecht für Verbandsspiele beantragt wird. Das verkompliziert das Ganze erheblich. Wenn man den Ausweis, eine aktuelle Einwohnermeldebescheinigung (ja kein anderes aber gleichwertiges Formular), den Passantrag (mit letztem Wohnort im Ausland, etc.), die Zusatzerklärung bei über 10-17-Jährigen und sonstige Formulare, die für die einzelnen Herkunftsländer noch gefordert werden, eingereicht hat, dauert es noch meistens mindestens vier Wochen, bis das Spielrecht erteilt ist. Bei einer Saison, die von August bis September und dann wieder von März bis Juni geht, kann das ziemlich lang sein.

Ein Fußball mit dem Aufdruck: Hanns-Seidel-Stiftung

"Wir akzeptieren und respektieren uns so, wie wir sind: jung – alt, verschiedener Nationalitäten, Frauen und Männer. Allerdings ist das nicht immer leicht." (Friederike Pfaffinger)

HSS


HSS: Wie können sich geflohene Menschen über die Angebote der jeweiligen Vereine informieren?

An Informationen über einen Verein zu gelangen, ist ziemlich schwierig. Das liegt meist schon daran, dass die Infos eben nur auf Deutsch verfügbar sind. Oft sind es die Flüchtlingsbeauftragten, die sich gut informiert haben und den Flüchtlingen dann mit Rat und Tat weiterhelfen.


HSS: Gibt es in Ihrem Verein Beispiele für die gelungene sportliche und dann auch gesellschaftliche Integration von Flüchtlingen?

Sportlich geht die Integration meist ziemlich schnell. Schwieriger gestaltet sich schon die gesellschaftliche Integration, wobei hier die Sprache das größte Hindernis darstellt. Oft sitzen zwar alle beieinander und kommunizieren auch miteinander. Doch irgendwann wird es für viele einfach zu anstrengend und jeder wendet sich dann vermehrt den „Verstehenden“ zu. Generell gilt aber, dass alle bemüht sind, ein vernünftiges Miteinander umzusetzen und das hat auch schon zu Arbeitsplatzvermittlung und Ähnlichem geführt.


HSS: Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Vereins?

Dass bei uns das sportliche Miteinander, die Freude am Fußball unserer verschiedenen Nationalitäten und der gegenseitige Respekt weiterhin so bleiben.


HSS: Zur gerade beendeten WM in Russland: Sollte, darf man Sport politisieren?

Meiner Meinung nach sollte sich die Politik generell aus dem Sport heraushalten. Hier geht es um das Wir und das Zusammenwachsen der Nationen und nicht um irgendwelche politischen Meinungen und Ansichten. Leider ist das im Zeitalter des Kommerzes leider nicht mehr so möglich. Darum ist es ja auch umso wichtiger, dass der Fokus eher auf die Vereine und hier insbesondere auf die Amateurvereine gelegt wird. Denn hier wird der Sport noch im Sinne des Sports praktiziert.


HSS: Erfahrungen mit Hooligans?

HOOOLIGANS! Am Sportplatz sind die schlimmsten Hooligans die Eltern, die meinen, ihre Kinder sind die zukünftigen Ronaldos, Neuers und (ich als 1860er-Fan) Sascha Mölders. Meiner persönlichen Meinung nach haben Gewalt und Rassismus im Sport absolut nichts zu suchen.


HSS: Eine besonders erwähnenswerte Situation?

Als echte Münchnerin spreche ich ein Münchner Bayrisch. Eines meiner neu in die Mannschaft gekommenen Kinder zupfte mich einmal am T-Shirt, schaute mich mit seinen großen braunen Augen an und meinte: „Rike, du redest so komisch, ich versteh dich nicht“. Mein kleiner Spieler hat mich dann aber im Laufe der Zeit gut verstanden. Zwischenzeitlich spricht er sogar ein paar Brocken Bayrisch!


HSS: Frau Pfaffinger, vielen Dank für das Gespräch.

Leiterin Onlineredaktion/Internet

Susanne Hornberger