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Extremismus in Deutschland – Schwerpunkte, Perspektiven, Vergleich

Politischer Extremismus ist nach wie vor ein ernstzunehmendes Problem in Deutschland. Besorgniserregend sind dabei nicht nur religiös-motivierte extremistische Strömungen, sondern auch links- und rechtsextremistische Gruppierungen.

Eckhard Jesse, TU Chemnitz

Eckhard Jesse, TU Chemnitz

Die Expertentagung „Extremismus in Deutschland – Schwerpunkte, Perspektiven, Vergleich“, welche die Hanns-Seidel-Stiftung in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Eckhard Jesse von der TU Chemnitz vom 11. bis 13. März im Bildungszentrum Kloster Banz veranstaltete, thematisierte nun bereits zum zehnten Mal die zentralen Phänomene des politischen Extremismus in Deutschland.

In seinem einleitenden Vortrag betrachtete Prof. Dr. Eckhard Jesse die Parteien vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt und konzentrierte sich vor allem auf die Alternative für Deutschland (AfD). Aufgrund verschiedener Faktoren seien die Wahlen „voller Superlative und Paradoxien“. Die AfD würde stark von der Flüchtlingskrise profitieren und vor allem in den unteren sozialen Schichten Anklang finden, langfristig hänge ihr Erfolg jedoch weiterhin von den aktuellen Gelegenheitsstrukturen ab sowie der Frage, ob es ihr gelänge, programmatisch wie personell sinnvolle Alternativen anzubieten.

Helmut Albert, Direktor des Landesamts für Verfassungsschutz Saarland

Helmut Albert, Direktor des Landesamts für Verfassungsschutz Saarland

In der Folge thematisierte Prof. Dr. Stefan Piasecki von der CVJM-Hochschule in Kassel das Verständnis von Kritik, Widerstand und Gewalt auf linksextremen Internetseiten. Für seine Studie untersuchte er Delikte in Berlin, die klar der politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen seien. Häufig seien nicht nur staatliche Einrichtungen, sondern auch Wissenschaftler oder Politiker Ziel der Straftaten. Piasecki machte dabei deutlich, dass sich über das Internet eine Radikalisierung problemlos auch ohne radikalisierendes Umfeld vollziehen könne. Neben einem entschiedenen „Kampf gegen Links“ und klarer Ablehnung von linken Gewaltaufrufen durch Politik, Medien und Gesellschaft müssten legitime und kreative Formen linken Protests weiter gefördert werden. Hierzu könne gerade die Sozial- und Jugendarbeit konkrete Impulse liefern.

Christine Schirrmacher, Universität Bonn

Christine Schirrmacher, Universität Bonn

Prof. Dr. Christine Schirrmacher, Islamwissenschaftlerin an der Universität Bonn, betrieb in der Folge eine Ursachenforschung zur Frage des Anspruchs des Islamischen Staates auf das Kalifat sowie seine Anziehungskraft auf Jugendliche in Europa. Nach dem Arabischen Frühling befänden sich nahezu alle Staaten im Nahen Osten in einer desolaten Lage, die den Aufstieg des IS beförderte. Nicht zuletzt würde der fehlende Konsens über zentrale theologische Fragen des Islams den Konflikt weiter befördern. Eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen sei daher zunächst die Ideologie des IS zu verstehen und ihr durch eine breite gesellschaftliche Debatte, insbesondere auch im Westen, den Nährboden zu entziehen. 

Direkt daran anschließend beschäftigte sich Dr. Helmut Albert, Direktor des Landesamtes für Verfassungsschutz im Saarland, mit der Frage nach dem Ende des IS. Eine klare Prognose abzugeben sei jedoch sehr schwierig. Sicherlich habe der IS im letzten Jahr sowohl territoriale als auch finanzielle Verluste hinnehmen müssen. Je schwächer er sich jedoch zeige, desto eher steige jedoch umgekehrt die Gefahr weiterer Terrorakte des IS im Westen. Dies geschehe auch vor dem Hintergrund, dass der IS eine mystische Entscheidungsschlacht mit westlichen Truppen suche. Wenngleich eine Bodenoffensive westlicher Truppen die Existenz des IS in seiner heutigen Form leicht zerschlagen könnte, würde die Ideologie überdauern und somit auch das Chaos in Syrien weiter bestehen.

Der letzte Abschnitt der Expertentagung war dem Rechtsextremismus in Deutschland gewidmet.

Dr. Walter Jung vom Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg wandte sich dabei dem Thema Antimodernismus im deutschen Rechtsextremismus zu und eröffnete mit der These, dass ein mehr oder minder offen artikulierter Antimodernismus bis heute das Ursprungs- und Kernideologem des deutschen Rechtsextremismus sei. Rechtsextremisten würden die Moderne als Entfremdung wahrnehmen, aus der sich ein Verlust an Bindungen, Werten, Kultur und traditionellen Deutungsmustern ergebe. Letztlich seien die Vorstellungen über die für die Zukunft anzustrebende Antimoderne absolut konstruiert, idealisiert, ahistorisch, teils mythisch und teils bewusst irrational mit der Sehnsucht nach einer „Wiederverzauberung der Welt“.

Den Abschluss der Tagung bildete der Extremismusforscher Dr. Rudolf van Hüllen mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Verbotes der NPD und analysierte dabei vier unterschiedliche Ebenen. Aus der Perspektive eines deutschen Rechtsextremisten würde etwas verboten, das im Recht sei, sodass sich weitere Radikalisierungen ergeben könnten. Für die zweite Ebene, die innere Sicherheit, sie ein Verbot insgesamt mit mehr Nachteilen als Vorteilen behaftet. Das gleiche gelte auch für die Ebene der politischen Kultur. Ebenso würde das NPD-Verbotsverfahren auf der vierten, europäischen Ebene eher als Scheinproblem wahrgenommen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass andere europäische Länder deutlich massivere Probleme mit rechtsextremistischen Parteien hätten. Ein Verbot der NPD würde daher insgesamt nicht schaden, allerdings auch nichts nützen. 

Außen- und Sicherheitspolitik
Andrea Rotter, M.A.
Leiterin