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Grenzschutz und Migrationsmanagement
EU will Lücken beim Informationsaustausch schließen

Autor: Angela Ostlender

Mit dem Ziel bestehende Lücken in national und gemeinschaftlich genutzten Informationssystemen zu schließen und damit die Weitergabe und den Abgleich von Daten zu erleichtern, legte die Europäische Kommission im Dezember 2017 Vorschläge zur Modernisierung bestehender Sicherheits-, Grenzschutz- und Migrationssteuerungssysteme vor.

Verbesserter Datenaustausch auf EU-Ebene soll vor allem eine effizientere Zusammenarbeit bei der Überprüfung der Identitätsdaten von Drittstaatsangehörigen gewährleisten und die Aufdeckung von gefälschten und Mehrfachidentitäten vereinfachen.

Nach dem Grundsatz der Schaffung einer einzigen Anlaufstelle soll künftig ein zentrales europäisches Suchportal zur Überprüfung aller Ausweispapiere genutzt werden.  Biografische und biometrische Daten sollen in einem gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten erfasst werden. Gleichzeitig muss jedoch gewährleistet sein, dass die europäischen Datenschutzstandards und die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte gewahrt sind.

Vertreter und Experten aus Diplomatie, den Europäischen Institutionen und Vertretungen beim Informations- und Meinungsaustausch mit dem Innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, MdB

Vertreter und Experten aus Diplomatie, den Europäischen Institutionen und Vertretungen beim Informations- und Meinungsaustausch mit dem Innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, MdB

HSS

Enorme Fortschritte auf dem Weg zu mehr Sicherheit

Unter dem hohen Migrationsdruck und der wachsenden terroristischen Bedrohung hat die EU in den vergangenen zwei Jahren viel auf den Weg gebracht. Stephan Mayer, MdB, bezeichnete bei einem Expertengespräch in Brüssel die europäischen Fortschritte im Bereich der Sicherheitszusammenarbeit als enorm. Aus seiner Sicht, sind vor allem mit den Verbesserungen beim Europäischen Reiseinformations- und ‑genehmigungssystem (ETIAS), beim Europäischen Ein- und Ausreiseregister (EES) sowie im Bereich der Harmonisierung und Verknüpfung (Interoperabilität) von Datensystemen entscheidende Schritte nach vorne gemacht worden. 

Sicherheit ist nicht nur für Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, das zentrale Thema. Auch im Rahmen der gescheiterten Sondierungsgespräche in Deutschland hätten sich alle potenziellen Partner für die Stärkung eines gemeinschaftlich organisierten Grenzschutzes durch die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX ausgesprochen. Die effiziente Sicherung der EU-Außengrenzen sei außerdem eine wesentliche Bedingung für die Gewährleistung von freiem Waren- und Personenverkehr innerhalb der EU.  Auch wenn zwischenzeitlich weniger Flüchtlinge das europäische Festland erreichten, warteten beispielsweise in Libyen noch unzählige Flüchtlinge auf die Überfahrt. Die  Marineoperation der EU im Mittelmeer, auch Mission Sophia genannt, rette Menschen in Seenot und bekämpfe Menschenschmuggel, habe jedoch keine Erlaubnis in libysche Gewässer vorzudringen. Diese Tatsache verringere ihren potenziellen Wirkungsgrad erheblich. Für Mayer müssen daher unbedingt Verhandlungen mit Herkunfts- und Transitländern geführt werden, auch wenn diese, wie Libyen, nur bedingt handlungsfähig sind. Kritisch bewertete Mayer die Tatsache, dass FRONTEX nicht aus eigener Initiative tätig werden kann, sondern nur auf Antrag von EU-Mitgliedstaaten. Hier sei ebenfalls ein Umdenken wünschenswert.

Im Rahmen der Expertendiskussion galt die Aufmerksamkeit auch aktuellen Vorschlägen zur verbesserten Zusammenarbeit zwischen EU und NATO. Die EU-Mitgliedstaaten haben kürzlich ein Positionspapier des Europäischen Auswärtigen Dienstes angenommen, das konkrete Felder zur effizienteren Sicherheitskooperation zwischen den beiden Organisationen benennt. Hierzu gehören hybride Bedrohungen, Cyber-Sicherheit, Migration sowie eine verbesserte operative Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen und die Unterstützung der Bemühungen der östlichen und südlichen Partner beim Aufbau von Kapazitäten. Die EU wird sich in den kommenden Jahren stärker in diesen Bereichen engagieren. Die hierfür notwendige Aufstockung des EU-Budgets ist derzeit auch Bestandteil der Verhandlungen um den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR) nach 2020.

