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"Bad bugs - No drugs"

Immer wieder liest man von "Krankenhauskeimen" und "Keimen gegen die kein Antibiotikum mehr hilft". Doch wie bedrohlich ist die Situation wirklich? Welche Keime bereiten Probleme im Krankenhaus und haben wir wirklich keine Therapiealternativen mehr?

Besuch beim Bundesministerium für Gesundheit

Besuch beim Bundesministerium für Gesundheit

Isabel Küfer

Genau diesen Fragen widmete sich das Fachforum Medizin. Vom 7. bis 9. März 2016 referierten im HSS-Büro in Berlin verschiedene Wissenschaftler und Ärzte über ihre Forschungsschwerpunkte und klinischen Erfahrungen in der Bekämpfung von Multiresistenten Erregern (MRE).

Prof. Dr. Petra Gastmeier

Prof. Dr. Petra Gastmeier

Isabel Küfer

Um das Ausmaß einer Bedrohung durch Erreger zu erfassen, wird zu allererst eines benötigt: Information. Nur mit dem Wissen, welche Keime und in welcher Größenordnung diese uns Probleme bereiten, können wir adäquat reagieren und unsere Forschungsanliegen in die richtige Richtung lenken. Zur Erfassung der Infektionen mit MRE wurden in den letzten Jahren verschiedene Netzwerke und Surveillance-Systeme ins Leben gerufen. Eines der bekanntesten und am meisten ausgebauten Surveillance-Systeme ist KISS, das Klinik-Infektions-Surveillance-System. Unsere Referentin Prof. Dr. Petra Gastmeier, Leiterin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité Berlin, hat dieses Programm maßgeblich mit aufgebaut und leitet nun KISS mit seinen weiteren untergeordneten Programmen.

"Aktuell bereiten uns die gramnegativen Erreger die meisten Probleme", so Gastmeier. Mittlerweile verursachen multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) fast dreimal so viele nosokomiale Infektionen wie MRSA. Alleine 4MRGN-Erreger, welche resistent gegen (Amino-)Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Fluorchinolone sind, verursachen so viele nosokomiale Infektionen wie MRSA (Epidemiologische Bulletin Nr. 6/2016, Robert-Koch-Institut).

PD Dr. habil. Christoph Lübbert

PD Dr. habil. Christoph Lübbert

Isabel Küfer

Gerade an der Geschichte gramnegativer Bakterien wie Escherichia coli kann man die Dynamik und Herausforderung der Entstehung von Resistenzen gut nachvollziehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sprachen viele der gramnegativen Bakterienspezies auf die Therapie mit B-Laktamantibiotika, wie Penicilline und Cephalosporine gut an. Doch in den 40er und 50er Jahren traten die ersten B-Laktamasebildner auf. Diese Erreger konnten die Antibiotika durch ein Enzym unschädlich machen. Die Medizin reagierte mit neuen Antibiotika wie den Cephalosporinen der 3. Generation, doch auch diese wurden durch die in den 60er Jahren erstmals beobachteten Extended-Spectrum-ß-Laktamase-Bildner (ESBL) inaktiviert. Gegen diese ESBL-Bakterien helfen meist nur noch Antibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme. Allerdings gibt es seit geraumer Zeit auch immer wieder Spezies, die Carbapenemasen bilden und dadurch unempfindlich gegen diese Substanzen sind (vor allem Klebsiella pneumoniae, E.coli, Acinetobacter baumanii und Pseudomonas aeruginosa). Hier hilft oft nur noch Colistin, eine Substanz, die aufgrund ihrer Nebenwirkung lange Zeit von der Bildfläche verschwunden war. "Bad bugs - no drugs", so fasste PD Dr. med. Christoph Lübbert, Leiter des Fachbereiches Infektiologie und Tropenmedizin des Universitätsklinikums Leipzig, die Situation zusammen. Er war während des Ausbruches von Carbapenemasen-bildenden Klebsiella pneumoniae Bakterien am Universitätsklinikum Leipzig 2014 der leitende Hygienebeauftragte und konnte so sein Wissen über die Bekämpfung der MRGN im klinischen Setting weitergeben.

Prof. Dr. Bettina Löffler

Prof. Dr. Bettina Löffler

Isabel Küfer

Einer im Rahmen der medialen Berichterstattung zu größter Bekanntheit gelangter Erreger ist MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus). Doch konnte in den letzten Jahren durch Screening-Verfahren, gute Therapie, Surveillance und Dekolonisation von Patienten, die MRSA tragen, der Anteil von MRSA unter allen Stämmen des Bakteriums von über zwanzig Prozent auf mittlerweile knapp dreizehn Prozent gesenkt werden. 

