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Demokratie und Islam - Impulse aus Indonesien

Die Republik Indonesien gilt als Musterbeispiel für die Vereinbarkeit von Demokratie und Islam. Der ehemalige Staatspräsident Habibie gab am 25. November 2015 gab Einblicke in die Besonderheiten seines Landes und tauschte sich mit Staatsminister a.D. Peter Gauweiler über mögliche Impulse für Deutschland in der aktuellen Flüchtlingskrise aus.

Syrien, Albanien, Kosovo, Afghanistan, Irak belegen die Plätze eins bis fünf der Hauptherkunftsländer in der aktuellen Flüchtlingskrise. Damit kommt ein Großteil der anbrandenden Flüchtlingsströme (auch) in diesem Jahr aus stark islamisch geprägten Ländern. Selbst wenn nur für einen Teil dieser Menschen eine dauerhafte Bleibeperspektive besteht, wird sich durch sie in Deutschland der prozentuale Anteil von Menschen erhöhen, die ihre individuelle Prägung in einem islamischen Kulturkreis gewonnen haben. Deshalb bewegt die Menschen in unseren Tagen die alte Frage ganz neu: Gibt es eine Vereinbarkeit von Demokratie und Islam?

Bacharuddin Jusuf Habibie bei seinem Vortrag

Bacharuddin Jusuf Habibie bei seinem Vortrag

Das bevölkerungsreichste islamische Land der Erde, die Republik Indonesien, gilt als Paradebeispiel für eine positive Beantwortung dieser Frage. Maßgeblich angestoßen von Bacharuddin Jusuf Habibie, der nach dem Rücktritt des diktatorisch regierenden Staatspräsidenten Suharto dessen Amt 1998 übernommen und bis 1999 bekleidet hatte, hat dieses Land in der Tat eine bemerkenswerte demokratische Entwicklung durchlaufen. Auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung und des Berliner Humboldt-Forums berichtete er am 26. November 2015 in einem Grundsatzvortrag in Berlin über die Besonderheiten seines Landes und tauschte sich anschließend mit dem ehemaligenStaatsminister Peter Gauweiler über mögliche Impulse für die Debatten in Deutschland aus. Detlev Ganten von der Stiftung Charité moderierte das Gespräch.

Habibie rief zu Beginn seines Vortrags in Erinnerung, dass in Indonesien insgesamt fast 360 verschiedene Völker mit eigener Sprache und Schrift lebten. Mehrere Generationen hätten aus dieser ethnischen Vielfalt letztlich eine Nation geschmiedet, und bis heute sei Nation-Building ein Leitmotiv indonesischer Politik. Auch wenn sich mit etwa 222 Millionen Menschen rund 87 Prozent der Bevölkerung zum überwiegend sunnitischen Islam bekennen (daneben neun Prozent Christen, drei Prozent Hindus und Buddhisten, ein Prozent Konfuzianisten und Taoisten), sei dieser keine Staatsreligion. Das Bindeglied der pluralistischen Gesellschaft sei vielmehr die in der Verfassung verankerte Staatsideologie der Pancasila, deren fünf Grundprinzipien lauteten: Das Prinzip der All-Einen Göttlichen Herrschaft, Humanismus/Internationalismus, Nationale Einheit, Demokratie und Soziale Gerechtigkeit.

Peter Gauweiler: "Dem Fremden öffnen, das Eigene verteidigen!"

Peter Gauweiler: "Dem Fremden öffnen, das Eigene verteidigen!"

