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Die EU zwischen den USA und China
„Den Euro zur Weltwährung machen“

Autor: Angela Ostlender

Die EU hat den größten freien Binnenmarkt der Welt, spricht politisch jedoch nicht immer mit einer Stimme. Seit Donald Trump den handelspolitischen Druck auf die Union erhöht, wird immer klarer: Die EU muss endlich selbständiger werden. Wie kann sich Europa zwischen den USA im Westen und China im Osten positionieren?

Es war eine ziemlich finstere Prognose über die Zukunft der internationalen Wirtschaftsordnung: Die USA, einst Vorreiter für Demokratie und Liberalismus sowie Garant für eine freiheitliche internationale Ordnung, hätten unter Trump ihr liberales, hegemoniales Selbstverständnis aufgegeben, sagte Dr. Josef Braml bei seiner Rede bei der Hanns-Seidel-Stiftung in Brüssel.  Als ausgewiesener Experte für die Außenpolitik der USA und transatlantische Beziehungen hatte Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) schon vor Jahren die These formuliert, dass ein sozial und strukturell geschwächtes Amerika in Zukunft Lasten auf andere abwälzen könnte.

Braml und Ferber an ihrem Platz.

Markus Ferber, MdEP, Wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament (rechts) ist sich „nicht mehr sicher, in welche Richtung sich die Welt bewegt“.

HSS

Trumps „America-First“- Strategie

„Also keinen Freihandel, keine stabile Leitwährung und keine Sicherheit für andere zum Nulltarif mehr“, so Braml. Nun sei offensichtlich, dass Trump die alte, bereits angeschlagene Weltordnung sogar mutwillig und systematisch zerstöre, da sie laut Ansicht seiner Sicherheits- und Wirtschaftsberater nur Amerikas Rivalen helfe. „Ohne rechtliche Regeln gilt das Recht des Stärkeren“, sagte der Transatlantik-Experte.

Trumps „America-First“-Politik stehe für einen radikalen Staatsabbau im eigenen Land und weitreichende Deregulierung sowohl national als auch international. Betroffen sind auch die von den USA einst mitgegründeten internationalen Organisation WTO, NATO und UNO. Losgelöst von jedweden Idealen und Wertvorstellungen wird der US-amerikanische Schutz so zu einem Marktwert, für den Präsident Trump Gegenleistung einfordere.

Info:

Gemessen am Volumen des Waren- und Dienstleistungsverkehrs ist die Wirtschaftsleistung der EU heute größer als die der USA. Doch wie muss sich die EU zukünftig zwischen den USA und China aufstellen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die Zukunftsfähigkeit des liberalen Wirtschaftssystems zu stärken? Zur Erörterung dieser Fragen lud das Europa-Büro Brüssel der HSS mit Dr. Josef Braml einen ausgewiesenen Experten für US-amerikanische Außenpolitik nach Brüssel ein.

Im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung mit dem Wilfried Martens Centre for European Studies (WMCES) diskutierten am 4. und 5. September 2018 Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft mit Braml über diese wichtigen Fragen. 

„Trump handelt systematisch, der Wahnsinn hat Methode“ (Dr. Josef Braml)

„Trump handelt systematisch, der Wahnsinn hat Methode“ (Dr. Josef Braml)

A_Different_perspective; CC0; Pixabay

Verwerfungen mit bisherigen Partnern nimmt er billigend in Kauf. „Trump handelt systematisch, der Wahnsinn hat Methode“, so der Transatlantik-Experte. „Es herrscht das Recht des militärisch Stärkeren, der das Militär nicht mehr zur Friedensschaffung, sondern als Druckmittel einsetzt.“ Die einstigen Partner zeigten sich verwirrt, irritiert und ohne wirksame Gegenstrategie. Dennoch sollten sie nicht einfach abwarten, bis der Spuk vorbei ist: „Trump ist nicht das Hauptproblem, sondern ein Symptom tiefliegender struktureller Probleme. Man darf nicht glauben, dass es nach seiner Abwahl wieder wird wie vorher“, warnte Braml.  

Auch Hoffnungen, dass innenpolitische Probleme den US-Präsidenten zu Fall bringen könnten, seien eher spekulativ. An Europa richtete Braml den Ratschlag, sich nicht durch Trumps „divide et impera“-Strategie auseinander treiben zu lassen, sondern die neuen geopolitischen Rahmenbedingungen als Chance für mehr inneren Zusammenhalt zu begreifen.

Droht ein weltweiter Finanz-Crash?

Ein Hauptproblem, das Trump aus der Sicht von Braml noch nicht richtig erkannt habe, sei die Fremdfinanzierung der US-Schuldenlast. Drittstaaten, darunter China, hielten mit dem Ankauf von US-amerikanischen Staatsanleihen die amerikanische „Kredit-Kultur“ von Staats- als auch Privathaushalten seit jeher am Laufen. Parallelen zu den 1920er Jahren seien offensichtlich, und ein Zusammenbruch des Systems durchaus vorstellbar, wenn ausländische Anleger ihr Geld aus der Dollar-Falle abzögen. Angesichts der neuen Weltordnung empfahl Braml der EU, die Geburtsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion zu beheben und die Vollendung einer politischen Union voranzutreiben. „Wir müssen aus dem Euro eine Weltwährung machen, und die kleinteilige Rechnungs-Mentalität ablegen“, so Braml. „Die EU-Mitgliedstaaten müssen mehr investieren, vor allem im militärischen, aber auch im zivilen Bereich und in die Infrastruktur.“ Erträge aus der Sparpolitik und Exportüberschüssen sollten nicht für den Ankauf von US-Staatsanleihen verwendet werden. „Unsere Regierungen, Unternehmen und vor allem auch institutionelle Anleger müssen dringend überlegen, wo das Geld besser angelegt ist.“ Auch mit Blick auf die massiven chinesischen Investitionen in sensible europäische Infrastrukturprojekte wie Energieversorgungsnetze, Häfen und Flughäfen entfalteten diese Frage eine hohe Relevanz.

