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Nationale Parlamentswahlen in Indien
Die Mega-Wahl

Autor: Judith Weinberger-Singh

Aus den über 50 Ländern, die in diesem Superwahljahr über ihre jeweiligen Regierungen entscheiden, sticht Indien klar hervor: Die 44 Tage dauernde Wahl mit knapp 970 Millionen Wahlberechtigten entscheidet über die mittel- und langfristige politische Ausrichtung des bevölkerungsreichsten Landes und der größten Demokratie der Welt.

Es ist die wohl längste und größte Wahl der Welt: Rund 970 Millionen registrierte Wählerinnen und Wähler haben ab dem 19. April 2024 die Möglichkeit, in über einer Million Wahllokalen ihre Stimme abzugeben. Die nationalen Wahlen der größten Demokratie der Welt finden in sieben Phasen statt und enden am ersten Juni 2024. Drei Tage später sollen dann die Ergebnisse bekannt gegeben werden und die Verteilung der 543 zu besetzenden Mandate im Unterhaus des Parlamentes (Lok Sabha).

Eine feiernde Menschenmenge bei einer Wahlkampfveranstaltung. Flagge Indiens wird geschwenkt.

Eine hohe Wahlbeteiligung von knapp 70 Prozent wird erwartet.

Sachin; HSS; AdobeStock

Höhere Wahlbeteiligung

Bereits seit 2009 werden in Indien bei nationalen Wahlen elektronische Wahlmaschinen eingesetzt. Laut einer 2017 veröffentlichten Studie der Brookings Institution konnten dadurch nicht nur die Anzahl ungültiger Stimmen deutlich reduziert, sondern gleichzeitig auch die Wahlbeteiligung benachteiligter Bevölkerungsschichten, insbesondere von Analphabeten, erleichtert werden. Da jede Partei ein eigenes Symbol definiert und im Wahlkampf als Erkennungsmerkmal positioniert, kann durch Drücken der Taste mit dem jeweiligen Parteisymbol papierlos gewählt werden.

Ausgehend von den Werten der letzten Parlamentswahlen 2019 wird auch in diesem Jahr mit einer relativ hohen Wahlbeteiligung von knapp 70 Prozent gerechnet. Mit einem Zuwachs von mehr als 40 Millionen registrierter Wählerinnen im Vergleich zu 2019 werden voraussichtlich zum ersten Mal fast genauso viele Frauen ihre Stimme abgeben, wie Männer.

Die Popularität Modis

Die derzeitige Regierungspartei BJP (Bharatiya Janata Party) hat sich mit insgesamt 37 verbündeten Parteien zur Nationalen Demokratischen Allianz (NDA) zusammengeschlossen. Sie schickt mit dem 73-jährigen Premierminister Narendra Modi, der zum dritten Mal antritt und seit 2014 im Amt ist, eine etablierte Führungspersönlichkeit ins Rennen. Modi ist über alle sozialen Schichten und Kasten hinweg populär. In aktuellen Umfragen erreicht Modi eine Zustimmungsrate von rund 75 Prozent.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Judith Weinberger-Singh leitet die Projektarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung in den Standorten Neu-Delhi und Bangalore. Dabei geht es unter anderem um die Stärkung föderaler Strukturen durch politische Bildung und die Förderung des Austauschs zwischen Indien und seinen Nachbarstaaten zu Wassersicherheit. Außerdem soll die Sicherheit von Frauen und Kinder in Indiens Städten durch bessere Polizeiarbeit und Kooperation der Behörden verbessert werden. Auch wird der wissenschaftliche und politische Diskurs zu integriertem Flusswassermanagement unterstützt.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Judith Weinberger-Singh leitet die Projektarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung in den Standorten Neu-Delhi und Bangalore. Dabei geht es unter anderem um die Stärkung föderaler Strukturen durch politische Bildung und die Förderung des Austauschs zwischen Indien und seinen Nachbarstaaten zu Wassersicherheit. Außerdem soll die Sicherheit von Frauen und Kinder in Indiens Städten durch bessere Polizeiarbeit und Kooperation der Behörden verbessert werden. Auch wird der wissenschaftliche und politische Diskurs zu integriertem Flusswassermanagement unterstützt.

