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Die Umwelt- und Sozialenzyklika des Papstes

„Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten“, so Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si – über die Sorge für das gemeinsame Haus“, denn: Umweltverschmutzung, Klimawandel, Armut und Ungerechtigkeit dürfen uns nicht gleichgültig sein.

Thomas Silberhorn bei der Diskussion

Thomas Silberhorn bei der Diskussion

Anlass für die Hanns-Seidel-Stiftung, sich im April in einer hochrangig besetzten Podiumsdiskussion näher mit den Aussagen der Enzyklika zu beschäftigen.

Als die Enzyklika veröffentlicht wurde, fand dies weit über das kirchliche Umfeld hinaus Beachtung, sie wurde zum Teil sogar als revolutionär bezeichnet, erläuterte Prof. Dr. Johannes Wallacher (Präsident der Hochschule für Philosophie München und Professor für Sozialwissenschaften und Wirtschaftsethik), der als Moderator durch den Abend führte. Dass die Hanns-Seidel-Stiftung die Papst-Enzyklika auch jenseits aktueller Großereignisse und Schlagzeilen zum Thema macht, wurde sowohl vom Podium als auch vom Plenum sehr positiv aufgenommen.

Anthropogene Veränderungen des Erdsystems

In „Laudato si“ beschreibt Papst Franziskus, wie wir durch unseren Lebensstil, etwa durch den Ausstoß von Abgasen, durch Vermüllung, durch Ressourcenausbeutung und Eingriff in die Ökosysteme, die Umwelt schädigen. In seinem Überblick über die ökologische Krise bezieht er sich auf den Stand der wissenschaftlichen Forschung (Laudato Si, Absatz 15).

Prof. Wolfgang Lucht ist Physiker und Ko-Leiter des Forschungsfelds Erdsystemanalyse am renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. In seinem Beitrag zeigte er auf, wie „wirkmächtig“ der Mensch ist: Würde man etwa sämtliche Öl-, Gas- und Kohlevorräte verheizen, würde dies die Antarktis zum Abschmelzen bringen. Unser Einfluss, so Lucht, greift in die natürliche Dynamik ein. So haben sich bereits die Zyklen zwischen den Eiszeiten verschoben, die Strömungssysteme der Ozeane und der Atmosphäre verändern sich und Ökosysteme von überregionaler Bedeutung sind bedroht. Von besonderer Bedeutung sind dabei so genannte Kippelemente im Erdsystem. Schon kleine externe Störungen können sich in einem selbstverstärkenden Prozess aufschaukeln und zu einer Systemveränderung führen. Die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit stehen dann auf dem Spiel.

„Der Klimawandel ist ein globales Problem mit schwerwiegenden Umwelt-Aspekten und ernsten sozialen, wirtschaftlichen, distributiven und politischen Dimensionen; sie stellt eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar“. (Laudato Si, Abs. 25).

Zwar ist in manchen Industrieländern bereits ein Rückgang der klimaschädlichen CO2-Emissionen zu verzeichnen, doch dafür steigt er wiederum in anderen Regionen, etwa in China oder Indien, an. Der Physiker ist daher trotz der relativ positiv zu wertenden Ergebnisse der UN-Klimakonferenz in Paris skeptisch, dass das 2°C-Ziel erreicht wird. Die Enzyklika, die sich auch auf die Warnungen der Wissenschaft beruft, ist für ihn daher ein wichtiger Baustein hin zu mehr Verantwortung. Lucht: „Wir müssen decarbonisieren, und das ginge auch. Allerdings: Auf reine Anpassung zu setzen, würde falsche Hoffnungen wecken. Es geht nicht ohne eine große Transformation“.

Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt

„Papst Franziskus beschäftigt sich damit, wie das Ruder noch herumgerissen werden kann - und er gibt Hoffnung! Aber wir dürfen den Problemen nicht mit Leugnen, Gleichgültigkeit oder blindem Vertrauen in Technik begegnen“, so Prof. Dr. Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg und Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz.