Nichts desto trotz bereitet der Erreger weiterhin große Probleme. Neben seiner genetisch bedingten Resistenz gegen alle B-Laktamantibiotika besitzt MRSA weitere Fähigkeiten, den gegen ihn wirksamen Substanzen, wie Linezolid oder Vancomycin, aus dem Weg zu gehen. So muss man neben genetischen Resistenzmechanismen auch an mögliche "phänotypische Resistenzmechanismen" denken. Prof. Dr. Bettina Löffler vom Institut für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Jena forscht mit Ihrem Team an diesen Strategien des Bakteriums. Diese Mechanismen betreffen vor allem den Stoffwechsel der Bakterien. So ist es MRSA möglich, seinen Stoffwechsel derartig zu reduzieren, dass Antibiotika, die vor allem in Stoffwechselvorgänge eingreifen, nicht mehr wirken können, auch wenn der Erreger an sich sensibel auf die Substanz reagiert. In Kolonie erscheinen diese Erreger dann als sogenannte "small-colony-variants". Diese Strategie ist wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass Erreger wie Staphylococcus aureus über mehrere Jahrzehnte im Knochen persistieren können und später wieder zu Infektionen mit Symptomen führen. Ein weiterer Mechanismus stellt die Bildung von Biofilmen dar. Neue Erkenntnisse zeigen, dass Bakterien in einem Biofilm miteinander kommunizieren und die Bildung der sie umgebenden Substanzen regulieren können. Dieser "Film" aus Substanzen führt dazu, dass Arzneimittel wie Antibiotika das Bakterium erst gar nicht erreichen können. Die Therapie schlägt fehl, obwohl das Bakterium im Labor sensibel reagiert.

Nachdem die Mechanismen (genetisch und phänotypisch) und die klinische Bedeutung von Antibiotikaresistenzen ausgiebig diskutiert worden sind, stellt sich die Frage nach der Entstehung dieser Resistenzen.

PD Dr. Sebastian Günther

PD Dr. Sebastian Günther

Isabel Küfer

PD Dr. rer. nat. Sebastian Günther, Leiter der Arbeitsgruppe "Interdisziplinäre Resistenzforschung" am Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen der Freien Universität Berlin, referierte über die Bedeutung der MRE in der Veterinärmedizin und widmete sich den Ursachen der Resistenzentstehung. Um zu verstehen, warum Bakterien resistent werden, muss man ihre Ökologie erforschen und verstehen lernen. Zu massiver und unüberlegter Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin und Veterinärmedizin spielen eine genauso große Rolle wie die Verbreitung der resistenten Erreger über Speziesgrenzen hinweg zwischen Tier und Tier sowie Mensch und Tier. Des Weiteren können Resistenzgene zwischen verschiedenen Bakterienspezies über sogenannte Plasmide, eine ringförmige zusätzliche DNA, ausgetauscht oder weitergegeben werden. Hinzu kommt, dass es logischerweise Resistenzen geben muss, da viele unserer Antibiotika von Mikroorganismen gegen Mikroorganismen gebildet werden. So muss ein Pilz wie Penicillium gegen sein eigens gebildetes Antibiotikum resistent sein, um zu überleben. Genau dies zeigt auch eine Publikation aus dem Fachjournal "Nature" von September 2011 (Nature, Vol 477, Seite 457-461). Aus dem über 30000 Jahre alten Permafrostboden in Alaska wurden Bakterien isoliert, die bereits gegen gängige Antibiotika wie Penicilline resistent waren. Resistenzen kommen also ganz natürlich vor und werden durch den vermehrten Einsatz von Antibiotika durch den Menschen beschleunigt und durch die Transmission zwischen Spezies verbreitet. Um eine Strategie gegen MRE zu entwickeln, müssen wir also ganzheitlich denken. Deswegen wird in letzter Zeit vermehrt von einem "One Health"-Ansatz gesprochen. Die menschliche Gesundheit ist nicht isoliert von der Umwelt und der Gesundheit von Tieren und Pflanzen zu verstehen.

Dr. Antina Ziegelmann

Dr. Antina Ziegelmann

Isabel Küfer

Der "One Health"-Ansatz ist auch der Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie (DART) des Bundesministerium für Gesundheit zugrunde gelegt. Dr. Antina Ziegelmann, Leiterin des Referates Übertragbare Krankheiten und Infektionsschutz, referierte für uns über die politischen Ansätze zur Bekämpfung der Entstehung von Antibiotikaresistenzen und brachte uns die Ziele der DART 2020 näher.

Hier wird vor allem auf sechs Punkte Wert gelegt:

  • der "One Health"-Ansatz soll nation und international gestärkt werden
  • Resistenzentwicklungen sollen eher erkannt werden
  • Therapieoptionen sollen erhalten und verbessert werden
  • Infektionsketten sollen frühzeitig unterbrochen und Infektionen vermieden werden
  • das Bewusstsein der Probleme soll gefördert und die Kompetenzen im Umgang mit Diesen gestärkt werden
  • Forschung und Entwicklung sollen gefördert werden
  • Mit diesem Programm geht der Gesetzgeber auf die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte zum Thema MRE ein und legt ein Programm mit konkreten Maßnahmen vor, um Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenz zu vermindern.

Nur wenn wir unsere Gesundheit im Zusammenspiel mit der Gesundheit unserer Umwelt verstehen, Antibiotika gezielt und richtig anwenden und weiteres Wissen über Resistenzen und Persistenzmechanismen gewinnen, werden wir eine Chance haben, dass unsere Arzneimittel auch noch in kommenden Generationen wirken.

Jakob Adler

Universitätsförderung MINT und Medizin
Isabel Küfer, M.A.
Leiterin
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