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Transatlantic Talk
Die US-Wahlen 2016

Persönlichkeiten, Polarisierung und Partnerschaft - das waren die drei großen Themen des „Transatlantic Talk mit dem Bestsellerautor E.J. Dionne, dem ehemaligen Redenschreiber von Präsident George W. Bush, Michael Gerson, sowie Prof. Dr. Stephan Bierling, Universität Regensburg.

E.J. Dionne

E.J. Dionne

Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner, dem American Institute for Contemporary German Studies (AICGS, Johns Hopkins University), begrüßten wir den Bestsellerautor E.J. Dionne („Our Divided Heart“) und den ehemaligen Redenschreiber von Präsident George W. Bush, Michael Gerson, sowie Prof. Dr. Stephan Bierling, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Regensburg. Im moderierten Gespräch mit Dr. Jackson Janes, Präsident des AICGS, bewerteten sie den amerikanischen Vorwahlkampf, seine Akteure und Themen, und widmeten sich den außenpolitischen Erwartungen, welche die USA und Deutschland an sich als Partner stellen.

Gleich zu Beginn prognostizierte Dionne, dass der derzeit wohl prominenteste republikanische Kandidat für die Präsidentschaftskandidatur, Donald Trump, sicher nicht der nächste amerikanische Präsident werden würde. Trotzdem sei es lohnenswert, sich mit seiner Person auseinanderzusetzen, könne er doch als Symptom einer gesellschaftlichen Entwicklung seines Landes gelten. Zwar deckten sich die vermeintlich erfolgreiche Darstellung in den Medien und Trumps Selbstinszenierung nicht mit Umfrageergebnissen. Doch fänden sich einige laute Vertreter der Republikaner, die ihn öffentlich unterstützten. Hierbei handele es sich jedoch um einen nur kleinen Anteil der Partei und damit einen noch kleineren der Gesamtbevölkerung. Zur weiteren Erklärung verglich Dionne die Unterstützung für Donald Trump mit dem Zulauf der AfD auf deutscher Seite: Besonders wirtschaftlich benachteiligte und daher frustrierte Wählerinnen und Wähler seien unter den Fürsprechern dieser beiden neuen, eher rechten Phänomene zu finden. Unter diesen fehle es auf amerikanischer Seite zudem an dem Optimismus, der das Land kulturell auszeichne. Langfristig aber sieht Dionne für die „Marke“ Trump keine Zukunft. Mit der fortlaufenden demographischen Entwicklung des Landes würden Wählergruppen wachsen, die sich von Trump keinesfalls angesprochen fühlten, vor allem die junge Generation sowie Migrantinnen und Migranten. Kurzfristig problematisch sei jedoch, dass eben diese entscheidenden Bürgerinnen und Bürger zumeist überproportional den Wahlen fernblieben.

Michael Gerson

Michael Gerson

Gerson pflichtete dem bei und bewertete Trump als wenig seriösen Kandidaten, ebenso wie Ted Cruz und Ben Carson, die beide derzeit noch populär erschienen. Die besten Erfolgsaussichten auf die republikanische Kandidatur gab Gerson Marco Rubio, der gemeinsam mit Paul Ryan als Sprecher des House of Representatives ein gutes republikanisches Team an der Spitze der USA bilden könne. Mit Blick auf Trump fügte Gerson hinzu, dass dessen Unterstützer vor allem weiße Christen seien, die sich im Zuge des demographischen Wandels und der damit zunehmenden gesellschaftlichen Vielfalt als „Fremde im eigenen Lande“ fühlten. Trump bediene eben diese Emotionen, was sich am deutlichsten in seinem nostalgisch anmutenden Wahlspruch widerspiegele: „Make America great again“. Sollte Trump damit wider Erwarten doch die republikanische Präsidentschaftskandidatur für sich entscheiden, so würde der Großteil seiner Partei eher für eine demokratische Kandidatin Hillary Clinton stimmen, als für den eigenen Kandidaten. Dass Clinton die Kandidatur der Demokraten gewinnen werde, darüber war sich das Panel einig. Zwar könne ihr die Affäre um den privaten Server noch zum Verhängnis werden, so Gerson, doch als widerstandsfähige und erfahrene „Staatsdienerin“, die zudem politisch mittiger einzuordnen sei als Barack Obama und damit ein größeres politisches Spektrum anspreche, sei sie eine starke Kandidatin.

Bierling bewertete die aktuelle Lage in den USA für die transatlantischen Beziehungen. Was die amerikanische Außenpolitik angehe, so Bierling, fürchteten Deutsche, die sich ernsthaft mit den USA beschäftigten, einen möglichen amerikanischen Isolationismus. Und auch diejenigen, die sich einen Rückzug Amerikas aus der Weltpolitik nach 9/11 und dem Irakkrieg gewünscht hätten, beklagten nun häufig die internationale Zurückhaltung Obamas. Selbstkritisch beschrieb Bierling, wie ein Großteil der Deutschen auf den laufenden Vorwahlkampf reagiere. Dass Trump auch auf dieser Seite des Atlantiks in aller Munde sei, sehe er darin begründet, dass dieser beliebte Vorurteile bediene, welche den deutschen moralischen Hochmut gegenüber eines ansonsten übermächtigen Partners USA rechtfertigten. Dabei, so Bierling, befinde sich der Wahlkampf noch in einer Spielphase. Ernstere Themen und Akteure würden bald die Agenda bestimmen. Denn das amerikanische System der „Checks and Balances“ sei so angelegt, dass ein Donald Trump langfristig keinen Schaden werde anrichten können.

Stephan Bierling, Michael Gerson, E.J. Dionne, Jackson Janes, Alexander Wolf

Stephan Bierling, Michael Gerson, E.J. Dionne, Jackson Janes, Alexander Wolf

Während Dionne und Gerson mit Blick auf die internationale Zusammenarbeit amerikanische Fehler bezüglich Irakkriegs und „Islamischer Staat“ einräumten, fand auch Bierling deutliche Worte für das deutsche außenpolitische Auftreten. So warnte er vor einer erneuten Zurückhaltung ähnlich wie in Libyen, da dies das Vertrauen in Deutschland als internationalen Partner schwerwiegend schwächen würde.

In der abschließenden Fragerunde stellte das Publikum gezielte Nachfragen an das Panel. Angesprochen auf TTIP betonte Gerson den amerikanischen Glauben an eine Liberalisierung des Welthandels, bemerkte aber auch, dass Hillary Clinton sich gegen das transpazifische Freihandelsabkomme TPP positioniert habe. Bierling ergänzte aus deutscher Perspektive, dass Deutschland traditionell als Freihändler gelte und kritisierte, dass die Regierung das Ruder in der öffentlichen Debatte von Anfang an aus der Hand gegeben habe. Abschließend gaben die Podiumsgäste ihre Einschätzung zu einer prominenten, aber bisher weniger in Erscheinung getretenen Personalie: Jeb Bush, Sohn sowie Bruder zweier ehemaliger US-Präsidenten. Gerson und Dionne beschrieben ihn als bisher zu introvertiert und pessimistisch, schlossen sich aber der Einschätzung von Bierling an, dass noch lange nichts entschieden sei: Umfragen hätten noch keine belastbare Aussagekraft, vielmehr würden die Amerikanerinnen und Amerikaner sich erst spät festlegen.