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Warum das Miteinander heute mehr denn je wichtig ist
Das Soziale – der Kitt unserer Gesellschaft

Autor: Silke Franke

Vom IQ zum WQ. Warum sind manche Gemeinden erfolgreicher und lebenswerter als andere? Wir brauchen nicht nur wirtschaftliche Stärke sondern mehr "WQ", mehr "Wir-Qualität", sagt Kulturwissenschaftlerin Kriemhild Büchel-Kapeller.

Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos sorgte ein Interview mit Jack Ma, dem CEO von Alibaba, für große Aufmerksamkeit. Es ging um Bildung in der digitalen Welt. Jack Ma meinte, Menschen könnten nicht mit der Künstlichen Intelligenz der Maschinen konkurrieren, wir sollten ihnen daher lieber all das vermitteln, was Maschinen nicht können: Werte, Überzeugung, unabhängiges Denken, Teamwork, Mitgefühl. Die Kulturwissenschaftlerin Kriemhild Büchel-Kapeller war bei uns in der Stiftung und hat es auf die kurze Formel gebracht: Vom IQ zum WQ - es braucht nicht nur Intelligenzquotienten, sondern auch eine Wir-Qualität. Hier beschreibt sie aus ihrer Sicht, warum sie darin ein Erfolgsgeheimnis sieht.

Büchel-Kapeller lächelt in die Kamera.

Die Kulturwissenschaftlerin Kriemhild Büchel-Kapeller war Abteilungsleiterin im Zentrum für Wissenschaft und Weiterbildung "Schloss Hofen" in Lochau. Seit über 20 Jahren ist sie im Büro für Zukunftsfragen im österreichischen Bundesland Vorarlberg für den Bereich Bürgerschaftliches Engagement, Nachhaltigkeit und Sozialkapital mitverantwortlich. Als Initiatorin und Begleiterin von Bürgerbeteiligungsprozessen hält sie Vorträge an Hochschulen und anderen Plattformen.

Büchel-Kapeller

Sozialkapital als Erfolgsgeheimnis!

Warum sind manche Gemeinden erfolgreicher und lebenswerter als andere? Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller ist viel in Gemeinden unterwegs. Als Mitarbeiterin des Büros für Zukunftsfragen – das ist eine Stabstelle im Amt der Vorarlberger Landesregierung – unterstützt sie engagierte Menschen dabei, innovative Lösungen für aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen zu entwickeln. Für sie liegt die Antwort auf der Hand: „Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft – das ist alles wichtig. Aber Strategien hat jeder, den Unterschied machen die Menschen. Die Basis ist das Sozialkapital“. 

Unter dem Begriff Sozialkapital versteht sie den sozialen Zusammenhalt innerhalb einer Gemeinschaft, also innerhalb der Familie und im Freundeskreis (Mikro-Ebene), aber auch die Beteiligung und das Engagement in Netzwerken und Vereinen (Meso-Ebene). Auf der Makro-Ebene zählt sie auch höhere Ideale und Zugehörigkeiten dazu.

Für die promovierte Kulturwissenschaftlerin ist das Sozialkapital der „Kitt der Gesellschaft“. Dass in der Qualität der sozialen Beziehungen der Schlüssel zu positiver Entwicklung und Lebensqualität liegt, zeigen mittlerweile auch auf internationaler Ebene mehrere empirische Studien. Büchel-Kapeller fasst die Ergebnisse zusammen: Je ausgeprägter der Zusammenhalt, das Miteinander einer Gemeinschaft (z.B. Gemeinde, Region, Unternehmen, Verein) ist, 

  • umso gesünder und glücklicher sind die Menschen dort
  • umso mehr Erfolg haben die Betriebe
  • umso größer sind die Bildungschancen
  • umso geringer ist die Kriminalitätsrate

Es gibt allerdings immer mehr Menschen, die sich zurückziehen und vereinsamen. In Japan ist ein regelrechter Geschäftszweig mit Haushalts- und Pflege-Robotern und neuerdings Hologramm-Figuren entstanden, den so genannten Hikaris, die die Kommunikation mit realen Menschen ersetzen. In Großbritannien wurde die zunehmende Vereinsamung von Menschen zu einem ressortübergreifenden Anliegen erklärt, für das nun Tracey Crouch als Ministerin für Sport und Zivilgesellschaft zuständig ist.

Gerade in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung – in einer „Welt ohne Grenzen“ – brauchen wir wohl mehr denn je ein gutes Miteinander, Empathie und ein Verantwortungsfühl gegenüber anderen.

Vom Ich zum Wir.

Den Menschen geht es nicht immer nur um Materielles. Sie sehnen sich durchaus nach etwas, das ihnen einen höheren Sinn vermittelt. Die Chance sollten Gemeinden nutzen und Bürger zum Mitmachen bewegen, ihnen zu zeigen, dass sie sich einbringen können. Die Frage, die sich hierbei stellen sollte: In welcher Gemeinde möchte ich leben– und was kann ich dafür tun?

Dabei geht es weniger um Aktionismus, sondern um mehr Reflexion. Die Expertin des Büros für Zukunftsfragen rät, sich nicht gleich zu sehr auf einzelne Inhalte zu stürzen, sondern zunächst eine gemeinsame Vision zu entwerfen und sich dann auf die eigenen Potenziale zu konzentrieren: „Fangt nicht bei den Defiziten und Schwächen an, schaut lieber, wo eure Stärken liegen und setzt an diesen an. Und versucht auch nicht ständig das Rad neu erfinden zu wollen, schaut lieber, wo ihr durch Kooperationen bereits vorhandene Erfahrungen und Ressourcen nutzen könnt“. Das bedeutet, dass das, was bereits da ist, und dass jene, die sich engagieren und ehrenamtlich einbringen, auch eine Wertschätzung erfahren sollten.

Warum also sind manche Gemeinden erfolgreicher und lebenswerter als andere? Der Erfolg misst sich nicht nur im IQ, sondern auch im WQ: in der ‚Wir-Qualität‘.

Info "Sommerkolloqium"

Dieser Bericht geht im Wesentlichen zurück auf den Vortrag von Dr. Büchel-Kapeller im Rahmen des gemeinsamen Sommerkolloquiums von 2018 der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum und der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung zum Thema „Soziale Infrastrukturen - auch eine Frage gleichwertiger Lebensverhältnisse“.
Lesen Sie hier auch den Bericht über die Veranstaltung von David Lohmann in der Bayerischen Staatszeitung vom 27.07.2018. 

Umwelt und Energie, Städte, Ländlicher Raum
Silke Franke
Leiterin