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Peru
Außerordentliche Parlamentswahlen

Die vorgezogenen Wahlen in Peru bringen überraschende Ergebnisse: Die Partei des Ex-Präsidenten Fujimori, Fuerza Popular, ist großer Verlierer, die älteste Partei Apra verfehlt den Einzug ins Parlament und eine evangelikale Partei, Frepap, ist der unerwartete neue Akteur im Parlament.

  • Vorgezogene Parlamentswahlen 
  • Überraschende Wahlergebnisse 
  • Parlament ist zersplittert
  • Wie geht es weiter?

Nachdem Präsident Martin Vizcarra am 30. September 2019 vorzeitig das Parlament aufgelöst hatte, fanden am 26. Januar 2020 in Peru außerordentliche Parlamentswahlen statt. Die Bevölkerung war dazu aufgerufen, 130 Parlamentarier für insgesamt 26 Wahlbezirke zu wählen, um die laufende Parlamentsperiode bis 2021 zu Ende zu führen. Da im kommenden Jahr wieder ordentliche Präsidial- und Kongresswahlen anstehen und ein neues Wahlgesetz die Wiederwahl verbietet, sind viele etablierte Politiker nicht zu dieser Wahl angetreten. Stattdessen möchten sie erst im nächsten Jahr bei den regulären Wahlen für die gesamte neue Legislaturperiode kandidieren.

Zur Information

Die Auflösung des Parlaments im vergangenen Jahr wurde von vielen begrüßt, von einigen als verfassungswidrig erachtet. Nach einer Meinungsumfrage kurz vor seiner Auflösung waren 87% der Bevölkerung mit dem Parlament und dessen Leistung unzufrieden. Das Vertrauen in die Parlamentarier sowie das Parlament als politische Institution ist geschwunden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das auf verschiedene Korruptionsskandale zurückzuführen, wie etwa den Fall Odebrecht und dessen langsame Aufarbeitung. Die Bürger sind politikverdrossen und suchen Veränderung. Korruption, Unsicherheit und Arbeitslosigkeit sind die Hauptprobleme des Landes.

Das weiße Kongress-Gebäudes des peruanischen Parlamentes wird von Bäumen umrahmt. Davor steht ein Reiterdenkmal.

Das Ergebnis der außerordentlichen Parlamentswahlen in Peru überraschte sowohl die Bevölkerung als auch die Politiker

© Valeria Mouzas

Die Wahlergebnisse

Die vorgezogene Wahl war ein wichtiges Ereignis, vor allem wegen des überraschenden Ergebnisses. Die Frente Popular Agrícola FIA del Perú (Landwirtschaftliche Volksfront Perus), kurz Frepap, die 8,24% der Stimmen erhalten hat, ist wohl die größte Überraschung, da sie bei den Umfragen immer nur am Rande in Erscheinung getreten ist. Die Partei der evangelikalen Bewegung Asociación Evangélica de la Misión Israelita del Nuevo Pacto Universal (Evangelische Vereinigung der Israelitischen Mission des Neuen Universalen Bundes) war zwar vor den Parlamentswahlen bekannt – nicht nur weil sie vor 20 Jahren im Parlament vertreten war, oder wegen ihres Logos, einem Fisch, sondern auch wegen zahlreicher Memes, die in jüngster Vergangenheit in den sozialen Medien verbreitet wurden – aber niemand hat mit einem derartigen Erfolg der Partei gerechnet. Laut Experten beruht dieser einerseits auf dem logistisch hervorragend landesweit geführten Wahlkampf und andererseits auf den Vorschlägen zu Agrarthemen, die insbesondere bei den Bürgern in ländlichen Gebieten Anklang fanden, während der Partei in den urbanen Gebieten das Protestvotum, also die Stimme gegen etablierte Parteien, zu Gute kam. Was Frepap für die peruanische Politik bedeutet, ist noch offen. Die erste Aussage der Partei nach der Wahl war: „Frepap macht keine Allianzen, bittet um keine Gefallen. Wir sind transparent, wir sind unabhängig“.

Parlament ist zersplittert

Insgesamt haben neun Parteien die Fünf-Prozent-Hürde genommen; keine von ihnen kann eine nennenswerte Mehrheit im Parlament für sich verzeichnen. Stärkste Partei des neuen Parlaments ist mit 10,29% die Acción Popular (Volksaktion), gefolgt von Frepap. Danach folgt Podemos Perú (Wir können Peru) mit dem ehemaligen Innenminister und Militär Daniel Urresti mit ca. 8,15%, während sich die Alianza para el Progreso (Allianz für den Fortschritt), Partei des Unternehmers Cesar Acuña, mit 8,03% im Parlament wiederfindet. Die Partido Morado (Violette Partei), die hauptsächlich in Lima gewählt wurde, hat 7,39% der Stimmen erreicht.

Die Partei des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, die nun von seiner Tochter Keiko geleitet wird, hat eine große Niederlage hinnehmen müssen. Vor der Auflösung des Parlaments hatte die Partei Fuerza Popular (Volkskraft) mit 73 Parlamentariern die Mehrheit im Parlament, jetzt erreicht sie gerade einmal 7,25%.

Aufhorchen lässt die Partei Unión Por el Perú (Union für Peru), die mit 6,87% ins Parlament einzieht. Anführer dieser Partei ist Antauro Humala, der inhaftierte Bruder des ehemaligen Präsidenten Ollanta Humala. Die Partei wird im Parlament nicht von Antauro Humala repräsentiert, sondern von Virgilio Acuña, Bruder des Begründers der Partei Allianz für den Fortschritt. Dieser hat nach der Wahl bereits angekündigt hat, dass er für die Freilassung Antauros und die Einführung der Todesstrafe für alle korrupten Präsidenten plädieren wird.

Auch die Parteien Somos Perú (Wir sind Peru) schafften es ins Parlament mit 6,07%, ebenso wie die bekannte sozialistische Parteie Frente Amplio  (Weite Front) mit 6,19%. Eine weitere große Überraschung dieser Wahlen ist, dass der ältesten Partei Perus, Apra (Alianza Popular Revolucionaria Americana), mit 2,73% die Fünf-Prozent-Hürde zum Verhängnis wurde und nicht ins Parlament einziehen wird.

Wie geht es weiter?

In einem so zersplitterten Parlament hat nun die Aufteilung zwischen Rechts und Links an Fahrt verloren. Es ist noch nicht voraussehbar, wie die politischen Debatten zu den Kernfragen, die das Parlament in den vergangenen Monaten führte (z.B. zur Verfassungsänderung, Reform des Justizsystems oder Gender in der Bildung) ausgehen werden.

Es zeichnet sich ab, dass Koalitionen nur temporär geschlossen werden, je nach Thema, und dass es eine große Herausforderung sein wird, im Parlament zu Mehrheiten oder einem Konsens zu kommen. Nichtsdestotrotz sehen einige Peruaner in dieser krassen Veränderung auch einen Hoffnungsschimmer, da das der Korruption verdächtige Establishment abgestraft und von neuen Akteuren abgelöst wurde.

Letztendlich spiegelt die hohe Diversität im Parlament auch die Vielfalt Perus wider.

Autorin: Valeria Mouzas

Peru
Dr. Holger Michael
Projektleitung
Lateinamerika
Esther J. Stark
Leiterin
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