Das Land habe am Beginn des Demokratisierungsprozesses zwar vor enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen gestanden. Dennoch hätten einige Entscheidungen maßgeblich zum erfolgreichen Verlauf dieses Weges beitragen können. Habibie nannte etwa die Zulassung der Presse- und Demonstrationsfreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Freiheit, auf Grundlage der Verfassung politische Parteien zu bilden, oder die Bildung von Gewerkschaften. Auch wenn noch nicht alle Probleme – wie die anhaltende Gewalt gegen die animistisch-christliche Papua-Bevölkerung in Westneuguinea – gelöst seien, weise das Land heute mit einem transparenten demokratischen System, einer sehr gut funktionierenden wirtschaftlichen Infrastruktur und einem ausgebauten Informationsnetz eine hohe Stabilität auf. Das Internet und die Sozialen Netzwerke beschleunigten dabei die Verträglichkeit der Kulturen in der pluralistischen Gesellschaft Indonesiens.

Welche positiven Impulse könne nun Deutschland von den indonesischen Erfahrungen empfangen?Kultur und Religion sind eng miteinander verflochten und bestimmten das Verhalten von Menschen und ganzen Gesellschaften. Habibie regte an, auch hierzulande stärker auf die Verträglichkeit und Anpassung der Kulturen zu achten. Leitplanken für die christlich geprägte deutsche Kultur müssten klar definiert und den Menschen anderer Glaubensprägungen diskursiv vermittelt werden. Hierbei könne es helfen, gemeinsam das Universelle mancher Grundwerte herauszuarbeiten und es dann in den deutschen Kontext einzubetten. Dies müsse nicht zuletzt auf den drei Ebenen Kultur, Religion und Wissenschaft geschehen. Letztlich riet er den Deutschen aber in der aktuellen Flüchtlingskrise: "Macht es nicht zu akademisch, sondern löst die Fragen pragmatisch!" Der frühere Staatspräsident regte sodann an, nicht alles terroristische, kriminelle oder mörderische Verhalten gleich mit der Religion des Islam zu identifizieren, und bat darum, selbst das Wort 'Islamisten' nicht für die Terroristen etwa des Islamischen Staates zu gebrauchen. „Diese Terroristen“, so schloss Habibie seine Ausführungen mit einer sicher streitbaren These, „haben nichts mit dem Islam zu tun, sondern sind Kriminelle und Verbrecher.“

Detlev Ganten moderierte das Gespräch

Detlev Ganten moderierte das Gespräch

In seiner kurzen Ergänzung betonte Peter Gauweiler die historische Bedeutung des „U“ in den beiden Parteinamen von CDU/CSU. Dieses stehe von Anbeginn an für das konfessionsübergreifende Miteinander von Katholiken und Protestanten in diesen Parteien. Dieses Miteinander bedeute nicht ein Verschweigen der Unterschiede, aber ein gemeinsames Bekenntnis zur Wertschätzung der Religion als Violinschlüssel des politischen Handelns. "Heute", so Gauweiler, "hören wir viel neue Musik und müssen aufpassen, dass keine Dissonanzen entstehen." Dies sei in der Praxis oft nicht einfach. Auch er schloss sich dem Votum aus Indonesien an, nicht jeden Terrorakt gleich mit der Religion des Islam gleichzusetzen. Wenn wir uns aber wie jüngst in Paris mit einer Gewalt konfrontiert sähen, die dezidiert im Namen einer Religion ausgeübt werde, sei es gleichwohl schwer zu behaupten, dass dies nichts mit dem Islam zu tun habe. Bayern habe in seiner Geschichte gezeigt, dass eine Inkulturation von Muslimen durchaus möglich ist. Die Türkenstraße in Schwabing oder die Kuppeln der Frauenkirche seien hierfür beredte Beispiele. Dabei müsse uns aber auch künftig der Spagat gelingen: "Dem Fremden öffnen, das Eigene verteidigen!" Damit befand er sich nahe an dem von Habibie in der Diskussion formulierten 'Doppelbeschluss' gegenüber den zu uns kommenden Flüchtlingen: "Ja, wir nehmen euch an. Nein, wir lassen uns nicht alles gefallen." Deshalb gelte es in der aktuellen Flüchtlingsdebatte auch nicht nur über Menschenrechte zu sprechen, sondern auch über Menschenpflichten.