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Der säkulare Staat
Christentum und politische Liberalität

Das Christentum hat den säkularen Staat aus sich heraus entwickelt. Nicht als seinen Widersacher, sondern als eine Ermöglichung und Verwirklichung der christlichen Intention auf einem höheren Niveau. Die damit verbundenen Fragen zu den religiösen Wurzeln säkularer Demokratie diskutiert die jüngste Verlagspublikation der Hanns-Seidel-Stiftung.

Christlicher Glaube: die Wurzel säkularer Demokratie

Christlicher Glaube: die Wurzel säkularer Demokratie

HSS

Erst aus der Trennung der Sphären von Staat und Kirche im Christentum konnten sich säkulare Demokratie und politische Liberalität entwickeln. Säkularer Staat und Religion bleiben jedoch komplementär aufeinander verwiesen: Fällt das eine weg, hypertrophiert das andere und eliminiert damit die Freiheit. Was geschieht, wenn in diesem System der „Checks and Balances“ ein Akteur, die christliche Religion, geschwächt ist? Diesen und weiteren Fragen aus dem spannungsreichen Verhältnis von Politik und Religion spüren die Beiträge der jüngsten Verlagspublikation der Hanns-Seidel-Stiftung nach:

Christentum und politische Liberalität. Zu den religiösen Wurzeln säkularer Demokratie. Philipp W. Hildmann, Johann Christian Koecke (Hrsg.). Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag 2017 (= Berliner Bibliothek. Religion – Kultur – Wissenschaft. Band 3).


Es ist kein Zufall, dass es eine Politische Stiftung in dieser Zeit zu diesem Thema hinzieht. Erfreute sich vor einigen Jahren noch die These von einer „Rückkehr der Religion“ im akademischen Blätterwald größerer Beliebtheit, dominieren heute doch nachdenklichere Töne, könnte das Wetterleuchten am Horizont doch auf das Heraufziehen einer ganz anderen Großwetterlage hindeuten. Wenn denn das Christentum die Wurzel säkularer Demokratie ist, was geschieht dann mit den europäischen Gesellschaften, wenn diese Wurzel zu veröden droht? Ein Weiteres kommt hinzu: Die säkularen Humanisten und die Christen sind inzwischen nicht (mehr) allein mit sich. Der jahrhundertelange Gegensatz zwischen staatlich-politischer und kirchlicher Sphäre, der zuletzt in ein mildes, aquarellartiges Ineinanderüberfließen übergegangen war – Politiker mit christlichen Wertvorstellungen und Kirchenleute mit Lust am Politischen –, wird durch einen neuen Akteur herausgefordert, dem es teils schauerlich, teils respektgebietend ernst um seine Sache ist: den (politischen) Islam. Ihm sind die „Gentlemen’s Agreements“ des modernen Europa fremd, er ist von einer Wucht getragen, die – so scheint es – die religiöse Landschaft nachhaltig verändern wird. Wird er in die Verschränkung von Trennung und Miteinander, wie sie zumindest in Deutschland besteht, einzuordnen sein, oder wird sich die politische Sphäre wegen der vermeintlichen Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens an die Spitze setzen und Religionen auf den Stand einer reinen Privatsache herabdrücken?

Letzte internationale Expertentagung in Wildbad Kreuth, Dezember 2015. Die Themen: Säkularität, Liberalität und Christentum

Letzte internationale Expertentagung in Wildbad Kreuth, Dezember 2015. Die Themen: Säkularität, Liberalität und Christentum

HSS

Der neue Band der Hanns-Seidel-Stiftung beantwortet all diese Fragen nicht, dies wäre auch vermessen; sie stehen ernst und schweigend um ihn herum und schauen zu, wie die Grundlagen zu ihrer Beantwortung gelegt werden. Diese Publikation versteht sich nur als Basislager, von dem aus es erst in größere Höhen gehen kann. Sie ist hervorgegangen aus einer internationalen Expertentagung, zu der die Hanns-Seidel-Stiftung unmittelbar vor Schließung ihres Bildungszentrums im Dezember 2015 ein letztes Mal nach Wildbad Kreuth eingeladen hatte, um den Überlegungen um Säkularität, Liberalität und Christentum einen breiteren Horizont zu geben. Die Vorträge dieser Konferenz, zu Texten umgearbeitet, bilden die Grundlage dieses Bandes. Weitere Autoren haben sich mit Beiträgen dem Projekt angeschlossen: Christliche Säkularität (Hans Maier) – Christentum, säkularer Staat und Sozialstaat. Eine Verhältnisbestimmung in kritischer Absicht (Martin Rhonheimer) – Die Sakralität der Person. Zur Anthropologie der Demokratie (Walter Schweidler) – Gut leben in Europa. Die bleibende Bedeutung des Christentums in einer säkularen Gesellschaft (Reiner Anselm) – Das Christentum: Wegweiser zur Demokratie (William J. Hoye) – Politische Theologie – ein belasteter Begriff und eine Unvermeidlichkeit (Oliver Hidalgo) – Christlicher Glaube und Politik in der Postmoderne (Todd Huizinga) – Freiheit als Vorbedingung einer ethischen Ordnung. Klassischer Islam und Umbruch der Moderne: Impulse für das freiheitliche demokratische Denken (Rocio Daga Portillo) – „… ob ein Land tatsächlich frei ist“. Zur Aktualität eines Theorems von Lord Acton (Philipp W. Hildmann) – Lord Acton und die Gefahren der Demokratie für Freiheit und Gewissen (Johann Christian Koecke) – Das wissenschaftliche Studium der Theologie und der Dienst der Kirche an Politik und Gesellschaft (Joachim Ochel) – Politische Religion als totalitarismuskritisches Konzept (Hans Otto Seitschek) – Church, Commonwealth, and Toleration. John Locke as a Reader of St. Paul (Holger Zaborowski) – Religion und Großstadt. Menschsein zwischen Babylon und Jerusalem (Thomas Brose).