Auch Markus Ferber, der Stellvertretende Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, sprach sich für ein stärkeres und geeintes Auftreten der Europäischen Union aus. „Zahlenmäßig verfügt Europa über mehr Menschen unter Waffen als die Amerikaner, wendet aber weniger Mittel auf und hat noch weniger Fähigkeiten. Das ist ökonomischer Unfug. Trump preist den Europäern ohne Unterlass Waffen aus US-amerikanischer Produktion an, doch wo sind die Konzepte für europäische Systeme? Wie kann Europa in diesem essentiellen Bereich effizienter werden?“ Gemeinsame technische Entwicklungen und Produktionen in der Europäischen Union seien keine Geldfrage, sondern eine Frage des politischen Wollens. Auch müsse die EU selbstbewusster werden und ihre Erzeugnisse sowohl auf dem Binnen- als auch auf dem Weltmarkt in Euro-Währung anbieten. „Ich verstehe nicht, warum eine deutsche oder französische Fluggesellschaft beim Kauf eines Flugzeugs des europäischen Hersteller Airbus mit US-Dollar bezahlt“, so der Abgeordnete des Europäischen Parlaments.

Info:

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog usaexperte.com

Kann Europa die Welthandelsorganisation retten?

Markus Ferber verwies auf den radikalen Paradigmenwechsel in der Weltwirtschaft. „Freihandel ist kein Selbstläufer mehr“, so der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. „Die Vorzüge eines ungehinderten Handels mit Waren und Dienstleistungen im Europäischen Binnenmarkt konnten die EU-Gegner im Rahmen des Brexit-Referendums nicht überzeugen. Auch die gewaltigen Protestaktionen in vielen EU-Mitgliedstaaten gegen die geplanten Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten (TTIP) und Kanada (CETA) zeigen, dass Skepsis am Freihandel kein rein US-amerikanisches Phänomen ist.“  Ohne ein funktionierendes regelbasiertes Handelssystem sieht Ferber enorme wirtschaftliche Einbußen auf alle EU-Mitgliedstaaten zukommen, die daher möglichst viele neue Unterstützer für ihr Modell finden müssten.

Als Kabinettsmitglied von Handels-Kommissarin Cecilia Malmström hat Pedro Velasco Martins bereits zahlreiche Verhandlungen mit dem Ziel geführt, den Freihandel zu stärken. Seinen Worten zufolge hätte die EU der WTO verschiedene Lösungsansätze zu Problemen präsentiert, die durch den Rückzug der Amerikaner entstehen könnten. 

„Es geht vor allem um die Wiederherstellung eines funktionierenden Streitbeilegungsmechanismus, ohne den die WTO wertlos ist", so der portugiesische EU-Spitzenbeamte, der jedoch gleichzeitig der US-Kritik teilweise zustimmte: „Niemand braucht ein WTO-Forum, auf dem die Mitglieder weder miteinander sprechen noch verhandeln.“ Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen hob er hervor, dass viele Drittstaaten die EU als Hoffnungsträger und neuen Garanten für die Wahrung des Freihandels ansähen.  Der kommende G20- Gipfel in Argentinien könnte daher einen neuen richtungsweisenden Anstoß geben.

Wie entwickeln sich die Handelsbeziehungen zu China?

Ist China die neue Schutzmacht der liberalen Ordnung? Zwar sprach sich das Land auf dem 20. EU-China-Gipfeltreffen im Juli 2018 für einen Ausbau der strategischen Partnerschaft mit der EU sowie für regelbasierten Handel und eine Reform der Welthandelsorganisation WTO aus, doch bleibt bis heute unklar, ob es sich um ein echtes Bekenntnis handelte oder nur um einen taktischen Schachzug.

Markus Ferber forderte vor allem faireren Wettbewerb, der auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht: „China blockiert immer noch einige Wirtschaftsbereiche. Gleichzeitig überschwemmen chinesische Billigimporte die Märkte, worunter vor allem die europäische Stahl-, Keramik- und Solarindustrie leide, Anti-Dumping Verfahren sind immer noch zu langwierig.“ Auch warnte Ferber vor der Abwanderung europäischer Schlüsseltechnologien und Fachwissen nach China. Die EU müsse bei der Definition ihrer Interessen viel strategischer vorgehen und diese dann auch mit Nachdruck umsetzen. Sandra Parthie, Leiterin des Brüsseler Büros des Instituts der Deutschen Wirtschaft, empfahl der EU-Politik, sich die Frage zu stellen, wie sich chinesische Investitionen in strategisch wichtige Infrastrukturzweige sicherheitspolitisch auswirkten. Bei vielen dieser Projekte müsse die EU gut überlegen, ob sie nicht lieber selber investiere. Nach Auffassung der Wirtschaftsexpertin erhöhe sich mit dem Rückzug der Amerikaner aus der Welt der regelbasierten Ordnungspolitik der internationale Handlungsdruck auf die Europäische Union. Brüssel habe dadurch aber auch die Chance, sich international zu profilieren und den Einfluss der EU zu stärken. Grundvoraussetzung sei jedoch, dass sie zunächst ihre inneren Spannungen nachhaltig überwinde.

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter
Europäischer Dialog
Angela Ostlender
Programm Managerin