Judith Weinberger-Singh

Inhaltlich zielt der Wahlkampf direkt auf hinduistische Identität und ein damit verbundenes Nationalgefühl. Modi verspricht, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes weiter voranzutreiben, genauso wie die Emanzipation von seiner kolonialen Vergangenheit. Nicht nur in der Regionalpolitik, auch auf der Weltbühne ist Indien, das 2023 den G20 Gipfel in Neu-Dheli ausrichtete, in den letzten Jahren sichtbarer geworden. Modi kündigt an, diesen Kurs weiterzufahren.

Natürlich wird auch mit den zahlreichen innenpolitischen Reformen, wirtschaftspolitischen Programmen und Maßnahmenpaketen geworben, die dem Land in den vergangenen Jahren - trotz der Coronapandemie - ein stabiles Wirtschaftswachstum von über sechs Prozent im Vorjahr und eine Reduzierung der Armut ermöglicht haben. Zwischen 2015 und 2019 ist laut UNDP-Statistik (2023) der Anteil der von mehrdimensionaler Armut Betroffenen von 25 Prozent auf knapp 15 Prozent gesunken. Dabei geht es um 140 Millionen Menschen.

Mit der bereits Ende 2023 vorgestellten Vision „Developped India by 2047“ positioniert sich Modi im Wahlkampf mit einer progressiven Politik, die auf Wachstum, Wohlstand und Stabilität abzielt: Er formuliert darin Entwicklungsziele, verbunden mit ehrgeizigen Projekten, die bis zum 100-jährigen Unabhängigkeitsjubiläum der Republik im Jahr 2047 realisiert werden sollen.

Opposition: Wahlkampf ohne Gegenkandidat

Als Alternative bietet sich das größte oppositionelle Parteienbündnis um die Indischen Nationalkongress-Partei (NCP) den Wählerinnen und Wählern auf nationaler Ebene an. Die sogenannte „INDIA“-Koalition (Indian National Developmental Inclusive Alliance) besteht aus 27 Parteien, darunter wichtige Regionalparteien aus oppositionell regierten Bundesstaaten wie Westbengalen sowie der nationalen AAP-Partei in Neu-Delhi.

Die wohl bekannteste Führungsfigur der Kongresspartei ist Rahul Gandhi aus der „Gandhi-Dynastie“: Sohn des ehemaligen Premierministers Rajiv Gandhi, Enkel der Premierministerin Indira Gandhi und Urenkel des ersten indischen Premierministers Jawaharlal Nehru. Bemerkenswert ist, dass Rahul Gandhi im letzten Jahr noch als Gegenkandidat für Modi benannt worden war, die Koalition um die Kongresspartei nun aber doch keinen Kandidaten für das Amt des Premierministers nominiert hat. Sie will nach Aussagen der Sprecher des Bündnisses bewusst einen rein inhaltlichen Wahlkampf führen.  

Der Gegenentwurf zum Kurs des BJP-Bündnisses bleibt wegen anhaltender Differenzen innerhalb des Parteienzusammenschlusses weitgehend vage und konzentriert sich auf die Kritik an der hindu-nationalistischen Ausrichtung des politischen Gegners. Der Schutz und die Unterstützung von Minderheiten sowie die Bewahrung einer pluralistischen, säkularen Demokratie werden von ihr als Prioritäten benannt und im Wahlkampf in den Vordergrund gerückt. 

Fazit

Ein fehlender Gegenkandidat zu Modi in Verbindung mit Unstimmigkeiten im konkurrierenden Parteienbündnis könnte der NDA einen Vorteil im Wahlkampf verschaffen. Modi ist populär. Die oft als solide beschriebene Regierungsleistung der BJP in den letzten zehn Jahren wird für viele ein starkes Argument für eine Wahl Modis sein.

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