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Der Fall Thanh
Deutsch-Vietnamesische Beziehungen vor schwerer Belastungsprobe

Rund ein halbes Jahr nach der Entführung des Geschäftsmanns Trịnh Xuân Thanh durch den vietnamesischen Geheimdienst beginnt sein Prozess. Bei einer Verurteilung kann ihm die Todesstrafe drohen. Die internationale Presse und seine deutsche Anwältin sind von den Verhandlungen ausgeschlossen. Die Bundesregierung drängt auf ein rechtsstaatliches Verfahren.

In Hanoi hat der Prozess gegen den früheren GeschäftsmannTrịnh Xuân Thanh begonnen

In Hanoi hat der Prozess gegen den früheren GeschäftsmannTrịnh Xuân Thanh begonnen

Wie die Bundesstaatsanwaltschaft zweifelsfrei rekonstruieren konnte (1), wurde er im Juli 2017 in Berlin auf offener Straße vom vietnamesischen Geheimdienst in ein Fahrzeug gezerrt, nach Osteuropa verschleppt und als Krankentransport getarnt nach Vietnam gebracht. Trotz eindeutiger Beweislage bleibt Vietnam dabei, dass sich Thanh freiwillig gestellt habe.

Vietnam betrachtet die Anklage als innere Angelegenheit. Der Staat will beweisen, dass er bei Bedarf hart durchgreifen könne. Thanh wird zur Last gelegt, als Chef des Baukonzerns Petro Vietnam Constuction (PVC) etwa 50 Millionen Euro zweckentfremdet zu haben. Mit ihm sind 21 weitere Personen aus früheren wirtschaftlichen Schlüsselpositionen angeklagt. Unter ihnen Đinh La Thăng, ein ehemaliges Mitglied des Politbüros. Beiden sowie 10 weiteren Angeklagten droht die Todesstrafe. Ihnen wird "vorsätzliche Verletzung staatlicher Vorschriften zur Wirtschaftsführung“ gemäß Artikel 165, § 3, des vietnamesischen Strafgesetzbuches vorgeworfen.

Vietnam geht hart gegen Korruption vor

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SSGUY;CC0; PIXABAY

Hanoier Volksgericht wird erweitert

Weil der Fall so brisant ist, wurde die Anwesenheit eines weiteren stellvertretenden Richters sowie von jeweils zwei weiteren Geschworenen angeordnet. Der Prozess begann am 08. Januar 2018. Begleitet wird er von 42 Anwälten, darunter fünf, die Thanh vertreten. Für den ersten Verhandlungstag wurden 31 Zeugen bestellt. Deren Befragung konzentrierte sich darauf, die Korruptionsvorwürfe beim Bau der Wärmekraftanlage „Thai Binh 2“ zu klären.

Die Bundesregierung positioniert sich eindeutig. Die Entführung deutet sie als inakzeptablen Bruch des Völkerrechtes. Das Auswärtige Amt spricht von Menschenraub. Das eigentlich als gut geltende Vertrauen zwischen beiden Regierungen ist empfindlich gestört. Zum Prozessauftakt forderte die Regierung der Bundesrepublik Deutschland noch einmal deutlich ein rechtsstaatliches Verfahren. (2)

In Vietnam gibt es keine Gewaltenteilung nach deutschen Maßstäben. Ob ein unabhängiger Prozess stattfinden und damit die Minimalforderung der Deutschen Regierung erfüllt wird, ist offen. Wie in Vietnam üblich, bekam Thanh seine Verteidiger zugewiesen. Sie hatten nur wenig Zeit, sich mit der Anklage vertraut zu machen. Seiner deutschen Anwältin wurde die Einreise nach Hanoi verwehrt. Eine internationale Beobachtung des Prozesses, etwa von einem deutschen Bundestagsabgeordneten, kam ebenfalls nicht zustande. Immerhin ist die Deutsche Botschaft akkreditiert, den Prozessverlauf zu verfolgen.

Internationale Reputation gefährdet.

Die kurze Prozessdauer von weniger als zwei Wochen sowie die hohe Anzahl der Anklagen deuten darauf hin, dass die Urteile bereits vor ihrer Verkündung gefällt wurden. Diese Entscheidung wird nicht im Gerichtsaal, sondern politisch getroffen. Ein hartes Urteil, wie die Verhängung der Todesstrafe, wäre innenpolitisch ein großer Erfolg. Er würde der Bevölkerung zeigen, dass die Kommunistische Partei mit aller Härte gegen unmoralisches Verhalten, etwa Korruption, vorgeht.

International würde es nicht nur die Beziehungen zu Deutschland, sondern auch zu anderen westlichen Staaten belasten. Dies könnte das beschlossene, aber noch nicht ratifizierte Freihandelsabkommen zwischen Vietnam und der EU gefährden.

(1) Der Generalbundesanwalt (2017): Ermittlungen wegen der Entführung des vietnamesischen Staatsangehörigen Xuan Thanh Trinh übernommen. www.generalbundesanwalt.de/txt/showpress.php [online]

(2) Die Bundesregierung (2018): Korruptionsprozess in Vietnam. www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2018/01/2018-01-08-bundesregierung-zu-prozess-in%20vietnam.html [online]

Süd-/Südostasien
Stefan Burkhardt
Leiter