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Ethik der Stadt – Konsequenzen für die Kommunalpolitik

Der Trend zur Urbanisierung und Verstädterung ist unübersehbar. Nicht nur große Metropolen wachsen stetig, sondern auch Städte kleinerer und mittlerer Größenordnung. Dies stellt die Kommunen vor vielfältige Herausforderungen, nicht nur was Wohnraum, Infrastruktur oder Nahverkehr angeht. Metropolen sind heute in vielfältiger Hinsicht nicht nur als Folge der sogenannten Migration, multikulturell verfasst.

Ludwig Spaenle

Ludwig Spaenle

Dem Zusammenwirken und den Herausforderungen an Kommunalpolitik und an großstädtische Parteien, als besondere Akteure der demokratischen Meinungsbildung, widmete sich eine Expertentagung der Akademie für Politik und Zeitgeschehen am 7. April 2016 im Konferenzzentrum in München.

Ludwig Spaenle, Ursula Münch, Ursula Männle, Julian Nida-Rümelin

Ludwig Spaenle, Ursula Münch, Ursula Männle, Julian Nida-Rümelin

Dem Zusammenwirken und den Herausforderungen an Kommunalpolitik und an großstädtische Parteien, als besondere Akteure der demokratischen Meinungsbildung, widmete sich eine Expertentagung der Akademie für Politik und Zeitgeschehen am 7. April 2016 im Konferenzzentrum in München.

In ihrer Begrüßung erinnerte Prof. Ursula Männle an die spezifische Situation in den Städten und urbanen Zentren. Sie betonte insbesondere die Gefahr, dass sich aufgrund der sozialen Entwicklung immer größere Teile der Stadtgesellschaft ausgeschlossen fühlen könnten. Dies zeige sich auch an einer wachsenden Spreizung der Wahlbeteiligung und der politischen Partizipation insgesamt. Die Hanns-Seidel-Stiftung ihrerseits beteilige sich an einem Projekt der politischen Stiftungen in Deutschland, das unter dem Titel „Demokratie braucht Wählerinnen und Wähler“ dieser Entwicklung entgegen wirken wolle. Dabei werde sich die Hanns-Seidel-Stiftung auch künftig mit eigenen Projekten in diesem Bereich betätigen.

Julian Nida-Rümelin, Gerhard Hirscher, Ursula Münch, Ludwig Spaenle

Julian Nida-Rümelin, Gerhard Hirscher, Ursula Münch, Ludwig Spaenle

Prof.  Dr. Julian Nida-Rümelin von der Ludwig-Maximilians-Universität München betonte in seinem Vortrag den engen Zusammenhang zwischen Demokratie und Stadt. Nur in einem städtischen Umfeld hat sich die moderne Demokratie seit der Antike entwickeln können. Nur eine urban geprägte Kultur macht Demokratie erst möglich. Er stellte die Frage, ob die Stadt als gestaltete Lebenswelt heute noch präsent sei. Die Städte stehen heute, so Nida-Rümelin, vor großen Herausforderungen, vor allem die der Erosion der Gestaltungskraft. Diese müsse unbedingt gestärkt werden, insbesondere um die zahlreichen Neuankömmlinge – nicht nur aus dem Ausland – integrieren zu können. Die Erosion städtischer Bürgerschaft dürfe nicht dazu führen, dass immer mehr Bürger „unter sich“ blieben wollen und sich so Parallelgesellschaften bilden. Dazu sei es auch wichtig, dass insbesondere bei der Stadtentwicklung nicht ein Marktradikalismus durchsetze, sondern  dass diese gestaltet und kulturell eingebettet werde. Überhaupt sei die Wahrung einer vitalen Stadtkultur von zentraler Bedeutung, wobei eine weitere Verdichtung der Besiedlung auf geeigneten innerstädtischen Flächen dazu kein Widerspruch sei. Diese sei Teil der städtischen Identität und könne zu einer verbesserten Kommunikation beitragen.

Prof. Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung Tutzing, betonte die rückläufige politische Beteiligung in den Städten. Wenn, wie in München bei der OB-Stichwahl, nur eine Wahlbeteiligung von 38,5% erreicht werde, dann sei dies problematisch.  Andererseits sei, wie die Landtagswahlen vom 13. März 2016 gezeigt haben, nicht jede Steigerung der Wahlbeteiligung an sich positiv. Allerdings sei, so Frau Münch, eine Protestwahl immer noch besser als Nichtwahl, weil diese ein politisches Signal sei, auf das besser reagiert werden könne. Insgesamt seien heute die Rahmenbedingungen für politisches Engagement  anders und es herrsche generell eine stärkere Eigennutzorientierung auch bei der politischen Partizipation. Zugleich ist die Teilhabe immer stärker sozial ungleich verteilt und es macht sich der Eindruck breit, die Politik kümmere sich nicht um die einfachen Leute. Dies bedeute insbesondre Probleme für die Volksparteien in den großen Städten. Diese müssten unbedingt ihre Mobilisierungsfunktion erhalten und Agenten der lokalen Verankerung bleiben. Sie können durchaus eine Basis für Integration sein. Ein neuer Lokalismus könne beispielsweise durchaus ein Mittel sein, die digitale Zivilgesellschaft zu stärken.

Dr. Ludwig Spaenle, Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst  betonte ebenfalls die Bedeutung der Stadt im historischen Kontext. Erst die europäische Stadt habe Emanzipation, Sicherheit und sozialen Aufstieg ermöglicht. Sie ist bis heute der Kernpunkt aller gesellschaftlichen Entwicklungen. Insofern ist sie auch für die Politik von zentraler Bedeutung. Spaenle formulierte insbesondere die Frage, wie sich „Citizenship“ im Zeitalter der elektronischen Kommunikation erhalten können lasse. Er sah die Problematik der „neuen Alleingelassenen“ in den Großstädten, die von der Politik wieder erreicht werden müssen. In München haben auch die Stadtteilparlamente, die es nur dort gibt, zu einer Steigerung der Partizipation beigetragen. Die CSU sei nach wie vor eine erfolgreiche Großstadtpartei. Gehe diese Verankerung verloren, dann sei dies – wie bei anderen Parteien erkennbar – auch ein Problem für die Bundespolitik.