Der Titel der Podiumsdiskussion „Verantwortung für die Eine Welt – Ein Aufruf“ findet sich in ähnlichen Worten auch in der Enzyklika, erläutert Schick. In seinem Vortrag ging der Bamberger Erzbischof auf wesentlich Eckpunkte der Enzyklika ein. So heißt es dort wortwörtlich

„Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können. Der Schöpfer verlässt uns nicht, niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher … Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit zusammenzuarbeiten, um unser gemeinsames Haus aufzubauen“ (Laudato Si, Absatz 13).

Die Schöpfung ist das gemeinsame Haus aller Menschen, sie hat uns unendliche Ressourcen geschenkt. „Ein einzigartiges Kapital“, so Schick, doch sollten wir von den Zinsen leben, und nicht vom Kapital selbst. Auch ist die Schöpfung nicht ein Gebrauchsgegenstand der Menschen, sondern hat einen Eigenwert. Leider gilt, so Schick: „Was man nicht liebt, erkennt und bewahrt man nicht. Vielleicht haben wir die Schönheit der Schöpfung viel zu lange vernachlässigt“. So wundert es nicht, dass sich die Enzyklika auf Franz von Assisi bezieht, der durch sein Wirken die Einzigartigkeit und Schönheit der Natur vor Augen geführt hat.


“Wenn jemand nicht lernt innezuhalten, um das Schöne wahrzunehmen und zu würdigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen Gegenstand verwandelt, den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann.“ (Laudato Si, Absatz 215).

Die gegenwärtigen Probleme haben für Papst Franziskus ethische und spirituelle Wurzeln. Daher kann es für ihn nicht um rein technische Lösungen gehen, es braucht auch eine Veränderung des Menschen, seiner Überzeugungen, Verhaltensweisen und Lebensformen und eine Änderung seiner Grundhaltung, nämlich weg von der Selbstbezogenheit, hin zu Achtsamkeit gegenüber den anderen und der Umwelt. Schick: „Die Freude an Gemeinschaft soll der Lust am Konsum weichen. Umweltgerechtes Handeln kommt allerdings nicht von selbst. Die Enzyklika widmet sich daher auch den Aspekten der Umwelterziehung.“  Politik, Kirchen und Zivilgesellschaften sind dazu aufgerufen, die Menschen zu sensibilisieren.

Umweltprobleme und soziale Ungerechtigkeit gehen allerdings nicht nur Einzelne an, sondern ganze Länder. Für Papst Franziskus geht es auch um eine Ethik der internationalen Beziehungen. Und so lautet sein Aufruf im Wortlaut:

„Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle“ (Laudato Si, Absatz 14)

Eine Perspektive schaffen

Wie sieht es mit der internationalen Verantwortung für die Eine Welt aus? Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), erläuterte den aktuellen Stand der so genannten „2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung“. Diese führt zwei zuvor getrennte UN-Verhandlungsprozesse zusammen: Den 1992 mit dem Erdgipfel begründete Rio-Prozess und den Prozess der Millenniumentwicklungsziele. Die Agenda 2030 wurde am 25. September 2015 beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel der Staats- und Regierungschefs verabschiedet, sie wird die internationale Zusammenarbeit in zentralen Politikbereichen in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich prägen. (à vergleiche hierzu den Bericht zu unserer Veranstaltung „Eine Agenda für die Welt“.

Gemeinsam mit den G7-Staaten und den Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hat das BMZ verschiedene Initiativen gestartet, die die Entwicklungsländer dabei unterstützen, ihre Zukunft "klimasicher" zu gestalten. Silberhorn: „Wichtig ist, dass die Politik sich auf den Weg macht, auch wenn wissenschaftlich noch nicht durchdekliniert ist, welche Instrumente nun am wirkungsvollsten sind, um das 2°-Ziel zu erreichen“.  So setzt sich das BMZ sehr stark für den Ausbau erneuerbarer Energien in Afrika ein, um den wachsenden Energiebedarf dort zu lösen. Eine weitere Initiative ist Verbreitung von Klimarisikoversicherungen: „Damit können Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern gegen extreme Wetterereignisse versichert werden“.

