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Interview
Frauenhandel wirksam bekämpfen

Die Hanns-Seidel-Stiftung, Renovabis und das Aktionsbündnis gegen Frauenhandel veranstalteten im Oktober zum 14. Mal eine gemeinsame Fachtagung zum Themenkomplex Frauenhandel. Mit unseren jährlichen Veranstaltungen wollen wir mehr öffentliches Bewusstsein für die Opfer von Zwangsprostitution schaffen und mit Fachleuten aus Politik und Wissenschaft, von Polizeibehörden und Fachberatungsstellen über Herausforderungen und Lösungsansätze diskutieren. Als ausgewiesene Expertin haben wir Monika Cissek-Evans von der Fachberatungsstelle JADWIGA für Sie interviewt.

Dame sitzend am Mikrofon in einem typischen Konferenzraum

Cissek-Evans forderte mehr Geld für Prävention, außerdem "gut besetzte und spezialisierte Polizeikommissariate".

HSS: Frau Cissek-Evans, Sie leiten seit fast 18 Jahren die Fachberatungsstelle JADWIGA für Opfer von Frauenhandel und sind Gründungsmitglied des Aktionsbündnisses gegen Frauenhandel. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen? 

Monika Cissek-Evans: JADWIGA ist eine Fachberatungsstelle, das heißt wir sind spezialisiert auf das Thema Menschenhandel in all seinen Facetten. Wir beraten und unterstützen Opfer von Menschenhandel mit landessprachlicher Beratung in zwölf Sprachen, wir vermitteln soziale, rechtliche und medizinische Hilfen und wir begleiten sie zu Ämtern und Behörden. In vertrauensvollen Beratungsgesprächen können die Betroffenen neue Lebensperspektiven entwickeln. 

 

HSS: In den Medien liest man, dass Deutschland in Europa mittlerweile als „Eldorado der Zwangsprostitution“ gilt. Wie kann das sein? Wo stehen wir heute im Kampf gegen Frauenhandel?  

Immer noch ist das wirtschaftliche Gefälle zu den osteuropäischen Ländern sehr groß. Täter haben es leicht, Frauen unter falschen Versprechungen anzuwerben. Sie haben keine Möglichkeiten ihre Familien zu unterstützen und keine Voraussetzung zur Teilhabe weder in ihren Heimatländern noch in Deutschland. Die immer noch schwierige strafrechtliche Verfolgung von Menschenhandel und fehlender Schutz der Opfer – einen grenzüberschreitenden Zeugenschutz gibt es nicht – erschwert einen konsequenten Kampf gegen Frauenhandel. 

 

HSS: Gibt es aktuelle Statistiken zum Phänomen „Frauenhandel“ in Deutschland? Wie groß schätzen Sie das Dunkelfeld ein?  

Es gibt das Bundeslagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes, diese Statistik weist für das Jahr 2015 364 abgeschlossene Ermittlungsverfahren in ganz Deutschland auf. Das Dunkelfeld ist mehr als zehn Mal so groß. Allein JADWIGA hat schon über 200 identifizierte Opfer. Es besteht eine große Diskrepanz zu der Anzahl im Bundeslagebild. 

 

HSS: Was könnte und müsste getan werden, um die Opfer des Frauenhandels besser identifizieren und schützen zu können?  

Seit der Fußballweltmeisterschaft im Jahre  2006 gab es keine öffentlich wirksame Präventionskampagne gegen Menschenhandel mehr. Die Ausbeutungsformen stehen nicht mehr im öffentlichen Fokus. Schutz bedeutet auch eine sichere Unterkunft anbieten zu können und den Lebensunterhalt zu sichern. Dies hat sich mit dem EU Beitritt der osteuropäischen Länder eher noch verschlechtert. 

 

HSS: Sind die derzeitigen Rechtsgrundlagen zur Verfolgung von Menschenhandel sowie für die Prävention und den Opferschutz ausreichend?

Um Menschenhandel effektiv verfolgen zu können braucht man auch gut besetzte und spezialisierte Polizeikommissariate. Für Prävention stehen keine finanziellen Mittel zur Verfügung und auch die Fachberatungsstellen müssten personell besser ausgestattet werden. Betroffene bräuchten auch Angebote, um aus dem Teufelskreis herauszukommen wie gezielte Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen und Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Das Opferentschädigungsgesetz müsste reformiert werden, dass auch psychische Verletzungen entschädigt werden können.  

 

HSS: Frau Cissek-Evans, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Dr. Susanne Schmid, HSS.

Gesellschaftliche Entwicklung, Migration, Integration
Dr. Susanne Schmid
Leiterin