Markus Ehm, Stephan Mayer und die Leiterin der Bayerischen Vertretung, Barbara Schretter

Markus Ehm, Stephan Mayer und die Leiterin der Bayerischen Vertretung, Barbara Schretter

HSS

Streitfragen: Reform des EU-Asylverfahrens und Datensicherheit

Obwohl sich bereits die drei letzten EU-Ratspräsidentschaften (Slowakei, Malta und Estland) sehr ambitioniert mit dem schwierigen Thema der Reform des EU-Asylverfahrens beschäftigt hätten, sei die einheitliche Asyl- und Flüchtlingspolitik bisher nicht verwirklicht worden, so Mayer, der sich für eine Europäische Asylagentur mit starken Bewertungskompetenzen aussprach. Nur so könnten die Unterschiede bei nationalen Verfahrenskriterien ausgeglichen werden. „Die momentane Phase der Entspannung und Stabilität muss genutzt werden, um das Asylverfahren endlich zu Ende zu bringen“, forderte Mayer. 

Mayer übte Kritik am Vorschlag des Europäischen Ratspräsidenten Donald Tusk, der das Ende eines verbindlichen Verteilungsmechanismus in Erwägung zieht. „Dieser Verteilungsmechanismus ist dringend erforderlich zur Entlastung der stark strapazierten Länder. Die vorgeschlagene Abschaffung wird heftige Diskussionen auslösen“, so der CSU-Politiker, der gleichzeitig mehr Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten in diesem Bereich forderte. Auch dürften einzelne Mitgliedstaaten nicht der gesamten EU ihren Willen aufdrängen. 

Ein weiterer Streitpunkt betrifft die EU-weite Harmonisierung und Verknüpfung (Interoperabilität) von IT-Systemen. Hier habe die von Kommissionspräsident Juncker eingesetzte hochrangige Expertengruppe mit ihrem im Mai 2017 vorgelegten Abschlussbericht ein beachtliches und positives Ergebnis erzielt, so Mayer. Einer effizienten Umsetzung stünden jedoch häufig umfassende Datenschutzregelungen im Wege. Dass der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil im vergangenen Jahr entschieden hat, Vorratsdatenspeicherung in der EU nur mit vorheriger gerichtlichter Genehmigung und ausschließlich zur Bekämpfung schwerer Straftaten zuzulassen, kritisierten die Gesprächsteilnehmer heftig. Für Mayer ist die Vorratsdatenspeicherung ein wichtiges Instrument, das sowohl bei der Prävention als auch bei der Fahndung nach Straftätern und bei der Rekonstruktion von Tathergängen Anwendung finde. Dies gelte für Terrorismusbekämpfung ebenso wie für die Verfolgung organisierter Kriminalität. Mayer sprach sich dafür aus, die Frist zur Speicherung von Vorratsdaten auf mindestens zehn Jahre auszulegen.

Konditionalität in der Entwicklungszusammenarbeit

Abschließend wurde im Rahmen des Expertengesprächs mit Vertretern der Europäischen Institutionen und weiteren in Brüssel ansässigen Organisationen auch die Situation in den Herkunftsländern thematisiert. Die Tatsache, dass einige Länder nicht bereit seien, Flüchtlinge zurückzunehmen, sei nicht akzeptabel. Auch sollten sich Herkunftsländer wirksamer an der Entwicklung von Problemlösungen zur Eindämmung der Migration beteiligen, so Mayer. „Es kann nicht sein, dass einzelne Hilfsmittelempfänger sich nicht kooperativ zeigen. Visaerleichterungen müssen daher auch an die Bereitschaftschaft zur Rücknahme von Flüchtlingen gekoppelt sein“, sagte der CSU-Innenpolitiker. Ferner empfahl er, die Themenbereiche  Entwicklungszusammenarbeit und Innere Sicherheit besser in Verbindung zu setzen, und sprach sich für eine europaweite Harmonisierung von Hilfsleistungen aus, um die Sogwirkung einzelner Staaten wie Deutschland zu vermindern.

EU-Initiativen in den Bereichen Migration – Asyl – Grenzschutz: Wer macht was?