Die globalen Umwelt- und Entwicklungsprobleme sieht Silberhorn auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingswelle. Silberhorn: „Wir müssen rechtzeitig handeln. Die Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sind nur ein winzig kleiner Teil der Migration. Global gesehen bleiben 90 Prozent aller Flüchtlinge in den Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Die meisten Migranten werden von den Nachbarländern aufgenommen. Es reicht nicht, jenen zu helfen, die es bis hierher geschafft haben. Wir müssen die Situation in den Herkunfts- und Nachbarländern beachten und dort unterstützen. Wir müssen die betroffenen Regionen stärken und insbesondere für die dortigen Kinder Perspektiven schaffen – Bildung, Ausbildung, Arbeit.“ Es gibt viele weitere Fragen, die auf globaler Ebene zu diskutierten sind, so Silberhorn, etwa aktuell das Steuerrecht und die Steuerschlupflöcher, die Welthandelspolitik - mehr Transparenz in den Lieferketten und in der Entlohnung. Mit diesen Stichworten griff Silberhorn, ohne es explizit zu erwähnen, weitere Aspekte der Enzyklika auf:

Denn es gibt eine wirkliche »ökologische Schuld« – besonders zwischen dem Norden und dem Süden – im Zusammenhang mit Ungleichgewichten im Handel und deren Konsequenzen im ökologischen Bereich wie auch mit dem im Laufe der Geschichte von einigen Ländern praktizierten unproportionierten Verbrauch der natürlichen Ressourcen“ (Laudato Si, Absatz 51.)

Agenten des Wandels

Stephan Werhahn (Vorstandsmitglied Bund Katholischer Unternehmer, Vizepräsident Union Internationale des Associations Patronales Catholiques), stammt selbst aus einem Familienunternehmen und ist der Überzeugung: „Wachstum ist unverzichtbar, aber es sollte umweltschonend und sozial gerecht gestaltet werden. Ausbeutung zahlt sich nicht aus“. Er begrüßt daher die Enzyklika. Moralische Apelle allein reichen seiner Meinung nach allerdings nicht aus, um die geforderte Transformation einzuleiten: „Moral gilt nur, bis ich ertappt werde“. Er plädiert dafür, die Idee der Sozialen Marktwirtschaft „in die internationale Welt zu transportieren“, wobei er klar macht: „Punktuelle Projekte sind nur Tropfen auf dem heißen Stein“. Er verweist auf die Enzyklika, die sanktionierbare Regeln und eine starke Weltinstitution fordert.

 „In diesem Kontext wird es unerlässlich, stärkere und wirkkräftig organisierte internationale Institutionen zu entwickeln, die Befugnisse haben, die durch Vereinbarung unter den nationalen Regierungen gerecht bestimmt werden, und mit der Macht ausgestattet sind, Sanktionen zu verhängen.“ (Laudato Si, Absatz 175)

Werhahn: „Das muss konkretisiert werden“. Innerhalb seiner Vereinigung werden diese Werte durchaus diskutiert, aber: „die Umsetzung hakt, solange solche Regeln nicht existieren“. Seine Hoffnung liegt auf der Gemeinschaft, wo die Bürde des Sich-Begrenzen für den Einzelnen zu groß ist, und auf sozialen Bewegungen, die spüren, dass etwas faul ist und Druck auf das System ausüben“.

Dr. Susanne Luther, Leiterin der Abteilung Internationale Zusammenarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung, verwies auf die Projekte der Stiftung, die mit über 60 Partnerländern weltweit zusammenarbeitet, nicht nur im Bereich Umwelt und Klima: „Unser Leitmotiv `Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung‘ steht für die Stärkung des politischen Dialoges und die Bildung eigener Handlungskapazitäten in unseren Partnerländern, aber auch hier in Deutschland“.

Links

Der vollständige und autorisierte Text der Enzyklika liegt als PDF auf den Seiten des Vatikan.

Link zu unserem Themenportal Asyl-Flucht-Migration: www.hss.de/flucht/