Die EU hat in den vergangenen Jahren in den Bereich Migration, Asyl und Grenzschutz viele Initiativen auf den Weg gebracht und bestehende Einrichtungen und Systeme den aktuellen Erfordernissen angepasst. Nachstehend ein Überblick:

Die Agentur fungiert als Kompetenzzentrum für Asylfragen. Sie leistet einen Beitrag zur Entwicklung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durch die Vereinfachung, Koordinierung und Stärkung der praktischen Zusammenarbeit zwischen EU-Ländern in Asylfragen. Sie unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Erfüllung ihrer europäischen und internationalen Verpflichtungen zum Schutz von Menschen in Not. (EASO)

ECRIS wurde im April 2012 zur Erleichterung des EU-weiten Informationsaustauschs über Strafregister eingerichtet. Es stellt elektronische Vernetzungen zwischen den Mitgliedstaaten her und führt Vorschriften ein, um sicherzustellen, dass die in den Strafregistern der Mitgliedstaaten enthaltenen Informationen zu Verurteilungen über elektronische Standardformate auf einheitliche und zügige Weise und innerhalb kurzer gesetzlicher Fristen ausgetauscht werden können. (ECRIS)

Das EES soll auf Drittstaatsangehörige, sowohl für visumpflichtige als auch für visumfreie Reisende, angewendet werden, die für einen Kurzaufenthalt (höchstens 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen) im Schengen-Raum zugelassen sind. Das EES sammelt Daten (Identität und Reisedokument) und registriert Einreise- und Ausreiseeinträge (Datum und Ort der Ein- und Ausreise), um die Grenzüberquerung von Bona-Fide-Reisenden zu erleichtern und um Personen mit abgelaufener Aufenthaltsgenehmigung identifizieren zu können. (EES)

Das Europol-Informationssystem (EIS) ist Europols zentrale Datenbank für kriminalpolizeiliche Informationen und Erkenntnisse. Sie deckt alle von Europol in den Strafverfolgungsbereichen vorgesehenen Bereiche ab, einschließlich des Terrorismus. (EIS)

Mit ETIAS werden Informationen über alle Reisenden erfasst, die visumfrei nach Europa reisen; damit sollen mögliche Sicherheitsbedenken noch vor der Einreise in den Schengen-Raum ermittelt werden. (ETIAS)

EURODAC ist ein Fingerabdruck-Identifizierungssystem für den Abgleich der Fingerabdruckdaten aller Asylbewerber sowie von bestimmten Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, wenn die betreffenden Personen älter als 14 Jahre sind. Der Datenabgleich soll verhindern, dass Personen in mehreren EU-Mitgliedstaaten Asyl beantragen können. (EURODAC)

Die Agentur eu-LISA bietet technologische Unterstützung, um Europa durch den Einsatz von Technologie sicherer zu machen. Sie  verwaltet integrierte IT-Großsysteme, die für innere Sicherheit in den Schengen-Ländern sorgen, den Schengen-Ländern ermöglichen, Visadaten auszutauschen und ermitteln, welches EU-Land für die Überprüfung eines bestimmten Asylantrags zuständig ist. (eu-LISA)

Frontex unterstützt die EU-Länder und die assoziierten Schengen-Staaten bei der Verwaltung ihrer Außengrenzen. Daneben trägt die Agentur zur Harmonisierung der Grenzkontrollen in der EU bei. Sie erleichtert die Zusammenarbeit zwischen den Grenzbehörden in den einzelnen EU-Ländern, indem sie technische Unterstützung leistet und Fachwissen bereitstellt. (Frontex)

Die Richtlinie sieht die Verpflichtung der Luftfahrtunternehmen vor, die PNR-Daten, die sie im normalen Geschäftsverkehr erhoben haben, an die Mitgliedstaaten zu übermitteln. Die Mitgliedstaaten richten spezifische Einrichtungen ein, die für die Speicherung und Verarbeitung von PNR-Daten zuständig sind und als Fahrgast-Informationseinheiten bezeichnet werden. Die Richtlinie regelt die Art und Weise, in der die Mitgliedstaaten die gesammelten PNR-Daten verwenden können, und sieht die erforderlichen Datenschutzgarantien vor. (Richtlinie)

Die SIENA ist eine Plattform, die den schnellen und benutzerfreundlichen Austausch von Informationen über operative und strategische Kriminalität zwischen Verbindungsbeamten, Analysten und Experten von Europol, Mitgliedsstaaten und Dritte, mit denen Europol Kooperationsabkommen geschlossen hat, ermöglicht. SIENA sorgt für den sicheren Austausch von sensiblen und eingeschränkten Informationen. (SIENA)

Das Schengener Informationssystem ist ein Informationssystem für die Sicherheitsbehörden der Schengen-Länder. Es dient der automatisierten Personen- und Sachfahndung in der Europäischen Union (EU). Es besteht aus nichtöffentlichen Datenbanken, in der unter anderem im Schengen-Raum unerwünschte, vermisste und zur Fahndung ausgeschriebene Personen gespeichert werden. (SIS)

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter